3. Liga

Dynamo-Neuanfang mit Capretti kaum möglich - Sportchef Becker soll bleiben

SGD steht vor einem großen Umbruch

Dynamo-Neuanfang mit Capretti kaum möglich - Sportchef Becker soll bleiben

Wie geht es mit Trainer Guerino Capretti und Sportchef Ralf Becker bei Dynamo Dresden weiter?

Wie geht es mit Trainer Guerino Capretti und Sportchef Ralf Becker bei Dynamo Dresden weiter? imago images/Hentschel

Die erhoffte Rettung in der allerletzten Sekunde ist ausgeblieben. Nach der bitteren, keineswegs aber unverdienten 0:2 Niederlage im Relegationsrückspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern ist Dynamo Dresden nicht länger Zweitligist. Der Traditionsverein aus der sächsischen Landeshauptstadt muss nach 2006, 2014 und 2020 erneut den Gang in die Drittklassigkeit antreten. "Wir waren lange auf einem anständigen Weg. Am Ende sind wir irgendwie vom Weg abgekommen", beschrieb Sport-Geschäftsführer Ralf Becker (51) den durchaus vermeidbaren Abstieg.

Verminderte TV-Einnahmen, zahlreiche auslaufende Verträge, ungeklärte Personalfragen - der sportliche Niedergang wird unweigerlich zu massiven Veränderungen führen. Die wohl größte Baustelle offenbart sich bei einem Blick auf die sportliche Führungsebene. Die ursprünglich langfristig angelegten Verträge von Sportchef Ralf Becker (51) und Trainer Guerino Capretti (40) haben für die 3. Liga keine Gültigkeit. Würde sich Dynamo jetzt von Becker und Capretti trennen, hätte das finanziell keinerlei Folgen. Doch dann müsste man schnell zwei Nachfolger präsentieren, die gemeinsam den Kader zusammenstellen. Darauf scheint man in Dresden nicht wirklich vorbereitet zu sein. Ein fatales Machtvakuum also?

Becker hat nach kicker-Informationen ein Vertragsangebot vorliegen

Nur zum Teil, denn eine Personalie scheint bereits intern geklärt. Nach kicker-Informationen soll Sportchef Becker weiter im Amt bleiben. Dem Vernehmen nach hat der Baden-Württemberger einen unterschriftsreifen Vertrag vorliegen. Dieser soll eine Laufzeit von zwei Jahren beinhalten und für die 2. und 3. Liga gelten. Dass Becker grundsätzlich gewillt ist, den Neustart in Dresden mit anzuschieben, ist bekannt. "Wir sind uns grundsätzlich einig, dass ich sehr gern hier bin, und dass der Verein gern weitermachen würde", hatte der 51-Jährige Anfang Mai erklärt. Dass sich Verein und Sportchef trotz des augenscheinlichen Wunsches, auch in der Zukunft weiter zusammenzuarbeiten, nicht schon in der Vergangenheit für einschriftliches Treuebekenntnis entschieden haben, hat mehrere Gründe.

Becker kam im Sommer 2020 nach Dresden. Damals unterschrieb er einen Vertrag für zwei Jahre. Das Ziel war klar formuliert: Der Wiederaufstiegt soll schnellstmöglich gemeistert werden. Dies gelang tatsächlich direkt im ersten Jahr. Nach einer erfolgreichen Zweitliga-Hinrunde (11. Tabellenplatz, 22 Punkte) wurde Beckers Arbeitspapier im Oktober 2021 - auf die laut Vereinsstatuten maximal möglich Laufzeit - bis 2025 verlängert. Einen Haken hatte diese Übereinkunft jedoch schon damals. Becker unterschrieb nur für die 1. und 2. Liga, wollte damit ein Zeichen setzen. Der Verein erklärte sich einverstanden, schließlich hatte der Aufstiegs-Macher bis dato eine gute Bilanz vorzuweisen.

Dann folgte jedoch der Beginn der sportlichen Talfahrt. Dynamo verlor den Anschluss an das Tabellenmittelfeld, rutschte auf den Relegationsrang. Trotzdem wandte sich der Aufsichtsrat, der über die Einstellung oder Beurlaubung des Sportchefs befindet, kurz vor Ende der regulären Saison an den gebürtigen Leonberger. Becker soll ein Einjahresvertrag angeboten worden sein. Diesen lehnte der Sportfunktionär ab und bat um ein längerfristiges Engagement. Aus Sicht des 51-Jährigen ist das verständlich. Schließlich ist es durchaus denkbar, dass sich ein direkter Wiederaufstieg nach einem radikalen Umbruch nicht direkt einleiten lässt. In Dresdens neunköpfigem Aufsichtsrat herrschte im Anschluss daran Zwiespalt. Schließlich kann man Becker für die vergangenen beiden Transferperioden kein gutes Zeugnis ausstellen.

Auch das lange festhalten an Aufstiegstrainer Alexander Schmidt (53), unter dem man im Verlauf der Saison auch mehrere längere Sieglos-Serie einfuhr, sowie die Installation Caprettis als dessen Nachfolger, geht auf die Kappe des Sportchefs. Letztendlich wurde Beckers Forderung doch noch mit einer äußerst knappen Mehrheit nachgegeben. Für diese Entscheidung spricht, dass der Ex-Profi bereits bewiesen hat, eine drittligataugliche Mannschaft auf die Beine zu stellen. Nach kicker-Informationen wollen sich beide Parteien zeitnah austauschen und letzte Details besprechen.

Neuanfang mit Capretti kaum möglich

Relegation

Etwas anders gestaltet sich die Situation bei Trainer Capretti. Die Besetzung des Trainerpostens liegt allein in Beckers Verantwortungsbereich. Ein Neustart mit dem erfolglosen Coach dürfte jedoch kaum möglich sein. Capretti, der Anfang März als Retter verpflichtet worden war, muss auf eine katastrophale Zeit in Dresden zurückblicken.

Seit der Amtsübernahme des Deutsch-Italieners wurden fünf Partien verloren, sieben Remis eingefahren, die Sieglosserie wuchs auf 19 Spiele an. Zu seiner eigenen Zukunft wollte sich der Fußballlehrer am Dienstagabend nicht äußern. "Ich habe immer gesagt, es geht nicht um einzelne Spieler, es geht nicht um mich. Heute ist einfach ein Scheißtag, ein Scheißabend. Das müssen wir erst einmal sacken lassen. Alles andere steht jetzt hier überhaupt nicht zur Debatte."

Immerhin scheint der Abstieg für den Verein finanziell  verkraftbar zu sein. "Es würde uns arg treffen, aber nicht umhauen", erklärte Dresden kaufmännischer Geschäftsführer Jürgen Wehlend unlängst. Die finanzielle Kraft für einen direkten Wiederaufstieg scheint vorhanden. Die Frage, mit welchem Personal und welchen Spielern dies gemeistert werden soll, bleibt vorerst offen.

Lucas Böhme