Zwölf der letzten 16 Länderspiele hat die Nationalmannschaft nicht gewonnen, die vergangenen drei Turniere in den Sand gesetzt und zuletzt im Juni die Fans mit trostlosen Darbietungen gegen die Ukraine (3:3), Polen (0:1) und Kolumbien (0:2) vergrault.
Umso befremdlicher war die Wahrnehmung, die Kai Havertz am Donnerstag bei der DFB-Pressekonferenz in Wolfsburg äußerte. "Wir haben in den letzten Monaten viel Kritik bekommen, oftmals nicht zurecht", schilderte der Offensiv-Allrounder und begründete das WM-Desaster in Katar vornehmlich mit der ausgebliebenen Rückendeckung durch die deutschen Fans: "Es sollte jedem aufgefallen sein in der Nachbetrachtung der WM, dass wir nicht so viel Rückhalt hatten im Land. Fußballerisch betrachtet war kein Support vorhanden, da waren wir auf uns alleine gestellt."
Havertz' Aussagen belegen die seit vielen Monaten offensichtliche Entfremdung zwischen der Nationalelf und dem eigenen Anhang.
"Für uns Fußballer sind Fans extrem wichtig"
DIe DFB-Länderspiele im September
Auch bei der gerade ausgestrahlten Amazon-Doku über das WM-Scheitern klagten Spieler und Bundestrainer Hansi Flick immer wieder über das geringe Interesse der Basis an dem Wüsten-Turnier und der Nationalelf. Havertz bekräftigte dies am Donnerstag: "Für uns Fußballer sind Fans extrem wichtig, weil das auch Kraft verleiht. Wenn man gesehen hat bei den anderen Nationen, welche Fans und welchen Support die hatten, das hat bei uns ein bisschen gefehlt." Auch in Krisenzeiten bräuchten Fußballer "Rückhalt und Unterstützung, um da wieder raus zu kommen. Anders geht es eben nicht", so der England-Legionär weiter.
"Wir werden alles tun, um das Land stolz und glücklich zu machen"
Bei der Neuauflage des WM-Auftaktspiels gegen Japan an diesem Samstag (20.45 Uhr, LIVE! bei kicker), das mit der 1:2-Pleite vor knapp zehn Monaten zum Anfang vom schnellen WM-Ende wurde, soll nach Havertz' Vorstellungen nicht nur der sportliche Turnaround gelingen, sondern auch ein Stimmungswandel auf den Rängen erzeugt werden.
"Wir wollen anfangen, für Euphorie im ganzen Land zu sorgen und Spiele zu gewinnen. Deshalb sind es keine Freundschaftsspiele, sondern Spiele, die wir sehr ernst nehmen und auch extrem ernst nehmen müssen", versprach er. Man werde "alles dafür tun, um die Fans und das ganze Land wieder stolz und glücklich zu machen".
"Ich habe oft genug gesagt, dass die Stürmerposition für mich nichts Schlimmes ist"
In welcher Rolle Havertz selbst dazu beitragen kann, wird sich zeigen.
Sein Saisonstart beim FC Arsenal verlief arg holprig, nach den ersten vier Saisonspielen ohne Tor und Assist steht er dort bereits in der Kritik. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass er in Abwesenheit von Mittelstürmer Niclas Füllkrug sein 38. Länderspiel in der Startelf als Neuner bestreiten wird.
Fünf seiner letzten sechs Länderspiele bestritt der eigentlich im offensiven Mittelfeld beheimatete Profi im Sturmzentrum, auch bei der WM-Pleite gegen Japan. "Ich habe oft genug gesagt, dass die Stürmerposition für mich nichts Schlimmes ist. Ich habe bei Chelsea gefühlt eineinhalb Jahre auf der Neun gespielt und war dabei sehr erfolgreich", bekräftigte Havertz. "Ich versuche die Position bestmöglich zu spielen und erfolgreich zu sein." Gelingt dies, wäre es ein erster Schritt, die vergraulten Fans wieder ins Boot zu holen.