Hinweis: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 27. August 2020.
Eine Wohnung in London hat Dominik Szoboszlai noch nicht gefunden, in Mailand oder Berlin auch nicht. Er hat aber auch gar nicht gesucht. "Angeblich", sagt der 19-jährige Spielmacher von Red Bull Salzburg im Gespräch mit dem kicker, "wechsle ich ja zu all diesen Mannschaften", also zu Arsenal, Milan oder Hertha. Das hat er auch gelesen. Oder das Youtube-Video gesehen: "Darum will jeder Dominik Szoboszlai verpflichten".
Aber das "interessiert mich nicht", wie Szoboszlai in bestem Deutsch vorbildlich verspricht, auch wenn er mal über den nächsten Schritt nachgedacht hat.
Mit zwölf Toren und 18 Assists in 40 Einsätzen hat der ungarische Nationalspieler Salzburg in der vergangenen Saison zum Double geführt und in der Champions League zumindest kurzzeitig für Furore gesorgt.
An das 6:2 zum Auftakt gegen Genk erinnert sich der neutrale Zuschauer vor allem, weil Erling Haaland dreimal traf, danach nicht mehr aufhörte und ein paar Monate später nach Dortmund wechselte. Auch Szoboszlai war in diesem Spiel erfolgreich, besorgte den Treffer zum 5:1-Pausenstand und legte im Rückspiel (4:1) ein Tor auf.
"Sehr gute Freunde": Erling Haaland und Dominik Szoboszlai. imago images
Dann brach mit Takumi Minamino und eben Haaland im Winter eine Achse weg, und Salzburg hätte beinahe den siebten Meistertitel in Serie verspielt. Böse ist Szoboszlai seinen ehemaligen Weggefährten deswegen nicht, "sie sind ihren eigenen Weg gegangen". An Minaminos Stelle, zum Beispiel, "kann ich es absolut verstehen - er konnte nach Liverpool wechseln!"
Und Haaland? "Er hat entschieden, dass er das schaffen kann und hat es geschafft." Szoboszlai sah zu, wie sein "sehr guter Freund" beim Bundesliga-Debüt für Dortmund drei Tore in Augsburg schoss und - natürlich - nicht mehr aufhörte. Überrascht war Szoboszlai "überhaupt nicht. Ich wusste, dass er das packt. Erling ist ein richtig guter Typ, Dortmund passt perfekt zu ihm."
In Salzburg war es der drei Monate ältere Haaland, der Szoboszlai "oft gesagt hat, was ich machen soll und wie ich es am besten mache - wie ein Anführer eben".
Und das hat bestens funktioniert. Nach dem Re-Start traf Szoboszlai auf dem Weg zum Double siebenmal. "Es hat wohl ein bisschen so ausgesehen", lacht Szoboszlai auf die Frage, ob er seinen Kumpel Haaland höchstpersönlich vertreten musste.
Dann komme ich nach Dortmund.
Szoboszlai über einen Anruf von Erling Haaland
Tore sind eigentlich nicht das, wofür Salzburg den damals 16-Jährigen vom Videoton FC (heute Fehervar FC) geholt hatte. "Technisch bin ich, glaube ich, nicht so schlecht", schmunzelt der Mittelfeldspieler, der zwischen Zentrum und linker Seite variiert. "Auf dem Platz kann ich das Spiel gut lesen. Bevor ich den Ball bekomme, weiß ich, wohin ich ihn spielen will. Und solche Sachen…" Ach, eins noch: "Freistöße und generell Standards gehören auch zu meinen Stärken."
Bei einem Länderspiel für die ungarische U-Nationalmannschaft hatte Salzburg Szoboszlai im Alter von 15 Jahren entdeckt und nach Österreich eingeladen. "Da wurden dann ein paar Tests gemacht, und wir haben uns ziemlich schnell entschieden." Bei Red Bull "habe ich gesehen, dass ich lernen und wachsen kann und dass sie mich wirklich haben wollten".
In Salzburg musste Szoboszlai in einer WG leben, die eigene Wohnung war erst mit 18 erlaubt. In der Zwischenzeit folgten die ersten Profi-Schritte beim Kooperationsklub in Liefering und im Januar 2018 der erste große Vertrag. Nur das mit dem Durchbruch ganz oben verlief etwas holpriger - "und das war mein Fehler".
"Er ist ein anderer Typ": Dominik Szoboszlai über Ex-Coach Marco Rose. imago images
Mit dem damaligen Cheftrainer Marco Rose verstand sich Szoboszlai am Anfang nicht so gut. "Ich hatte vorher für Liefering in der 2. Liga gespielt und, als ich hochgekommen bin, gedacht, dass ich einfach so weitermachen kann; dass das, was ich bisher gespielt habe, definitiv für die 1. Liga reicht."
Dass das eben nicht der Fall war, machte ihm Rose deutlich. "Marco ist ein anderer Typ, aber wenn er mir nicht gezeigt hätte, dass ich mich und meine Einstellung verändern muss, wäre ich heute wohl nicht hier."
Nach dem Profi-Debüt am letzten Spieltag der Saison 2017/18 folgten im Jahr darauf 20 Einsätze, doch erst unter Rose-Nachfolger Jesse Marsch machte es richtig Klick. "Er hat mir vor allem auf Videos gezeigt, was ich verbessern muss. Sachen, die ich vorher noch nicht verstanden hatte." Hinzu kam ein Personal-Coach, durch den "ich auch während der Corona-Pandemie nicht einen Tag Pause gemacht habe".
Der Lohn waren Meisterschaft, Pokalsieg, die Wahl zum Spieler der Saison in Österreich - und eine Nachricht vom Ex-Coach. "Marco hat mir danach kurz geschrieben und gratuliert. Dann haben wir ein bisschen geredet." Auch über Stefan Lainer, Hannes Wolf, Valentino Lazaro und Mönchengladbach? "Nein, mehr nicht."
Meister und Pokalsieger: Dominik Szoboszlai. imago images
Szoboszlai, so heißt es, habe es dem FC Arsenal angetan oder Hertha BSC. Ein 35-Millionen-Euro-Wechsel zu Milan soll schon vor Wochen fix gewesen sein. Aber das ist "wurscht", wie er selbst sagt. "Ich habe hier in Salzburg meine Mannschaft."
In fünf Jahren kann und soll das ganz anders aussehen. "Sagen wir mal so", blickt Szoboszlai voraus. Er sieht sich spätestens dann "in einer der Top-4-Ligen bei einer Top-5-Mannschaft. Aber eher in einer der ersten drei, also England, Spanien oder Deutschland."
Und was wäre, wenn der Kumpel Haaland anruft und ihn zum BVB holen will? "Dann komme ich nach Dortmund", lacht Szoboszlai zum Abschluss. "Aber nur zum Abendessen."
Update: In elf Pflichtspielen in dieser Saison steuerte Szoboszlai neben acht Vorlagen auch fünf Treffer bei - zwei davon in der Champions League.
