Nationalelf

WM-Kolumne: Alle möglichst bequem und gleich gestellt

WM-Kolumne von Andreas Möller

Alle möglichst bequem und gleich gestellt - das erzeugt keine Energie

Beleuchtet die DFB-Situation in seiner WM-Kolumne: Andreas Möller (li.).

Beleuchtet die DFB-Situation in seiner WM-Kolumne: Andreas Möller (li.). imago images

Die Probleme der Nationalmannschaft sind nicht erst seit heute bekannt. Deutschland verkörpert seit acht Jahren nicht mehr Weltklasse, steht heute eher schon für 1 C statt 1 A. 2018 und 2022 WM-Aus in der Gruppenphase, 2021 im EM-Achtelfinale gescheitert, und über das Abschneiden in der Nations League erübrigen sich die Worte.

Bis zum Eröffnungsspiel der EURO am 14. Juni 2024 in München liegen 18 harte Monate vor uns, ohne Pflichtspiele, da als Gastgeber automatisch dabei. Doch Freundschaftsspiele können meiner Meinung nach einen Wettbewerb nicht ersetzen.

Wettbewerb ist mein Stichwort.

Jeder Wettbewerb ist für die Orientierung das A und O. Denn nur dort herrschen Drucksituationen, lassen sich Ziele formulieren und wird Mentalität gefördert! Wir wollen den Druck von unseren Talenten, von den Jugendlichen nehmen, den Meisterschaftswettbewerb reformieren, um es allen möglichst recht zu machen. Der Blick auf die Tabelle ist ein Zeugnis für das Geleistete. Fußball ist ein Ergebnissport, daran orientieren sich von den Fans bis zu den Spielern alle. Das Ergebnis ist die Grundlage für jedes Gespräch über den Fußball.

Deshalb muss schon im Jugendbereich der Wettbewerb im Vordergrund stehen. Sieg, Niederlage, Freude, Enttäuschung und natürlich die Tabelle müssen im Mittelpunkt stehen. Die individuelle Ausbildung ist da immer mit inbegriffen.

Schweinsteiger war im Mittelfeld der letzte große Leader

DFB-Spiele bei der WM in Katar

Die Erfolge früherer Generationen bis hin zu den Weltmeistern von 2014 beruhen auch auf diesen Erfahrungen aus der Jugendzeit. Von Gerd Müller, Uwe Seeler, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann bis zu Miro Klose, um nur einige große Namen zu erwähnen, haben sich unsere Stürmer förmlich zerrissen.

Und Abwehrspieler wie Berti Vogts, Jürgen Kohler, Karlheinz Förster, Andreas Brehme, Peter Briegel, Per Mertesacker oder Jerome Boateng und viele mehr waren echte Spezialisten, schonten weder sich, geschweige denn den Gegner.

Und im Mittelfeld war Bastian Schweinsteiger unser letzter große Leader. Der deutsche Fußball muss wieder diese Spezialisten ausbilden. Von allem etwas zu können, mal in der Abwehr, mal im Mittelfeld, mal rechts, mal links reicht eben nicht für die internationale Spitze jedes Einzelnen und der Mannschaft.

Warum nicht ein 3-5-2 in Erwägung ziehen?

Spiele werden in der Defensive gewonnen. An dieser alten These ist viel dran. Sicherheit und Stabilität im Abwehrverbund strahlen auf die ganze Mannschaft ab. Wir haben diese WM zu allererst durch unser Abwehrverhalten in den Sand gesetzt, wir waren nicht kompakt, nicht richtig abgestimmt und dazu kamen individuelle Fehler. Und in der Offensive, bei der unbestrittenen Qualität mehrerer Spieler, fehlte der letzte Tick Entschlossenheit, das "unbedingt das Tor machen wollen". Hier sind wir beim Thema Gier und Galligkeit.

WM-Kolumne von Weltmeister Andreas Möller.

WM-Kolumne von Weltmeister Andreas Möller. kicker

Natürlich sollte auch die Systemfrage diskutiert und analysiert werden. Wenn wir schon keine großen Defensivspezialisten auf den Außenpositionen haben, hätte man im Vorfeld der WM ein anderes System, zum Beispiel ein 3-5-2, in Erwägung ziehen können ...

Wir strapazieren bei dieser Auswahlmannschaft schon seit geraumer Zeit den Begriff Teamspirit. Alle möglichst bequem und gleich gestellt, das erzeugt keine Energie und Reize, was durchaus hilfreich sein kann. Jede Mannschaft braucht eine erkennbare Hierarchie - die sehe ich in der Nationalmannschaft selbst bei ganz wohlwollender Betrachtung im Moment nicht ausgeprägt genug.

DFB reiht sich in große WM-Fehlerkette ein

Auf Trainerteam und Management der Nationalmannschaft kommen ungemütlich Zeiten zu. Haben sie dafür ein dickes Fell? Der DFB hat kein gutes Bild hinterlassen und politische Themen auf die Mannschaft übertragen. Die Mannschaft wurde zum Spielball deutscher Politik und Medien. Die Zeichen, die man in Katar zu setzen versucht hat, hätten zwölf Jahre lang gesendet werden können seit der Vergabe dieser WM. Die Spieler mit dem Start in das Turnier - bei aller Kritik an FIFA und dem Ausrichter - quasi in das Obligo zu nehmen, reiht sich nahtlos in die große Fehlerkette bei dieser WM in Katar ein.

Andreas Möller (55) bestritt insgesamt 85 Länderspiele, wurde mit der deutschen Nationalmannschaft 1990 Weltmeister und 1996 Europameister. In der Bundesliga absolvierte er 429 Spiele für Frankfurt, Dortmund und Schalke, zudem stand er bei Juventus Turin unter Vertrag. Mit Dortmund war er zweimal Deutscher Meister, größter internationaler Erfolg auf Vereinsebene war der Gewinn der Champions League mit dem BVB im Jahr 1997.

Note 5 für Quintett um Neuer: Die DFB-Elf in der Einzelkritik