Basketball

DBB-Team hinterlässt verstörenden Eindruck

Kommentierende Analyse zum deutschen WM-Aus

DBB-Team hinterlässt verstörenden Eindruck

Fassungslos nach der zweiten Niederlage: Das DBB-Team ist bei der WM in China ausgeschieden.

Fassungslos nach der zweiten Niederlage: Das DBB-Team ist bei der WM in China ausgeschieden. imago images

Im Sport passieren immer wieder Überraschungen. Der Sieg der Dominikanischen Republik über das deutsche Team in einem entscheidenden WM-Spiel 2019 ist eine solche. Die Mannschaft von Trainer Henrik Rödl galt auch nach der knappen Niederlage gegen Top-Team Frankreich als klarer Favorit. Sie hat mehr NBA-Akteure und individuelle Klasse als der Inselstaat zu bieten.

All das zählt aber nicht viel, wenn man in einer Mannschaftssportart nicht als Mannschaft spielt. Dass man in der Offensive in puncto Abschlussentscheidungen und Trefferquote einen schlechten Tag erwischt, passiert im Basketball auch den besten Teams. Dann gilt es geschlossen und kompromisslos zu verteidigen, den Gegner so zu zermürben und sich durch gelungene Aktionen am eigenen Korb Selbstvertrauen für das Angriffsspiel zu holen. Und das DBB-Team in Shenzhen? Trat als eigene Karikatur auf. Die Rödl-Auswahl ließ unerklärlicherweise in einem Spiel, in dem ein Sieg Pflicht war, die Grundtugenden vermissen. Kein unbändiger Einsatzwille, kaum Leidenschaft und Aggressivität sowie eine fatale Körpersprache.

Keiner setzte ein Zeichen

Nach vergebenen Angriffen schlichen deutsche Spieler nicht selten mit hängenden Schultern nach hinten, statt mit Präsenz den Gegner aufzunehmen. Während man über die Einsatzzeit-Verteilung eines Trainers immer streiten kann, entstand der fatale Eindruck, dass sich das Team - fast egal, wer auf dem Parkett stand - seinem Schicksal ergab. Keiner aus der DBB-Delegation haute dazwischen, rüttelte die Mannschaft beziehungsweise die Mitspieler auf - oder beging mal ein hartes Foul, das, sofern die Aktion dem Ball gilt, auch Teil des Spiels ist, um mal ein Zeichen zu setzen. Diesen Vorwurf müssen sich in erster Linie Rödl und Dennis Schröder gefallen lassen. Der Trainer, den vor allem Ruhe und Besonnenheit auszeichnen, hätte angesichts der verfahrenen Lage diesmal emotionaler und energischer werden müssen.

Carsten Schröter-Lorenz

kicker-Redakteur Carsten Schröter-Lorenz. kicker

Der von allen und vor allem ihm selbst zum absoluten Anführer erkorene NBA-Star wurde seiner Rolle nicht gerecht. Am Ende stehen für ihn mit 20 die meisten Punkte zu Buche, aber auch 13 Fehlwürfe aus dem Feld und viele schlechte Entscheidungen als Playmaker. Immer wieder suchte er seinen ebenso in der NBA angestellten Kumpel Daniel Theis (zwölf Punkte, zehn Fehlwürfe), scheinbar ignorierend, dass diese sonst verlässliche Option in vielen Phasen nicht wie gewünscht funktionierte. Das Duo kam auf 34 Feldwurfversuche - die übrigen acht eingesetzten Profis zusammen auf 23. Auch so spaltet man eine Mannschaft, deren Teamchemie in den letzten Tagen und Wochen stets gelobt wurde. Schröders größter Makel allerdings an diesem Tag: Er war in Sachen Körpersprache alles andere als ein Vorbild.

Wie man so viel Potenzial und exzellente Perspektiven so leichtfertig wegwerfen kann, bleibt ein Rätsel. Das DBB-Team hinterlässt nach dem Spiel gegen die Dominikanische Republik einen verstörenden Eindruck. Von diesem unerwarteten Schock für Beteiligte und Zuschauer müssen sich die Akteure jedoch schnell erholen. In den Spielen um die Platzierungen 17 bis 32 geht es nämlich noch um die Wahrung der Chancen auf den großen Traum des Teams: Olympia 2020.

Carsten Schröter-Lorenz