Basketball

Bauermanns EM-Kolumne: Es ist nicht einfach, mit Doncic zu spielen

Der Ex-Bundestrainer analysiert die deutschen Spiele und den slowenischen Superstar

Bauermanns EM-Kolumne: Es ist nicht einfach, mit Doncic zu spielen

Luka Doncic legte gegen Deutschland 36 Punkte auf.

Luka Doncic legte gegen Deutschland 36 Punkte auf. Getty Images

Die Mannschaft ist ähnlich wie gegen Bosnien am Samstag nicht gut ins Spiel gekommen. Man muss gerade zu Hause versuchen, der Partie von Anfang an den eigenen Stempel aufzudrücken, gegen Slowenien ist das deutsche Team aber die ganze Zeit hinterhergerannt. Wenn dann beim Gegner jemand ist wie Luka Doncic, der ein Spiel mit seiner Offensivleistung komplett kontrolliert, wird es schwer nochmal am Gegner vorbeizuziehen. Die Jungs haben sich achtbar geschlagen, waren in der Schlussphase kurzzeitig nochmal eng dran, da hätte noch mehr passieren können. Unterm Strich war es jedoch zu wenig.

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Zu Lukas Doncic gibt es natürlich einiges zu sagen. Es gibt grundlegend zwei Ausprägungen, Basketball offensiv zu interpretieren. Die eine ist das sehr stark mannschaftsorientierte Spiel, in dem sich die Spieler und der Ball ständig bewegen und dadurch, in Verbindung mit Blocks am und abseits des Balles, versucht wird, einen möglichst guten Wurf zu kreieren. Das ist die klassisch europäische Art und Weise. Und dann gibt es das, was die Amerikaner ins Deutsche übersetzt, heliozentrisches Spiel nennen. Ein Spieler hat in 90 Prozent der Zeit den Ball, das Spiel läuft ausschließlich über ihn und er kreiert entweder für sich, oder wenn stark gegen ihn in der Verteidigung ausgeholfen wird, für andere.

Man muss ein kleines Ego haben und Opfer bringen

So zu spielen macht nur Sinn, wenn man einen absoluten Weltklassespieler in seinen Reihen hat wie Doncic, der eben beides kann. Trotzdem ist es schwierig mit ihm zu spielen, weil man so viel ohne Ball und Bewegung auf dem Feld steht. Wenn man dann mal den Ball bekommt und in aller Regel relativ frei ist, gerät man unter recht hohen Druck, den Wurf zu verwandeln. Das ist nicht leicht, weil man keinen Rhythmus hat. Aber die Slowenen scheinen sich ja ganz gut darauf eingestellt zu haben mit ihm zu spielen. Man muss ein kleines Ego haben und Opfer bringen, um mit einem solchen Weltklasse-Spieler zusammenzuspielen.

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Defensiv gibt es auch wieder grundlegend zwei Optionen, gegen einen solchen Mann zu verteidigen. Entweder man entscheidet sich dafür, zu versuchen, ihn aus dem Spiel zu nehmen und zu zwingen den Ball abzugeben und die Verantwortung auf die anderen vier Spieler zu verlagern. Oder man spielt gegen ihn im Wesentlichen eins-gegen-eins, natürlich mit situativen Hilfen in einer normalen Verteidigungsrotation. Das deutsche Team hat sich dafür entschieden, die meisten Blocks am Ball zu switchen. Luka hat sich oft den Mitspieler mit dem langsamsten deutschen Verteidiger zum Block ausgesucht, oder einen foulbelasteten Spieler wie Daniel Theis, der in einer solchen Situation sein fünftes Foul bekam.

 Dirk Bauermann

Dirk Bauermann trainiert momentan Tunesien. imago images/Newspix

Dann spielt Luka Doncic isoliert Eins-gegen-eins gegen den dann in aller Regel großen Verteidiger - das ist sehr schwierig zu stoppen. Beide Verteidigungsvarianten sind gleichwertig möglich, aber der Typ ist halt einfach individuell überragend. Sowohl, was seine Fähigkeit angeht, in Korbnähe oder aus dem Post-up mit dem Rücken zum Gegenspieler zu punkten. Als auch mit Würfen wie dem berühmten Step-back-Dreier, der in diesem Turnier noch nicht wirklich gut gefallen ist, in der einen Situation gegen Deutschland aber schon, als es für Slowenien ganz wichtig war. Von der linken Seite im Post hat er einmal die Bewegung von Dirk Nowitzki geklaut, den Mann nach innen zu drücken und sich dann auf einem Fuß mit dem angezogenen Knie Raum zu verschaffen und in der Rückwärtsbewegung zu verwandeln.

Alles in allem eine tolle Ausbeute

Zudem ist er aufgrund seiner Größe von 2,02 Meter immer in der Lage, freie Mitspieler mit perfekten Pässen zu bedienen. Insofern hat er das totale Paket, gegen das man nur ganz schwer verteidigen kann. Alles in allem haben das die Deutschen nicht schlecht gelöst, aber im Angriff war es einfach ein bisschen ruckelig und nicht rhythmisch genug. Daher geht der Sieg für Slowenien in Ordnung. Den Gruppensieg nicht mehr aus eigener Kraft erreichen zu können, ist sicher ein kleiner Wermutstropfen, aber alles in allem sind drei Siege und nur eine Niederlage bisher eine tolle Ausbeute, die der deutschen Mannschaft Selbstvertrauen geben sollte. Zunächst für das abschließende Vorrundenspiel gegen Ungarn am Mittwochabend und natürlich vor allem für das Achtelfinale am Samstag in Berlin.

Dirk Bauermann (64) hat mit der deutschen Nationalmannschaft um Dirk Nowitzki 2005 EM-Silber gewonnen und die DBB-Auswahl insgesamt gut acht Jahre gecoacht (WM 1994, 2003 bis 2011). Mit Leverkusen und Bamberg gewann Bauermann als Trainer unter anderem neun Deutsche Meistertitel. Seit Februar 2020 ist er Nationaltrainer Tunesiens, gewann 2021 die Afrikameisterschaft - und hält Vorträge zu den Themen Erfolg, Motivation und Teambuilding.