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Frauen-Bundesliga: Wie Ramona Maier bei SGS Essen überzeugt

"Das macht auch was mit den Mitspielerinnen"

Die Maloche geht weiter: Wie Ramona Maier in Essen überzeugt

Jobbt nebenbei ab und an in einem Café: Ramona Maier.

Jobbt nebenbei ab und an in einem Café: Ramona Maier. FUNKE Foto Services

Es kann getrost als eine Art Erweckungserlebnis bezeichnet werden, was da im vorvergangenen Winter vonstattenging. Ramona Maier spielte seinerzeit in der 2. Liga, tourte mit dem FC Ingolstadt durch die Lande und traf in sehr verlässlicher Regelmäßigkeit. Dass sie aber die Fähigkeiten für Deutschlands Elite-Klasse haben könnte, daran, so sagt sie selbst, habe sie trotz der vielen Treffer nicht gedacht.

Jedenfalls nicht bis zu diesem einen Tag, an dem ein - unbenannter - Erstligist bei ihr vorstellig geworden sei. Zum einen wird Maier das Interesse gewiss geschmeichelt haben. Zum anderen, und das ist viel wichtiger für ihre Geschichte, verpflanzte es den Gedanken in ihrem Kopf: Vielleicht funktioniert es ja doch noch mit der Bundesliga. Zwei Jahre später zählt sie zu den treffsichersten Angreiferinnen des Landes und gilt als unumstrittene Stammkraft bei der SGS Essen.

40 Stunden in der Woche war ich für die Polizei im Einsatz, war auf Streife und habe nebenher gespielt.

Ramona Maier

Wo auch sonst? Das könnte man nun erwidern. Zum aktuellen Zeitpunkt scheint es für die 28-Jährige schließlich keinen besseren Standort zu geben. "Das Ruhrgebiet steht für harte Arbeit - damit kann ich mich voll identifizieren", erklärt die Spätstarterin im Gespräch mit dem kicker. Und in der Tat: Das Ruhrpott-typische Malochertum verkörpert sie wohl mehr als alles andere. In gewisser Weise zieht sich dieses Motiv durch ihr gesamtes Wirken - auf und neben dem Platz.

Bundesliga, 13. Spieltag

Zwar wurde die in Erding geborene Maier in der Jugend beim FC Bayern ausgebildet. Mit dem Durchbruch aber klappte es nicht. Schlimmer noch: Beim SC Regensburg zog sie sich einen Kreuzbandriss zu, ließ den Fußball rund anderthalb Jahre ruhen, ehe sie in der Regionalliga für Ingolstadt - mittlerweile als hauptberufliche Polizeibeamtin - aus Lust und Laune wieder damit begann.

"40 Stunden in der Woche war ich für die Polizei im Einsatz, war auf Streife, hatte Schichtdienst und habe nebenher gespielt", sagt sie. Erst in der Regionalliga Süd, dann in der 2. Liga "mit Auswärtsfahrten, die uns durch ganz Deutschland geführt haben". Um an möglichst jedem Training teilzunehmen, verließ Maier die Polizeiwache mal früher, mal später, bemühte sich, all ihre Termine und Verpflichtungen in die sieben Wochentage zu stopfen. Ein Kraftakt, zweifelsfrei.

Polizistin Maier ergab sich unverhofft die Bundesliga-Chance

Was sie in diesen Monaten angetrieben habe? "Ich denke, der Spaß an der Sache." Allein auf dem Rasen könne sie ihren Kopf "komplett ausschalten. Und bei der Polizei hatte ich spannende Einsätze, eine verantwortungsvolle Aufgabe". Im Grunde, rekapituliert sie, sei es "eine coole Zeit" gewesen. Wenngleich die Offensivkraft ohne zu zögern zusagte, als sich unverhofft die große Bundesliga-Chance ergab. "Dass es so gelaufen ist", sagt Maier rückblickend, "hätte ich mir nicht erträumen lassen. Es ist schon ein Kindheitstraum, der in Erfüllung gegangen ist."

Großen Anteil daran besitzt Markus Högner, Essens Trainer, der für die Spielzeit 2022/23 eine Torjägerin suchte und auf die 1,66 Meter große, physisch starke Angreiferin aufmerksam wurde. Sie, die erst im Laufe der Jahre vom defensiven Mittelfeld über den offensiven Flügel ins Sturmzentrum gerückt war, traf für den FCI 47-mal in 53 Zweitliga-Spielen. Dass Maier keinerlei Erfahrung in der höchsten Spielklasse besaß, störte Högner nicht.

Denn: "Wenn eine Spielerin so viele Tore in der 2. Liga schießt, hat sie in jedem Fall ein Knipser-Gen", sagt der Coach, dem darüber hinaus ihre Haltung imponierte. "Ramona steht mit beiden Beinen im Leben, ist ein Vorbild neben und auf dem Platz." Bis heute erinnere er sich an keinen Tag, an dem sie nur dosiert trainiert habe: "Auch wenn ich mir manchmal denke: Lass es gern mal ruhiger angehen."

Wenn man sieht, wie sie jedem Ball nachjagt, kommst du dir blöd vor, wenn du in der einen oder anderen Situation stehen bleibst.

Markus Högner

Doch das ist schlicht und ergreifend nicht ihr Ding. Vielmehr kennzeichnet Maier exakt dieser unerschütterliche Wille und diese uneingeschränkte Bereitschaft, immer und überall ans persönliche Limit gehen zu wollen. Ein entscheidender Grund, weshalb sie so gut nach Essen und zur SGS passt. In dieses Team, das zwar sehr wohl über feine, technisch beschlagene Fußballerinnen wie Natasha Kowalski oder Laureta Elmazi verfügt, vor allem aber mit seiner ausgeprägten Ge- und Entschlossenheit punkten muss. Ohne die wäre alles nichts.

Dass Maier in den ersten drei Partien der Vorsaison von der Bank kam, blieb die Ausnahme der Regel. Seither gehört sie zum Stamm. Zunächst habe sich die Stürmerin ein paar Wochen an das ungleich höhere Erstliga-Tempo gewöhnen müssen, an die Handlungsschnelligkeit der gegnerischen Verteidigerinnen und die verschärfte Drucksituation im eigenen Ballbesitz.

Das beste Beispiel für Maiers Willen lieferte der Jahresabschluss 2023

Danach sei sie bei der SGS, die Jahr für Jahr ein sehr junges Team stellt, "nicht mehr wegzudenken" gewesen, schildert Högner und rühmt seine Angreiferin: "Wenn du so eine Spielerin hast, macht das auch was mit den Mitspielerinnen. Wenn man sieht, wie sie jedem Ball nachjagt, kommst du dir blöd vor, wenn du in der einen oder anderen Situation stehen bleibst."

Das beste Beispiel dafür lieferte der Jahresabschluss 2023, den die SGS im Rheinland beging. Sofie Vendelbo, ihrerseits Abwehrkraft des 1. FC Köln, wollte den Ball nach 27 Minuten über die Grundlinie laufen lassen, um nachfolgend per Abstoß ruhig und geordnet aufbauen zu können. Eine Allerweltszene - das war zumindest anzunehmen. Maier allerdings preschte auch diesmal hinterher und bearbeitete die Kölnerin so vehement, dass sie die sicher geglaubte Kugel doch noch verlor. Es folgten ein akkurates Zuspiel, das Tor des Tages durch Lena Ostermeier und lauter Jubel.

Stürmerin Maier läuft bei der SGS stets vorneweg

Vor dem Freitagsspiel gegen RB Leipzig (19.30 Uhr, LIVE! bei kicker) steht Überraschungsteam Essen auf Rang 7, nur drei Punkte von der viertplatzierten TSG Hoffenheim entfernt. "Schon der Saisonstart gegen Frankfurt (2:0, Anm. d. Red.) war toll. Wir haben gleich gesehen, dass wir gegen Top-Teams mithalten und - an guten Tagen - sogar gewinnen können", sagt Maier, die zudem die Hinrundenpartien in Hoffenheim (3:0) und in Leverkusen (0:0) zum Vergleichsmaßstab für die SGS erhebt.

Ihr Spiel definieren klare offensive Umschaltabläufe, gefährliche Standards und ein bestens choreografiertes Abwehrverhalten - mal tiefer stehend, mal pressend, immer intensiv. Dass der kleine, in den vergangenen Jahren noch abstiegsgefährdete Erstligist gemeinsam mit Frankfurt die drittbeste Defensive (elf Gegentore) stellt, ist der verdiente Ertrag dieser kraftraubenden Bemühungen, die stets ganz vorne bei Maier beginnen.

"Ich will mein Durchsetzungsvermögen zeigen, bis zum Ende aggressiv anlaufen, Bälle festmachen und zum Abschluss kommen", sagt die bis 2026 gebundene Mittelstürmerin, die neben ihrer Wucht über ausreichend Tempo und eine gute Technik verfügt. Erzielte Maier 2022/23 acht Treffer, steht die Rechtsfüßerin 2023/24 bei bisher vier Toren.

Damals noch weit weg von der Bundesliga: Ramona Maier im August 2019 im Trikot von Zweitligist Ingolstadt.

Damals noch weit weg von der Bundesliga: Ramona Maier im August 2019 im Trikot von Zweitligist Ingolstadt. imago images / Hartenfelser

Eine ordentliche Quote, zumal mit Bremens Sophie Weidauer (6), Frankfurts Laura Freigang und Nicole Anyomi (je 5) sowie Hoffenheims Melissa Kössler (5) nur vier deutsche Stürmerinnen öfter trafen. "Ich bin im Soll", bilanziert Maier also. Wohl wissend, dass es immer besser geht. "Im Abschluss habe ich noch viel Potenzial", sagt sie. Und da sie außerdem "ruhiger am Ball werden und die Situationen, das Spielfeld besser scannen" könne, wird die Maloche munter fortgesetzt.

Wie es generell weitergeht, bleibt derweil abzuwarten. Irgendwann - davon ist auszugehen - wird Maier die aktuell ruhende Polizeiarbeit wieder aufnehmen. Seit ihrem Wechsel zur SGS jobbt sie ab und an in einem Café, konzentriert sich ansonsten auf den Sport. Klar ist: Mit gerade 32 Liga-Einsätzen steht sie eher am Anfang als am Ende, kann noch viele weitere Spiele in der Eliteklasse folgen lassen. Dass sie alles dafür mitbringt, weiß Maier spätestens seit Anfang November 2022.

Gegen Potsdam (2:1) erlief sie seinerzeit einen Chipball, schob sich mit voller Kraft an Keeperin Vanessa Fischer vorbei und erzielte ihren ersten Bundesliga-Treffer. Ein besonderer Moment. Denn obgleich sie sich nie den großen Druck gemacht habe, sei ihr in diesen Sekunden wirklich bewusst geworden, dass sie es auch in der 1. Liga könne, sagt Maier. Wenn man so will, war auch das eine Art Erweckungserlebnis.

Leon Elspaß

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