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Dortmunds neue Mitreißer: Wie der BVB PSG den Nerv raubte

Szenen eines besonderen Abends - Hummels warnt

Dortmunds neue Mitreißer: Wie der BVB PSG den Nerv raubte

Bis in die Haarspitzen unter Strom: Erling Haaland und Emre Can am Dienstag in Dortmund.

Bis in die Haarspitzen unter Strom: Erling Haaland und Emre Can am Dienstag in Dortmund. imago images (2)

Manchmal sind es die kleinen Momente, die über ein Spiel viel mehr aussagen als seitenlange, faktenbasierte Analysen. Momente, wie der Zweikampf Emre Cans gegen Neymar an der Seitenlinie, der in einer Balleroberung für den Dortmunder endete.

Can, noch keine drei Wochen beim BVB, riss die Arme nach oben, guckte entschlossen und forderte das ohnehin bereits vor Aufregung stehende Publikum auf, es ihm nachzutun. Er erntete ohrenbetäubenden Jubel und anerkennende Blicke seiner größtenteils fußballerisch so außergewöhnlich begabten Mitspieler, die recht früh ein Gespür dafür entwickelt haben, wie viel ihnen der 26-Jährige geben kann.

Emre ist ein Gewinner. Er strahlt richtig etwas aus.

Mats Hummels über Emre Can

"Emre ist ein Gewinner. Er will immer gewinnen und tut alles dafür", sagte Mats Hummels später, als die Arbeit getan und der auf dem Platz so bissige und aggressive Can wieder an die imaginäre Kette gelegt war. "Er strahlt richtig etwas aus."

Und diese Ausstrahlung, die auch Doppeltorschützen Erling Haaland - wie Can erst im Winter verpflichtet - auszeichnet, färbte an diesem Abend ab: Auf die Mitspieler. Und aufs Publikum, das in Dortmund lechzt nach Abenden wie jenem gegen Paris (2:1) am Dienstag und nach Typen, wie sie Can und Haaland verkörpern. Mentalitätsmonster und Mitreißer im besten Sinne. Um jeden Ball kämpfend, bis in die Haarspitzen unter Strom stehend. Immer voll da. Typen, die von den Emotionen der Fans angetrieben werden und sie gleichzeitig selbst befeuern. Eine perfekte Symbiose. Und möglicherweise der Baustein, der diesem so talentierten, aber eben doch auch recht wankelmütigen Ensemble des BVB noch fehlte.

Haalands wilder Sprint zeigte es: Die Richtung stimmte früh

Gegen Paris zumindest war zu spüren, wie viel Energie entstehen kann, wenn in Dortmund das Flutlicht angeht, die Fans mit einer beeindruckenden und das gesamte Stadion umfassenden Choreo für die richtige Atmosphäre sorgen und die Mannschaft dazu die passenden Zeichen auf dem Platz setzt. Von der ersten Minute an verteidigte der BVB kompakt und geschlossen, bissig und aggressiv. Doch er setzte immer wieder auch Nadelstiche gegen dieses so topbesetzte PSG von Ex-BVB-Trainer Thomas Tuchel um die Superstars Neymar und Kylian Mbappé, den größtenteils kein Raum zur Entfaltung blieb.

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Bereits in der ersten Hälfte hätten die Borussen führen können, ja vielleicht sogar müssen. Doch die Konter wurden nicht gut genug ausgespielt. Mal schoss Jadon Sancho, anstatt Haaland zu bedienen, der nach einem gewonnenen Kopfball im eigenen Fünfmeterraum mehr als 60 Meter wie ein freigelassener Stier über den Platz gerannt war. Mal wählte Can den falschen Passweg. So verpufften die Möglichkeiten, bevor sie zu Chancen wurden. Die Richtung jedoch stimmte.

Daran änderte sich auch nach dem Seitenwechsel nichts. Dortmund blieb weitgehend stabil, weil Can Neymar den Nerv raubte, weil Abwehrchef Mats Hummels immer wieder einen Fuß reinstellte oder Lukasz Piszczek seine ganze Routine im Stellungsspiel ausspielte. Weil wie gegen Frankfurt geschlossen verteidigt wurde, "auf einem höheren Niveau", wie Sportdirektor Michael Zorc zufrieden feststellte.

Hummels warnt: "Im Rückspiel wird es verflucht hart"

Als dann auch noch Haaland traf, schien der Abend aus Dortmunder Sicht endgültig die richtige Richtung einzuschlagen - bis ein von Dan-Axel Zagadous Ausrutscher begünstigtes Tor vom bis dahin aufreizend lustlosen Neymar vorübergehend die Stimmung dämpfte. Weil jedoch Haaland - auf Zuspiel des erst 17-jährigen Giovanni Reyna - per wuchtigem Schuss einen weiteren Treffer erzielte, lagen sich am Ende doch alle Borussen in den Armen. Zumindest jene auf den Tribünen.

Die Spieler dagegen wahrten sich einen Blick für die Realitäten dieses Wettbewerbs. Denn der Auswärtstreffer spielt den insgesamt enttäuschenden Parisern massiv in die Karten. "Das Ergebnis bedeutet, dass es im Rückspiel verflucht hart wird. Das wird eine ganz andere Atmosphäre", bilanzierte Hummels und fügte mit Blick auf die Dortmunder Schwäche auf fremden Plätzen in dieser Saison an: "Wir müssen dort unser Auswärtsgesicht verstecken. Das sieht ja doch etwas anders aus als das zuhause."

Am Ende schiebt Zorc das Spiel weg wie Can zuvor Neymar

Ganz ähnlich sah es Axel Witsel, der erkennbar davon profitiert, in Can wieder einen Spieler für die Drecksarbeit an seiner Seite zu wissen. "Wir brauchen in Paris den gleichen Spirit wie im Hinspiel. Wir dürfen uns auch da nicht verstecken, dürfen nicht nur auf Konter setzen. Denn wir haben die Qualität, auch dort zu treffen."

Zorc konnte dieser Analyse nur zustimmen. Der Dortmunder Sportdirektor bezifferte die Chance aufs Weiterkommen auf "50:50". Dann jedoch schob er die Königsklasse so beherzt zur Seite, wie es zuvor Can mehrmals mit Neymar gemacht hatte. Das Rückspiel, sagte er, sei jetzt erst einmal sehr weit weg. Wichtiger sei zunächst das Bundesliga-Tagesgeschäft in Bremen am kommenden Samstag, wo der BVB vor zwei Wochen schmerzhaft aus dem DFB-Pokal ausgeschieden ist. "Wir brauchen dort eine Topleistung", mahnte Zorc, "denn wir haben noch etwas gutzumachen." Zumindest Can und Haaland wird er das wohl nicht extra sagen müssen.

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Matthias Dersch