Basketball

Bauermanns EM-Kolumne: Wagner und ein deutscher Vorteil

Ex-Bundestrainer analysiert die deutschen Spiele und freut sich über tolle Basketball-Werbung

Bauermanns EM-Kolumne: Weltklasse-Wagner und was ein klarer deutscher Vorteil ist

Stützen im deutschen Team: Franz Wagner, Dennis Schröder, Maodo Lo (v.l.n.r.).

Stützen im deutschen Team: Franz Wagner, Dennis Schröder, Maodo Lo (v.l.n.r.). picture alliance (3)

Es gibt nach diesem tollen Basketball-Nachmittag in Köln drei Gewinner und einen sehr unglücklichen Verlierer - das bewundernswert kämpfende litauische Team. Der erste Gewinner ist natürlich die deutsche Nationalmannschaft, die sich diesen Sieg hart erarbeitet, aber in Schlüsselmomenten auch enorme individuelle Klasse bewiesen hat - dazu später mehr. Der zweite Gewinner ist der Basketball. Diese Europameisterschaft wird auf extrem hohem Niveau gespielt, wobei wir erst in der Vorrunde sind. Es gibt so viele enge, hochklassige Spiele, das war in meiner Erinnerung zuvor bei einer EM so noch nie der Fall.

Der dritte Sieger sind die Zuschauer, auch vor den Bildschirmen. Magenta Sport macht einen hervorragenden Job mit starken Kommentatoren und Experten. Man hat auch zu Hause das Gefühl, ganz nah dran zu sein. Die 18.000 Zuschauer in der Kölner Arena haben ein sensationelles Spiel erlebt, auch noch mit positivem Ausgang für das deutsche Team. Das war allerbeste Werbung für den Basketball, gerade auch in Deutschland.

Einen großen Anteil daran hat ein deutsches Trio. Technisch und individualtaktisch hat Franz Wagner gegen Litauen absolutes Weltklasse-Niveau gezeigt. Er verfügt über eine große Variabilität in seinem Spiel. Er wirft sehr gut, sowohl aus der Bewegung als auch aus dem Stand. Er hat eine hohe Übersetzung, kommt mit seinen sehr langen Schritten immer wieder gut durch zum Korb und liest dort die Situationen sehr gut. Gerade für einen jungen Spieler von 21 Jahren ist das unfassbar gut. Was dazukommt: Er hat auch einen großen Anteil an der defensiven Stärke der Mannschaft. Er ist das, was meinen einen Two-Way-Player nennt, der eben nicht nur extrem stark offensiv spielt, sondern sich auch hinten super einbringt.

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Maodo Lo agiert immer wieder sehr klug, wenn er von Blöcken weg attackiert und ist durch seinen Wurf aus dem Dribbling immer gefährlich, gerade sein Step-Back-Dreier ist von den Gegenspielern kaum zu verhindern. Dadurch hat er für ganz wichtige Punkte gesorgt und Dennis Schröder hat in Phasen, in denen die Mannschaft wackelte, Verantwortung übernommen, einen Dreier getroffen und war aus dem Dribbling nicht zu stoppen. Das waren drei individuell sensationelle Leistungen - Glückwunsch dazu!

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Insgesamt ist dieses Trio deshalb so wertvoll für das deutsche Team, weil man im modernen Basketball zwei oder drei "Shot-Creators" braucht. Also Leute, die für sich oder anderen aus Eins-gegen-eins-Situationen gute Würfe kreieren und selbst auch schwierige Würfe verwandeln können. Anders als Dennis sind Maodo und Franz - das wird sicher ein Schritt in seiner weiteren Entwicklung - noch nicht ganz so gut darin, Teamkollegen gute Würfe zu ermöglichen. Wenn es künftig Isolationssituationen gibt mit fünf Spielern außen, werden die Gegner mehr versuchen, die Zone und den Weg zum Korb zu verdichten, um dadurch andere deutsche Spieler, die nicht mehr ganz so eng bewacht sind, zum Werfen zu zwingen. Unterm Strich ist es da ein klarer deutscher Vorteil bei dieser EM, gleich drei Jungs zu haben, die schwierige Dinge versenken können.

Abseits dessen möchte ich gerne einen Spieler erwähnen, der nicht immer so im Fokus steht: Daniel Theis. Er hat unglaublich gearbeitet, wie er sich körperlich gegen die enorme Masse und Physis von Valanciunas gestemmt hat, war aller Ehren wert und hat mich beeindruckt.

Dirk Bauermann

Dirk Bauermann. imago/VCG

Interessant war beim Duell mit Litauen auch das Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Systeme. Bei Deutschland sind bis auf Wohlfarth-Bottermann alle großen Spieler auch von außen gefährlich. Also moderne Big Men, die es auch für Maodo, Franz und Dennis einfacher machen, wenn sie das Spiel immer wieder weiten und den Weg zum Korb freimachen, weil sie auch ihre Gegenspieler mitziehen. Im Gegensatz dazu ist das litauische Spiel sehr nach innen orientiert, teilweise mit zwei Großen, den NBA-Spieler Valanciunas und Sabonis, die fast ausschließlich in Korbnähe agieren. Relativ häufig waren es also nur drei außen und zwei innen, während bei Deutschland oft vier oder sogar fünf Spieler von außen attackieren. Letzteres ist eher die moderne Ausprägung des offensiven Basketballs - die aktuell dem DBB-Team zu tollen Erfolgen verhilft.

In einem Turnier brauchst du gerade solche knappen Siege, bei denen auch ein Stück Glück nötig ist. Wenn der letzte Dreier der Litauer reingegangen wäre, sähe jetzt vieles anders aus. So aber kannst du eine Dynamik bekommen, die dich durchs ganze Turnier trägt. Insofern war es ein ganz wichtiger, wundervoller Basketball-Nachmittag.

Dirk Bauermann (64) hat mit der deutschen Nationalmannschaft um Dirk Nowitzki 2005 EM-Silber gewonnen und die DBB-Auswahl insgesamt gut acht Jahre gecoacht (WM 1994, 2003 bis 2011). Mit Leverkusen und Bamberg gewann Bauermann als Trainer unter anderem neun Deutsche Meistertitel. Seit Februar 2020 ist er Nationaltrainer Tunesiens, gewann 2021 die Afrikameisterschaft - und hält Vorträge zu den Themen Erfolg, Motivation und Teambuilding.

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