Aus Abidjan berichtet Michael Bächle
Wer in Abidjan unterwegs ist, der kommt an seinem Gesicht nicht vorbei. Die Reklametafeln stehen an jeder Kreuzung - und in den allgegenwärtigen Staus haben die Menschen genug Zeit, Sebastien Haller zu sehen, wie er Werbung macht. Zum Beispiel für das größte Telekommunikationsunternehmen des Landes - oder für Mineralwasser. "Soif de vivre" steht groß auf der Tafel. Durst nach Leben.
Die Geschichte des Stürmers von Borussia Dortmund, der einen Hodentumor besiegt hat, inspiriert die Menschen hier. Er ist in der Elfenbeinküste ein Idol, fast schon ein Nationalheld - obwohl er sich erst sehr spät dafür entschied, für das Herkunftsland seiner Mutter zu spielen. Und das sicher auch, weil er in seinem Geburtsland Frankreich, für das er alle Jugend-Mannschaften durchlief, nicht an den Girouds, Benzemas und Mbappés vorbeikam.
Trotzdem wird es bei der Mannschaftaufstellung in den Stadien nie lauter als in dem Moment, in dem der Name des BVB-Stürmers durchgegeben wird. Weil er mit seinem Charakter und seiner Krankheitsgeschichte für Kampfgeist steht. Für die Fähigkeit, Widerstände zu überwinden. Die Fähigkeit, die hier viele Menschen in ihrem Leben brauchen. Und die Fähigkeit, wegen der die ivorische Nationalmannschaft jetzt im Finale des Afrika-Cups steht.
Ein Team, das beim Heim-Turnier schon so gut wie ausgeschieden war, plötzlich einen neuen Trainer hatte, dann erst gegen den haushohen Titelfavoriten Senegal zurückkam, um im Anschluss eine verloren geglaubte Partie gegen Mali in Unterzahl mit zwei Last-Minute-Toren noch zu drehen.
Haller spielte dabei keine unwichtige Rolle. Nachdem er die Gruppenphase wegen Sprunggelenksproblemen noch komplett verpasst hatte, ging mit seinen Einwechslungen in beiden Spielen ein Ruck durchs Stadion - und damit durch die Mannschaft.
Da passte es nur zu gut, dass Haller am Mittwochabend der entscheidende Mann für den Finaleinzug war - bei seinem ersten Pflichtspiel von Beginn an nach fast fünf Monaten, in denen er bei Borussia Dortmund ins zweite, sogar ins dritte Glied abgerutscht war. Gegen die DR Kongo spielte er auch, weil sowohl Christian Kouamé als auch Oumar Diakité gesperrt ausfielen. Und es lief bei Weitem nicht alles rund für den 29-Jährigen, der zwei Großchancen fast schon kläglich liegen ließ. Aber dazwischen sorgte er eben mit einer äußerst anspruchsvollen Direktabnahme für das Siegtor.
"Wir sind stolz darauf, dass wir all diese Menschen glücklich gemacht haben", sagte Haller nach der Partie, blickte aber bereits voraus. "Jetzt werden wir uns auf das Finale konzentrieren. Ich denke, wir sind bereits motiviert, am Sonntag in diesem Stadion die Trophäe in die Höhe zu stemmen." Gegen Nigeria hat die Elfenbeinküste in der Gruppenphase mit 0:1 verloren. Wohlgemerkt noch ohne Haller, der nun sagt: "Sie sind eine große Fußballnation, die eine sehr starke Mannschaft hat. Wir werden uns an ihnen revanchieren müssen."
Ganz klar, er hat Durst nach mehr.