Europa League

Leverkusen - Rom: Wofür Xabi Alonso Lösungen finden muss

Leverkusen vergibt leichtfertig gute Ausgangsposition

Leverkusens stumpfe Waffen: Wofür Xabi Alonso Lösungen finden muss

Gute Ausgangsposition vergeben: Bayer 04 Leverkusen mit Piero Hincapie, Lukas Hradecky und Exequiel Palacios (v.li.).

Gute Ausgangsposition vergeben: Bayer 04 Leverkusen mit Piero Hincapie, Lukas Hradecky und Exequiel Palacios (v.li.). IMAGO/ZUMA Wire

Aus Rom berichtet Stephan von Nocks

Eine wirkliche Überraschung hatten die 63.000 Zuschauer im Stadio Olimpico zu Rom nur in den ersten sieben Minuten erlebt. Gleich zweimal kombinierte sich Bayer 04 in der Anfangsphase nahezu mühelos durch die Abwehrreihen der Gastgeber. Gleich zweimal tauchte Bayer, erst durch Robert Andrich und dann durch Florian Wirtz, in bester Schussposition vor AS-Keeper Rui Patricio auf. Und zweimal vergab der Bundesligist die Chance zur frühen Führung.

"Vielleicht waren wir ein bisschen überrascht, wie schnell es ging, dass wir in den ersten sieben Minuten zwei wirklich hervorragende Chancen hatte", suchte Geschäftsführer Simon Rolfes nach der 0:1-Niederlage für eine Erklärung, dass Bayer diese beiden Offerten ausschlug. Was sich in den nachfolgenden 83 Minuten rächen sollte - und auch für das Rückspiel zur Hypothek werden könnte.

Drei Zweier, drei Fünfer: Die Noten zu Leverkusens Niederlage

Denn so hat der Werksklub wenn nicht fahrlässig, so zumindest leichtfertig eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel in der kommenden Woche in Leverkusen verschenkt. "Die Chancen muss man machen", urteilte Rolfes und durfte dabei direkt auch die Hundertprozentige von Jeremie Frimpong in der Schlussphase inkludieren, als der Niederländer nach einem Torwartfehler von Rui Patricio den Ball auf die Brust von Roma-Verteidiger Bryan Cristante platzierte statt ins verwaiste Römer Tor.

So verpasste es Bayer, nicht nur das Hinspiel in die richtige Richtung zu lenken, sondern sorgte auch dafür, die AS Rom auch im Rückspiel in Leverkusen ihren typischen defensiven Spielstil weiter verfolgen kann. "Wenn wir da in Führung gegangen wären, hätte uns das in die Karten gespielt", merkte Rolfes zurecht an.

Doch Bayer verpasste diese Chance, alle Vorzeichen zu ändern und erlebte fortan das absolut Erwartbare. Rom verteidigte auf einmal sehr aufmerksam, verstrickte Bayer in viele Zweikämpfe, unterband den Spielfluss der Werkself und agierte selbst mit vielen langen Pässen in die Spitze, um dann die zweiten Bälle zu gewinnen. So auch beim 1:0, als Andrich den späteren Torschützen Edoardo Bove nicht von hinten heranrauschen sah und so den Römern den entscheidenden Ballgewinn gestattete.

Dieses einfache Strickmuster ist nun auch im Rückspiel für den Defensivtaktiker José Mourinho anwendbar. Und auch wenn die Einschätzung des starken Torhüters Lukas Hradecky ("Das ist kein katastrophales Ergebnis") zutrifft, besaß die von Rolfes eher psychologischen Hintergrund. "Es ist Halbzeit, es steht 0:1. Wir haben die Qualität, das Spiel zuhause zu gewinnen.", erklärte der 41-Jährige zwar treffend, wobei sein Zusatz, "es ist noch nichts passiert" halt doch als mehr ein Mutmachen zu werten war.

Nicht umsonst merkte Werkself-Trainer Xabi Alonso später an: "Wenn man ein Finale erreichen will, braucht man eine spezielle Nacht. Wir werden uns darauf vorbreiten, dass wir die erleben." Und dies wird bitter nötig sein. Denn am Ende war es weniger das blanke Ergebnis, das Bayer Sorgen bereiten müsste, als der Fakt, dass der Mannschaft nach dem furiosen Start nahezu jegliche spielerischen Mittel fehlten, um das Römer Defensiv-Bollwerk zu knacken.

"Wir müssen besser spielen im letzten Drittel", mahnte Xabi Alonso an. Zudem muss Bayer seine alten Stärken reaktivieren, die zuletzt auch schon in den Spielen in Wolfsburg (0:0), bei Union Berlin (0:0) und gegen den 1. FC Köln (1:2) verschütt gegangen sind. Die rechte Seite, lange der Schlüssel zum Erfolg, ist derzeit nur eine stumpfe Waffe. Frimpong wirkt überspielt, und Moussa Diaby bewegte sich nur in den für die Roma ungefährlichen Räumen.

Und da auch Adam Hlozek, nominell der Neuner, das Sturmzentrum nicht konsequent besetzte, hatte die AS Rom leichtes Spiel. Mit dem in der Schlussphase eingewechselten Sardar Azmoun einen echten Mittelstürmer für die Anfangsformation zu nominieren, dürfte nach den Endrücken aus Rom zwingend sein. "Es gab die eine oder andere Situation, in der wir gut durchgekommen sind, aber nicht die Präsenz in der Box und die Gefährlichkeit hatten. Das müssen wir besser machen", fordert Rolfes daher.

Dass zudem im defensiven Mittelfeld, in dem Leader Robert Andrich mit einer Fußverletzung auszufallen droht, Exequiel Palacios nach seiner Verletzungspause noch nicht die alte Sicherheit ausstrahlte und ungewohnt fehlerhaft agierte, erschwert die Aufgabe nochmal.

Robert Andrich of Bayer Leverkusen during the UEFA Europa League match between AS Roma and Bayer Lev

"Dickes Brett" im Rückspiel - ohne Andrich und Kossounou?

alle Videos in der Übersicht

Natürlich stellt das 0:1 kein unüberwindliches Hindernis auf dem Weg ins Finale nach Budapest dar. Und Xabi Alonso ("Wir sind nicht zufrieden, wir sind nicht glücklich") sieht in der knappen Niederlage trotz der Enttäuschung zumindest einen positiven Aspekt. Sind doch nun große Rechenspiele nicht mehr gefragt. "Manchmal ist es besser", glaubt der Spanier, "wenn man klar weiß, was man tun muss, und nicht spekulieren muss."

In der Tat wirkte Bayer nach der starken Anfangsviertelstunde in den folgenden Phasen mit viel Ballbesitz zu sehr berechnend und auf Sicherheit bedacht. Ein Hauch mehr Risiko wird unumgänglich sein am kommenden Donnerstag. "Wir müssen sie mehr in Bewegung bringen, sie aus ihrer Ordnung bringen, um unsere Schnelligkeit besser auszunutzen. Da haben wir uns schwergetan", weiß Rolfes, "wir müssen zuhause gewinnen, also müssen wir sie auch vor größere Probleme stellen." Doch dafür muss Xabi Alonso erst personell wie taktisch die richtigen Lösungen finden.

Stephan von Nocks