Int. Fußball

Udo Steinberg: Der Deutsche, der die ersten Clasico-Tore schoss

Die Geschichte des Gründers Udo Steinberg

Der Deutsche, der die ersten Clasico-Tore schoss

Der Clasico mit Paul Breitner (li.) und Johan Cruyff im Jahr 1975. Begonnen hatte alles 1902.

Der Clasico mit Paul Breitner (li.) und Johan Cruyff im Jahr 1975. Begonnen hatte alles 1902. picture-alliance/ dpa

Die Diskussionen am 28. Januar 1900 in Leipzig waren ungemütlich. Und auslaugend. Irgendwann hatten die meisten Delegierten dann auch den Faden verloren. Dass dieses Datum heute dennoch als Gründungtag des DFB in den Annalen steht, lag in erster Linie an Udo Steinberg. Prof. Dr. Ludwig Hilmer ist Rektor der Hochschule Mittweida und "überzeugt, dass es an diesem Tag sonst nichts geworden wäre" mit der Gründung des größten Fußballverbandes der Welt.

In Mittweida staunten sie nicht schlecht, als sie in den 2010er Jahren der Spur ihres Alumnus folgten, die sie schließlich bis zum FC Barcelona führen sollte. Angefangen hatte alles in Berlin, wo Steinberg 1877 das Licht der Welt erblickte. Aufgewachsen ist er aber in Chemnitz, in einer Zeit, in der der Fußball in die deutsche Kultur so langsam, aber eben auch sehr langsam Einzug erhielt.

Der heranwachsende Udo war sofort mit der "englischen Krankheit", wie der neumodische Sport abschätzig abgetan wurde, infiziert und trug einiges dazu bei, dass sämtliche Prozesse beschleunigt wurden. Noch als Schüler gründete er mehrere Vereine. 1896 in Mittweida dann auch den Ballspiel-Club, in Chemnitz 1899 Britannia - woraus später der CFC entstand.

Er war eine Art 'Mr. Football' für Deutschland.

Prof. Dr. Hilmer über Udo Steinberg

Und 1900 eben federführend den DFB, als er diese beiden Vereine vertrat und eigentlich schon alles auf eine Vertagung hingedeutet hatte. "Er war ein Sportdiplomat, der mit hoher Kunst vermittelt hat, obwohl es innerlich in ihm gebrodelt hat. Er war der Katalysator der Bewegung, eine Art 'Mr. Football' für Deutschland", beschreibt Prof. Dr. Hilmer das, was man heute noch über Steinberg weiß - und das ist eine ganze Menge.

Etwa sein Umzug nach Barcelona, wo der leidenschaftliche Fußballer ebenfalls ein paar Vereine gründete, aber nicht nur das. Steinberg agierte als Repräsentant deutscher Unternehmen der Elektrotechnik und des Maschinenbaus im iberischen Raum, gründete ein Ingenieurbüro, baute das örtliche Straßenbahnnetzwerk aus. Und legte beinahe nebenbei den Grundstein für das vielleicht größte Spiel des europäischen Vereinsfußballs.

Schon ab 1901 hatte Steinberg für den FC Barcelona gespielt, den er zwar nicht gegründet hatte, der damals aber erst zwei Jahre alt war. An der Seite des großen Hans Gamper, des Schweizer Barça-Gründers, etablierte sich der eigentlich etwas stämmigere Spieler als Barças gefährlichster Stürmer der 1900er Jahre. Am 13. Mai 1902 bekam das auch der Madrid Foot Ball Club zu spüren.

Ohne Steinberg wäre Barça wohl gar nicht angetreten

So lautete damals der Name des gerade einmal zwei Monate zuvor gegründeten Vereins, der als Real Madrid heute weltberühmt ist. Ein erster Schritt in diese Richtung war, als die späteren Königlichen anlässlich der Krönung von König Alfonso XIII. zur Copa de la Coronacion luden, die später zur ersten Ausgabe der Copa del Rey erklärt wurde. Eine Einladung wurde auch zum FC Barcelona geschickt, der davon allerdings nicht gerade begeistert war.

zum Thema

"Die Reisebedingungen waren so wenig zufriedenstellend, dass der Vorstand des FC Barcelona sie anfangs als inakzeptabel erachtete und man darüber nachdachte, die Einladung abzulehnen", erklärte Alberto Maluquer y Maluquer in der "Historia del Club de Futbol de Barcelona". Einem war diese Haltung aber wieder zu bequem: Udo Steinberg, der hartnäckig blieb, Reisekosten sogar aus eigener Tasche bezahlte und Barcelonas Verantwortliche schließlich überzeugte.

Und so kam es auf der Madrider Pferderennbahn zum ersten Clasico, der natürlich noch gar keiner war. Der aber trotzdem vom damals 24-jährigen Steinberg entschieden wurde, der Barça mit 2:0 in Führung brachte und somit die ersten beiden Clasico-Tore schoss. Dass die Katalanen nach dem 3:1-Sieg über Madrid das Finale gegen eine Auswahl aus Bilbao verloren, war rückblickend dann gar nicht mehr so schlimm. Die Reise hatte sich gelohnt.

Noch bis 1910 spielte Steinberg für den FCB, über den der Tausendsassa ab 1906 schon auch mal als Sportredakteur für die Tageszeitung "Mundo Deportivo" schrieb. Dann hängte er seine Fußballschuhe an den Nagel - weil er einen großen Auftrag für den Bau einer Straßenbahnstrecke erhielt. Seine Bedeutung für Barça außerhalb des Platzes hatte die darauf zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin längst überstiegen.

Steinberg prägte Barças Spielstil

1902 hatte Steinberg auch Barcelonas erste Fußballschule gegründet und sie bis 1916 geleitet - quasi den Vorläufer von "La Masia". Wie auch er selbst stets ein Vorläufer gewesen war. "Er hat frühzeitig erkannt, dass ein Verein nur erfolgreich ist, wenn die Jugend aufgebaut wird", zitierte "Spox" vor einigen Jahren Prof. Dr. Hilmer. "Er hat Spielzüge geübt, war ein Experte für Standards. Vor allem aber hat er in Sportarten, für die er körperlich nicht die besten Voraussetzungen hatte, Techniktraining betrieben und so athletische Nachteile wettgemacht."

Damit gilt Udo Steinberg, der schon 1919 im Alter von 42 Jahren an der Spanischen Grippe verstarb, nicht nur als erster Trainer des FC Barcelona. Auch den Grundstein seiner Spielphilosophie hat der heutige Weltklub einem deutschen Ingenieur zu verdanken.

Niklas Baumgart

Die Aufstellungen im letzten Clasico vor Messi und Cristiano Ronaldo