Eishockey

Zwischen Stolz und Enttäuschung: "Der Schmerz sitzt tief"

Seider und Peterka ins All-Star-Team gewählt

Zwischen Stolz und Enttäuschung: Der Schmerz beim DEB-Team "sitzt tief"

Nach dem verlorenen WM-Finale gegen Kanada herrschten im DEB-Team gemischte Gefühle vor.

Nach dem verlorenen WM-Finale gegen Kanada herrschten im DEB-Team gemischte Gefühle vor. IMAGO/Bildbyran

John-Jason Peterka weinte nach dem verpassten WM-Gold bittere Tränen der Enttäuschung, der abgezockte Rekord-Weltmeister jubelte befreit. Kanadas NHL-Stars wirkten schlagbar, doch Deutschlands Eishockey-Cracks verloren am Sonntag in Tampere das erste WM-Finale seit 1930 gegen Kanada erst am Ende deutlich mit 2:5 (1:1, 1:1, 0:3). Als Vize-Weltmeister schaffte die Auswahl von Bundestrainer Harold Kreis aber einen weiteren Eishockey-Meilenstein und spielte sich nach Olympia-Silber 2018 und dem WM-Halbfinale 2021 einmal mehr in die Herzen der Fans.

"Im ersten Moment überwiegt natürlich die Enttäuschung. Wir hatten eine große Gelegenheit hier" sagte Kapitän Moritz Müller bei "Sport1", nachdem der frühere DEB-Präsident Franz Reindl den deutschen Spielern bei der Siegerehrung die Silbermedaille umgehängt hatte. Angesichts des immensen Erfolgs stellte der Kölner Verteidiger aber klar: "Ich denke, wir haben Unglaubliches erreicht."

Kreis: "Haben was gewonnen und nicht was verloren"

Wille, Leidenschaft und Tore von NHL-Stürmer Peterka und Daniel Fischbuch reichten am Ende nicht zum ersten WM-Titel. Das Team von Kreis war im Finale lange spielerisch besser, reist am frühen Pfingstmontag aber mit Silber als erster WM-Medaille seit 70 Jahren heim, weil Kanada am Ende kompromissloser war. "Natürlich bin ich sehr, sehr stolz auf die Mannschaft. Wir haben was gewonnen und nicht was verloren", sagte ein berührter Kreis. Via Instagram schickte auch sein Vorgänger Toni Söderholm sofort seine Glückwünsche zum Vize-WM-Titel.

"Die Kanadier haben unsere kleinen Fehler eiskalt ausgenutzt. Aber das sollte nicht unsere Leistung schmälern. Wir haben ein Wahnsinnsturnier gespielt", meinte Torhüter Mathias Niederberger, räumte aber auch ein: "Der Schmerz sitzt tief. Es war einfach mehr drin."

Einen kleinen Trost erhielten zumindest zwei deutsche Spieler dann aber doch noch. Wie der Weltverband nur kurz nach dem Endspiel verkündete, schafften es mit Peterka und Moritz Seider gleich zwei DEB-Spieler in das All-Star-Team der Weltmeisterschaft. Zudem wurde Peterka, der mit sechs Toren und sechs Vorlagen der erfolgreichste deutsche Scorer im Turnier war, zum besten Stürmer der WM gekürt.

Zielvorgaben des DEB weit übertroffen

Mit WM-Silber krönte Bundestrainer Kreis seine Premiere als Chefcoach. Der 64 Jahre alte gebürtige Kanadier war schon 2010 beim damaligen Halbfinaleinzug Deutschlands als Co-Trainer von Uwe Krupp dabei gewesen. Obwohl ihm 15 Leistungsträger verletzt und unter anderem auch die Top-NHL-Spieler Leon Draisaitl, Tim Stützle und Philipp Grubauer abgesagt hatten, formte der Trainer-Routinier eine verschworene Einheit, die kämpferisch, aber auch spielerisch überzeugte.

"Jeder spielt sehr, sehr gerne für den Harry. Er ist einfach ein toller Mensch mit einer tollen Ausstrahlung und einem tollen Charakter", lobte Frederik Tiffels vom deutschen Meister EHC Red Bull München, der Deutschland am Samstag beim famosen 4:3 nach Verlängerung gegen die USA mit seinem Tor in der Overtime ins Finale geschossen hatte.

Seit 2018 ist jeder dieses ganz große Niveau von den Deutschen gewohnt.

Weltverbandspräsident Luc Tardif

Schon damit waren die Zielvorgaben des DEB - Viertelfinaleinzug und direkte Olympia-Qualifikation für Mailand 2026 - übererfüllt. Und auch wenn es nichts wurde, mit dem ersten WM-Titel, im Kreis der Top-Nationen scheint sich Deutschland dennoch festgespielt zu haben. "Wir haben tolles Eishockey gespielt über das ganze Turnier. Wir haben gezeigt, dass wir gegen die Großen nicht nur mitkämpfen, sondern auch mitspielen können", sagte Kapitän Moritz Müller bei "MagentaSport". Das ehrgeizige Ziel von Ex-DEB-Präsident Franz Reindl, bis 2026 regelmäßig um Medaillen bei großen Turnieren mitspielen zu können, erfüllte sich früher als gedacht und erhofft. "Seit 2018 ist jeder dieses ganz große Niveau von den Deutschen gewohnt", sagte Weltverbandspräsident Luc Tardif am Finalwochenende in Tampere.

Wie immer nach einem unerwarteten Erfolg wie jetzt stellt sich nun die Frage, wie nachhaltig das deutsche Eishockey den Schwung nutzen kann. Der Zuschlag für die Heim-WM 2027 am vergangenen Freitag könnte dabei helfen, wenn der DEB schnell Konzepte für die Jugend und ein Bewusstsein in der Gesellschaft schafft. "Ich glaube, dass wir immer etwas entfachen können", sagte Kapitän Müller, der bereits 2018 Olympia-Silber gewonnen hatte, zu den Erfolgen des Nationalteams.

dpa