Champions League

Erling Haaland im Porträt: Der Riese, den Rose zappeln ließ

Wie gut ist die Entdeckung von RB Salzburg?

Erling Haaland im Porträt: Der Riese, den Rose zappeln ließ

Erstes Champions-League-Spiel, drei Tore: Erling Haaland.

Erstes Champions-League-Spiel, drei Tore: Erling Haaland. imago images

Dieses Porträt erschien Anfang Oktober 2019

Ein Lachen. "Das ist in Norwegen nicht normal!"

Am letzten Mittwoch gewinnt FK Haugesund sein Pokalspiel bei Mjöndalen IF mit 3:1, für die Gäste ist es der erste Sieg seit Mitte August. Unnormal? Nein, das noch nicht.

Die große Berichterstattung muss aber kurz warten. Bei "VG", Norwegens größter Zeitung, liegt das Hauptaugenmerk zur gleichen Zeit darauf, den Stream zum österreichischen Pokalduell zwischen Rapid Wien und RB Salzburg herzustellen. Normalerweise spielt der österreichische Fußball in Norwegen keine große Rolle - aber was ist schon normal?

Sie wollen Erling Haaland spielen sehen! Offensichtlich lieber als Olivier Occean, dessen Anschlusstreffer für Erstliga-Aufsteiger Mjöndalen gegen Haugesund nichts mehr bewirkt. Ärgerlich für VG, "Verdens Gang", dass Erling Haaland beim 2:1-Verlängerungskrimi in Wien krankheitsbedingt fehlt.

Aber der Punkt ist klar, oder? "Natürlich", sagt Lars Sivertsen, ein norwegischer Journalist aus Bryne, der quasi neben der Haustür von Haaland aufgewachsen ist. "Natürlich wird über ihn viel geschrieben", erklärt er dem kicker. Spätestens seit Haalands Dreierpack in seinem und Salzburgs Champions-League-Debüt.

Auch Marco Rose muss schmunzeln, als Haalands Name fällt. "Schon mal gehört", sagt er dem kicker. Im Januar 2019 war Haaland vom Molde FK zu Rose nach Salzburg gewechselt, hatte dafür unter anderem Juventus abgesagt. "Er war von Anfang an sehr fokussiert", erklärt Rose, "hat aber auch ein paar Wochen gebraucht, um die Spielweise zu adaptieren." Nachdem der da noch 18-Jährige in Norwegen reihenweise getroffen hatte, war "das erste halbe Jahr" in Österreich "nicht so einfach für ihn".

Marco Rose und Erling Haaland

Kennen sich: Marco Rose und Erling Haaland. imago images

Jetzt, ein paar Monate später, hat Haaland in zehn Pflichtspielen in dieser Saison 17-mal getroffen und fünf Tore vorbereitet. "Die Spielweise" von RB, auch unter Rose-Nachfolger Jesse Marsch, "passt zu ihm", meint Rose, "weil er extrem dynamisch und torgefährlich ist, und im Moment geht einfach auch viel auf. Er ist ein richtig guter Junge, der eine große Zukunft vor sich hat." Und für einen 19-Jährigen eine erstaunliche Vergangenheit.

Weil Haalands Vater Alf-Inge von 1997 bis 2000 bei Leeds United spielt, kommt Erling in Yorkshire zur Welt. Die kurze Zeit in England hinterlässt Spuren, denn Haaland möchte, so sagt er selbst, irgendwann gerne mit Leeds englischer Meister werden.

Nach der Rückkehr in Alf-Inges Heimat Bryne debütiert Erling dort als 15-Jähriger für den heutigen Drittligisten Bryne FK. Damals gibt es noch keinen ersichtlichen Grund, warum Haaland heute "Manchild" genannt wird. Oder Norwegens Romelu Lukaku. Oder warum ehemalige Teamkollegen behaupten, Haaland habe als 17-Jähriger den "Körper eines 26-Jährigen" gehabt.

Ich war geschmeichelt, dass Juventus interessiert war, aber ich dachte, es sei zu früh.

Haaland über andere Offerten

Tatsächlich war Haaland "ein kleiner, dünner Junge", wie Sivertsen erklärt. Die Physis, die heute herausragt beim 1,93 Meter großen, wuchtigen Angreifer, entwickelt sich erst ab dem 17. Lebensjahr. In der Jugend bekommt es Haaland stets mit älteren und größeren Gegenspielern zu tun, deshalb legen seine Trainer viel Wert darauf, dass er auf seinen ersten Kontakt achtet, auf seine Technik und die Laufwege.

Erst dann kommt der Wachstumsschub.

2017 erzählte der 17-jährige Haaland in einem Interview in Norwegen stolz, er sei im vergangenen Jahr "nur fünf Zentimeter" gewachsen. "Nur?", fragte der Reporter verwundert. Na ja, antwortete Haaland, "im Jahr davor waren es zwölf".

Im selben Jahr zieht es Haaland von Bryne nach Molde zu Trainer Ole Gunnar Solskjaer. Wie später in Salzburg braucht er ein bisschen Eingewöhnungszeit, ehe der Knoten am 1. Juli 2018 so richtig platzt. Molde gastiert beim bis dato ungeschlagenen Tabellenführer Brann Bergen, der in den ersten 14 Saisonspielen nur fünf Tore kassiert hatte. Haaland trifft binnen 17 Minuten viermal, Molde gewinnt 4:0. Der ehemalige Stürmer Solksjaer attestiert Haaland - Überraschung - "die nötigen Fähigkeiten vor dem Tor".

Nach 50 Spielen und 20 Toren für Molde zieht Haaland, längst umworben von den Großklubs aus Italien und England, weiter nach Salzburg. "Ich war geschmeichelt, dass Juventus interessiert war", erklärt Haaland in der Vereinsmitteilung von RB, "aber ich dachte, es sei zu früh, um dorthin zu gehen."

Haaland will lieber spielen, nur unter Rose dauert es, wie gesagt, noch etwas. Schlagzeilen schreibt der mittlerweile Volljährige zunächst nicht in Österreich, sondern in Polen bei der U-20-WM. Nach zwei Niederlagen empfängt Norwegens Nachwuchs im abschließenden Gruppenspiel Honduras und gewinnt 12:0. Haaland trifft neunmal. Neun. Mal.

Erling Haaland

Neun Tore in einem Spiel: Haaland gegen Honduras. imago images

Danach hört Haaland nicht mehr auf. Ob in der österreichischen Liga, im Pokal oder eben in der Champions League.

Vor dem Auftakt gegen Genk vor zwei Wochen ist RB-Kapitän Andreas Ullmer mit seiner kleinen Tochter spazieren, als ein Auto neben ihm hält und die Fensterscheibe runtergeht. Haaland grinst ihn an, während im Hintergrund die Champions-League-Hymne läuft. Eine offensichtlich erfolgreiche Motivation.

"Es ist eine gute Erfahrung für Erling, im Mittelpunkt zu stehen", urteilt Solskjaer aus dem fernen Manchester, "den Druck und die Erwartungshaltung zu spüren. Er verarbeitet das gut und behält einen kühlen Kopf. Er ist sehr gut darin, sich darauf zu fokussieren, was er auf dem Platz machen soll, anstatt darüber nachzudenken, wer auf der Tribüne sitzt und ihm zuschaut."

Wieder einmal hat er bewiesen, warum er definitiv einer der besten Stürmer der Welt werden wird.

Teamkollege Maximilian Wöber über Haaland

Da sitzen inzwischen genug interessierte Beobachter. "Die Verbindung zu Manchester United ist ja irgendwie logisch", sagt Sivertsen über mögliche Offerten, die bald kommen werden. Solskjaer kennt Haaland gut, und Haaland ist Solskjaer dankbar für die ersten richtigen Schritte im Profifußball.

Am Mittwoch darf Jürgen Klopp, und besonders Virgil van Dijk, gucken, was Haaland kann. "Er ist phänomenal", sagt sein Teamkollege Maximilian Wöber. "Mit seiner Größe, so wendig zu sein und den Ball zu beherrschen. Es ist wirklich schwer, im Training gegen ihn zu spielen - du kannst ihn nur foulen. Wieder einmal hat er bewiesen, warum er definitiv einer der besten Stürmer der Welt werden wird."

Haaland ist seit vorletzter Woche der drittjüngste Dreierpacker der Champions-League-Geschichte, gleich nach Raul und Wayne Rooney. Er selbst schaut lieber zu Zlatan Ibrahimovic auf, wie der "so gut geworden" sei, wie "er spielt". Und außerdem "ist er auch Skandinavier, also muss irgendwer mal für ihn übernehmen".

Haaland

Jubel beim CL-Debüt: Haaland gegen Genk. imago images

Haaland hat das Potenzial dazu, auch wenn er "zum Glück" nicht mehr wächst. Knüpft er ausgerechnet beim amtierenden Titelverteidiger, dem "besten Team Europas" (Haaland), da an, wo er gegen Genk aufgehört hat, wird der Hype nicht nachlassen. Aber das, findet Solskjaer, macht ihm ja nichts aus.

Die Vorbereitung auf das Spiel wird Haaland genauso angehen wie zuletzt. "Ich fahre vom letzten Training heim", wie er im Interview auf "redbull.com" erzählt, "und höre mir wieder die Hymne an. Das habe ich schon als Kind gemacht, es ist vielleicht mein Lieblingslied."

Mario Krischel

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