Nationalelf

Neue DFB-Strategie bei abwandernden Profis

"Wir wollen noch früher ran - und Hansi und Rudi nutzen"

Zu anderen Nationen abwandernde Profis: So sieht die neue DFB-Strategie aus

Antonio Di Salvo sprach am Montag über die neue DFB-Strategie bei Spielern, die für mehrere Nationen auflaufen können.

Antonio Di Salvo sprach am Montag über die neue DFB-Strategie bei Spielern, die für mehrere Nationen auflaufen können. IMAGO/Beautiful Sports

Zwickmühlen für Spieler, die für zwei oder mehrere Länder spielen können, sind kein neues Phänomen. Rudi Völler blickte am Montagvormittag zurück auf seine Anfangszeit als Sportdirektor bei Bayer Leverkusen in den neunziger Jahren, als die in Berlin geborenen und aufgewachsenen Kovac-Brüder Niko und Robert darüber nachdachten, ob sie für Deutschland oder Kroatien spielen sollen.

Die aktuellen Wolfsburg-Trainer gaben Kroatien den Zuschlag. Völler habe damals Verständnis dafür gehabt, es sei immer eine sehr private Entscheidung, bei der im Hintergrund innerfamiliär einige Prozesse ablaufen, die oft die Bedeutung der Wurzeln stärken. Völler verstehe daher auch den aktuellen Fall: U-21-Nationalspieler Lazar Samardzic hatte jüngst dem DFB den Rücken gekehrt und wird künftig für die A-Nationalmannschaft Serbiens auflaufen.

Es zählt immer der Spieler, die Perspektive des Spielers, das, was er fühlt und machen möchte.

Antonio Di Salvo

Bei Antonio Di Salvo schwingt in dieser Personalie auch eine Menge Enttäuschung mit, die der U-21-Trainer bereits vorige Woche im Gespräch mit dem kicker geäußert hat. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz am Montag mit Völler und Bundestrainer Hansi Flick ging Di Salvo nochmal grundsätzlich auf das aus seiner Sicht "wichtige Thema" ein.

"Es zählt immer der Spieler, die Perspektive des Spielers, das, was er fühlt und machen möchte. In letzter Zeit hat uns eben der eine oder andere Spieler verlassen und es ist das gute Recht jedes einzelnen Spielers zu entscheiden, für welches Land er spielen möchte", sagte er. Zuletzt hatten sich vor Samardzic auch Malik Tillman (Glasgow Rangers, USA) und Josip Stanisic (Bayern, Kroatien) vom DFB abgewandt.

Di Salvo enttäuscht über nicht eingehaltene Absprachen

"Für uns ist es natürlich schade und enttäuschend", betont der in Paderborn geborene und aufgewachsene Di Salvo, der die Thematik durch seine italienischen Wurzeln von beiden Seiten betrachten kann: "Vor allem deswegen, das möchte hier noch mal ganz klar sagen, weil wir uns um die Spieler bemühen, wir fördern sie relativ früh, wir erkennen das Potenzial, wir sprechen mit ihnen." Teilweise auch in Zeiten, wenn es bei Spielern in den Klubs gar nicht läuft und sie nur in den DFB-Auswahlen Spielpraxis erhalten.

Das war auch bei Samardzic phasenweise der Fall. "Es gab für den einen oder anderen Spieler die Perspektive bis zur A-Nationalmannschaft, es gab Absprachen und Commitments. Wenn es so ist, dass wir dann plötzlich erfahren, dass man sich für ein anderes Land entschieden hat, dann tut das schon weh, weil man ja auch eine Bindung und Vertrauen aufbaut zu den jeweiligen Spielern", sagte Di Salvo ohne Namen zu nennen.

Naheliegend, dass er damit auch Samardzic meint und offenbar Absprachen nicht eingehalten wurden. Nach kicker-Informationen war die Offensivkraft von Udinese Calcio durchaus auch schon ein Thema für ein Vorspielen im A-Team. Aber anders als in Serbien nicht mit einer recht gesicherten Perspektive auf kontinuierliche Berufungen. Di Salvo: "Manchmal sind uns auch die Hände gebunden, wenn Nationen, vermehrt kleinere Nationen die Karte A-Nationalmannschaft spielen. Deswegen ist es schwierig."

Wir wollen noch früher an die Spieler ran, schauen, dass wir zu den Eltern eine Bindung schaffen und zu den Beratern.

Antonio Di Salvo

Man habe sich DFB-intern mit dem Thema beschäftigt, verriet Di Salvo, und sich folgende Strategie vorgenommen: "Wir wollen noch früher an die Spieler ran, mit ihnen sprechen, schauen, dass wir zu den Eltern eine Bindung schaffen und zu den Beratern, die heutzutage eine ganz wichtige Rolle spielen. Und dann wollen wir gegebenenfalls den Rudi und den Hansi nutzen bei den talentierteren Spielern, die mittelfristig für die A-Nationalmannschaft entscheidend sein können."

Bundestrainer und Sportdirektor sollen bei mancher Personalie also kraft Amtes und ihrer Popularität die Überzeugungskraft erhöhen. Der Fokus solle künftig aber nicht nur auf dem Bemühen um Doppel-Staatsbürger beziehungsweise Spielern mit internationalen Wurzeln liegen, nach denen der DFB auf umgekehrten Weg auch in anderen Ländern Ausschau hält: "Was wir nicht machen dürfen, ist, die Spieler, die nur für Deutschland spielen können, jetzt außen vor zu lassen. Es ist nicht der richtige Weg, jeden Spieler frühzeitig in die A-Nationalmannschaft zu bringen, der die Möglichkeit hat, für zwei Länder zu spielen."

Zumal es ja durchaus Beispiele von Profis gibt, die anderen Nationen zugunsten des DFB einen Korb gaben. Während man in England nach wie vor um den "Verlust" von Jamal Musiala trauert, liegt der Fall bei den in Wolfsburg angestellten Nmecha-Brüdern Lukas und dem erstmals fürs A-Team berufenen Felix etwas anders. Beide hätten in England höchstwahrscheinlich deutlich schlechtere Chancen auf Einsätze und einen Weg in die A-Nationalmannschaft gehabt. Das hat, besonders mit Blick auf die generelle Qualität im U-Bereich beider Länder, eine gewisse Aussagekraft.

Ganz aktuell habe sich laut Di Salvo auch Bayern-Talent Paul Wanner vorerst für den DFB und gegen den ÖFB entschieden. Eine finale Festlegung ist das jedoch noch nicht.

Carsten Schröter-Lorenz