Europa League

Lieblingsspiel: Sibirische Kälte, ein wärmendes Klo und viel Frust

2. Bundesliga, Fürth - Duisburg, 28. Februar 2005

Lieblingsspiel: Sibirische Kälte, ein wärmendes Klo und ganz viel Frust

Den Ball im Blick: Fürths Roberto Hilbert.

Den Ball im Blick: Fürths Roberto Hilbert. imago images

Ende der 1990er Jahre dockte die SpVgg Greuther Fürth an der 2. Bundesliga an und etablierte sich seitdem im Unterhaus. In den 2000er Jahren erarbeitete sich das Kleeblatt zudem den Ruf der "Unaufsteigbaren": Zwischen 2000/01 und 2008/09 schlossen die Franken die Spielzeit siebenmal (!) auf Platz fünf ab.

Das war auch in der 2004/05 der Fall - und mitentscheidend dafür war der 28. Februar 2005. Ich meine mich noch sehr gut an den Tag zu erinnern, es war bitterkalt, gefühlt sibirische Temperaturen im beschaulichen Fürth. Meine Freunde und mich hielt das damals nicht davon ab, ins Stadion zu gehen - zusammen mit 8000 weiteren Zuschauern, die sich das Verfolgerduell SpVgg Greuther Fürth (2.) gegen den MSV Duisburg (3.) anschauten. Groß waren die Hoffnungen, dass es diesmal reichen könnte, endlich Bundesliga spielen.

Ein Top-Duell auf die "altmodische" Art

Ein Heimsieg gegen den direkten Verfolger wäre enorm hilfreich gewesen. Doch das, was wir zu sehen bekamen, glich wohl eher einem Alptraum. Aufgrund des Dauerfrosts der vergangenen Tage war der Boden steinhart, das bisschen Grün konnte nur schwerlich als Rasen bezeichnet werden - gekickt wurde dennoch, allerdings eher auf die "altmodische" Art, sprich: lange Bälle und viele Zweikämpfe.

Voller Hoffnung: In den Nullerjahren lebte in Fürth der Traum vom Aufstieg.

Voller Hoffnung: In den Nullerjahren lebte in Fürth der Traum vom Aufstieg. imago images

Der MSV kam mit diesen Bedingungen deutlich besser zurecht und führte nach einem direkt verwandelten Freistoß von Ivica Grlic (3.) und einem Kontertor von Peter van Houdt (22.) rasch mit 2:0. Da war der Abend für mich schon gelaufen, die Stadionwurst schmeckte nicht mehr - und das Bier schon gar nicht. Innerlich wollte ich nur noch weg, der Glaube an ein gutes Ende für "meine" Fürther war schlicht nicht mehr da; und dann noch diese verdammte Kälte.

"Fachgespräche" in Block 1

Wir standen zitternd und bibbernd im altehrwürdigen Block 1, den es heutzutage so nicht mehr gibt. Die Karten waren äußerst günstig, um die 5 Euro kostete das Ticket. Der Preis allein machte für mich nicht den Reiz aus, vielmehr war es ein Ort mit besonderem Charme.

zum Spiel

Das Gros der Zuschauer dort war betagt und voller Fußball-Weisheiten. Da wurde ein Olivier Caillas, zu jener Zeit Publikumsliebling in Fürth, auch gerne mal nicht ganz faktengetreu verglichen mit Zinedine Zidane. "Der Caillas spielt ähnlich wie der alte Zidane, also der der beim AC Mailand war, also bevor er nach Barcelona gewechselt ist", sagte ein älter Herr zu einem anderen zwei Reihen vor mir und forderte damit die Einwechslung des dribbelstarken Flügelmanns. Mir zauberte die Situation ein Lächeln auf die Lippen, solche "Fachgespräche" gibt es sicher in jedem Stadion.

"Warum tust du dir das an?"

Gegen Duisburg konnte der Deutsch-Franzose besagte Anlagen zunächst aber gar nicht zeigen, er wurde erst im zweiten Durchgang eingewechselt. Wie schon erwähnt, stand es da schon 0:2 aus Sicht der Mittelfranken. Und mein persönlicher Fluchtdrang wurde stärker und stärker - das Elend auf dem Platz wollte ich mir einfach nicht mehr länger geben. "Warum tust du dir das bei dieser Kälte an?"

Doch meine Freunde hielten mich davon ab, überzeugten mich zu bleiben, weil man das als Fan so macht. Und sie hatten ja prinzipiell Recht, man geht nicht vor dem Schlusspfiff. Das wusste ich nicht zuletzt nach dem Champions-League-Finale 1999, als Manchester United dem FC Bayern München in der Nachspielzeit den schon sicher geglaubten Titel entriss - und nicht nur ich völlig baff am Fernseher klebte.

Ich blieb also, wenn auch widerwillig. Für mich war klar: Es war kein schöner Tag für mich als Fußball-Fan. Die Mannschaft, der ich die Daumen drückte, lag klar zurück und man hatte nicht den Eindruck, als könnte sich das Blatt wenden - spielerisch war das Gebotene wegen der Eiseskälte viel Kampf und Krampf.

Etwas Wärme an diesem kalten Tag

Peter van Houdt

Erzielt am 28. Februar 2005 einen Doppelpack: Peter van Houdt. imago images

Irgendwann machte sich auch noch das wenig schmackhafte Bier bemerkbar, sodass ein Gang zur Toilette unausweichlich wurde. Vor dem "stillen Örtchen" war zunächst aber Warten angesagt, ehe sich irgendwann das Gedränge auflöste. Das lag wohl primär daran, dass die zweite Hälfe mittlerweile angepfiffen worden war. Auf jeden Fall konnte ich endlich rein.

Dort verspürte ich auf zweierlei Art Erleichterung. Die schmucklose Stadiontoilette war nämlich der einzige beheizte Raum weit und breit. Ich entschied mich also, noch ein wenig im vorderen Bereich bei den Waschbecken zu verweilen und die Kälte aus den Knochen zu bekommen. Ehrlicherweise war mir damals schon klar, dass das ein wenig peinlich war. Wer verweilt schon freiwillig auf dem Klo? Und ich wusste auch, dass ich mir dafür den einen oder anderen Spruch von meinen Freunden werde anhören müssen. Ich tat es trotzdem - vielleicht ist mir das Spiel auch deswegen bis heute noch so präsent.

Eine Viertelstunde später machte ich mich aufgewärmt wieder in Richtung Block 1, verpasst hatte ich nichts. "Es passiert nicht viel Erwärmendes bei eisigen Temperaturen im Playmobilstadion", schrieb der kicker damals in seinem LIVE!-Ticker in der 79. Minute.

Die letzten zehn Minuten hatten allerdings überraschenderweise doch noch Unterhaltungswert: Van Houdt erzielte zuerst das 3:0 für den MSV, dann verkürzte Christian Eigler für die SpVgg (87.), ehe Grlic noch einen Elfmeter vergab (89.). Endstand: 3:1 für Duisburg - schon wieder so ein wichtiges Spiel, das verloren wurde. Ich hatte mit dem Fußball abgeschlossen, zumindest für ein paar Wochen.

Und die Fürther? Die vergeigten in den folgenden Wochen nach einem Negativlauf den erhofften Aufstieg und wurden am Ende mal wieder Fünfter. Da war der Frust bei mir persönlich aber schon wieder verflogen. Ich war froh, dass die SpVgg dennoch eine unter dem Strich gute Saison gespielt hatte. Sieben Jahre später klappte es endlich auch mit dem Aufstieg, den ich - übrigens mit denselben Freunden von damals - vor dem Rathausbalkon feierte. Doch das ist eine andere Geschichte.

Vladimir Milutinovic