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Kolumne zur Frauen-WM: Wo ist die deutsche Leichtigkeit hin?

WM-Kolumne von Verena Schweers

Wo ist sie hin, die deutsche Leichtigkeit?

Sie müssen jetzt liefern: Lina Magull, Svenja Huth und Lena Oberdorf (v. li.) droht sonst am Donnerstag das frühe WM-Aus.

Sie müssen jetzt liefern: Lina Magull, Svenja Huth und Lena Oberdorf (v. li.) droht sonst am Donnerstag das frühe WM-Aus. IMAGO/AAP

Der Stachel saß tief nach der unerwarteten und vor allem unnötigen Niederlage im zweiten Gruppenspiel gegen Kolumbien in allerletzter Minute - und das nicht nur bei den Fans. Auch beim Team war für kurze Zeit eine Art Ernüchterung zu spüren. Die Deutschen haderten mit sich selbst, was sich teilweise in der Körpersprache der Spielerinnen ausdrückte. Alex Popp wollte dem Team und sich nicht viel vorwerfen, auch die Bundestrainerin attestierte der Mannschaft ein gutes Dagegenhalten. Aber reicht das für die Ziele der Mannschaft, ist der DFB mit den Top-Teams auf Augenhöhe?

Ich erkenne weiterhin zu viele Beschwörungen und Vergleiche zur Europameisterschaft in England. Ich habe es in meiner ersten Kolumne schon angemerkt: Es ist ein anderes Turnier, die Ausgangslage und Erwartungshaltung sind nicht zu vergleichen, die Gegnerinnen sind stärker, die Entwicklung ist fortgeschritten.

Südkorea wird das DFB-Team nicht gefährden

Wo ist sie hin, die deutsche Leichtigkeit nach dem losgelösten 6:0 im Auftaktspiel? Deutschland wirkte auf mich beeindruckt von der kolumbianischen Präsenz. Auf das teils sehr robuste und äußerst kompakte Spiel der Südamerikanerinnen fiel dem Team von Martina Voss-Tecklenburg kaum eine Lösung ein. Obwohl es das Spiel nach einer hektischen Anfangsphase weitestgehend in den Griff bekam, fehlten Offensivideen und vor allem zielstrebige Aktionen auf das gegnerische Tor.

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Fest steht für mich: Deutschland wird das Achtelfinale erreichen. Ich befürchte zwar: nur auf Platz zwei der Gruppe. Aber Südkorea wird das DFB-Team nicht gefährden, dafür glaube ich zu sehr an die Mannschaft. Der Fokus sollte dann zügig auf das Achtelfinale gelegt werden, in dem das Team aller Voraussicht nach auf Frankreich trifft. Davor braucht es allerdings eine disziplinierte Leistung gegen Südkorea (Donnerstag, 12 Uhr, LIVE! bei kicker).

Viele kleine Baustellen führen zu einer Unwucht

Durch die vielen verletzungsbedingten Ausfälle in der Defensive und die folglich nötigen Umstellungen wirkt das Team verunsichert. Einzig Kathy Hendrich ist die Konstante in der Viererkette, die auf ihrer angestammten Position spielt. Aber auch sie wirkte im zweiten Spiel nicht so präsent, war viel mit der Organisation der Kette beschäftigt. Wichtig für Deutschland, dass Marina Hegering für das Spiel gegen Südkorea wieder zur Verfügung steht. Auch Felicitas Rauch könnte für das Achtelfinale wieder eine Option sein.

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Die Mannschaft hatte im zweiten Gruppenspiel kaum Ideen im eigenen Spielaufbau. Immer wieder gingen die Pässe bis auf Torhüterin Merle Frohms zurück, weil vorne die Bewegung und somit die Anspielmöglichkeit fehlte. Dadurch werden viele unnötig lange Bälle gespielt, die oft beim Gegner landen. Durch die starren Außenverteidigerinnen Svenja Huth und Chantal Hagel fehlte dem deutschen Spiel die Variabilität. Dazu vermisse ich weiterhin Huths Qualitäten in der Offensive.

Das Passspiel der Mannschaft ähnelte den schwächeren Vorbereitungsspielen. Es werden kaum Spielverlagerungen gespielt, die unsere Gegnerinnen überraschen könnten. Auf den Außenbahnen haben wir mit Jule Brand und Klara Bühl viel Kreativität und Durchsetzungsfähigkeit. Durch das direkte Pressing der Kolumbianerinnen hat man diese Eigenschaften über das ganze Spiel vermisst.

Die Schaltzentrale muss jetzt liefern

Was bei der EM im vergangenen Jahr noch super funktionierte, wird jetzt infrage gestellt. Die Schaltzentrale mit Lena Oberdorf, Sara Däbritz und Lina Magull steht in der Kritik. Ob zu Recht oder Unrecht? Das werden die nächsten beiden Spiele zeigen.

Oberdorf hatte nach ihrer Verletzung einige gute Aktionen in Tornähe, holte zudem den Elfmeter zum zwischenzeitlichen 1:1 raus. Däbritz und Magull rückten durch Oberdorfs Präsenz etwas in den Hintergrund, beide haben kaum zu ihrem Spiel gefunden. Magull wirkte teilweise genervt von der Gangart der Gegnerinnen. Beide sind sehr erfahren und wichtige Leistungsträgerinnen. Jedoch geht von ihnen aktuell zu wenig Gefahr aus.

Mit Melanie Leupolz, die für Oberdorf rausrotierte, sitzt eine sehr gute Option auf der Bank. Sydney Lohmann, die leider immer wieder über kleine Blessuren klagt, wartet noch auf ihren ersten Einsatz bei der WM. Im Vollbesitz ihrer Kräfte traue ich Lohmann viel zu, in München hat sie dies in der vergangenen Saison gezeigt. Sie kann bisher fehlende Überraschungsmomente liefern, hat Power, um eine Mannschaft zu ziehen. Auch als Einwechselspielerin kann Lohmann der Mannschaft extrem guttun. Aus meiner Sicht muss es vor allem auf den zentralen Positionen funktionieren, sonst muss Voss-Tecklenburg reagieren, denn viel Zeit bleibt ihr dafür nicht.

Oder stellt die Bundestrainerin jetzt schon das System um? Lea Schüller wartet auf ihren ersten Startelfeinsatz. Ihre Hereinnahme würde einen Systemwechsel und eine Neubesetzung im zentralen Mittelfeld bedeuten. Ein 4-4-2 mit zwei Spitzen ist aus meiner Sicht eine interessante Option für das Spiel gegen Südkorea - und über eine Dreierkette kann weiterhin nachgedacht werden.

Verena Schweers

Verena Schweers hat in der Bundesliga für den SC Freiburg und die Top-Klubs VfL Wolfsburg und Bayern München gespielt. Unter anderem gewann sie je zweimal die Champions League und die deutsche Meisterschaft. Die Verteidigerin absolvierte zudem 47 Länderspiele für die DFB-Auswahl. Im Sommer 2020 beendete sie ihre aktive Laufbahn.

Martina Voss-Tecklenburg (Deutschland, Bundestrainerin) gestikuliert, AUS, Training DFB Frauen Nationalmannschaft Deutschland, FIFA Frauen Fussball Weltmeisterschaft Australien 2023, 31.07.2023 AUS, Training DFB Frauen Nationalmannschaft Deutschland, FIFA Frauen Fussball Weltmeisterschaft Australien 2023, 31.07.2023 Tuggerah *** Martina Voss Tecklenburg Germany, national coach gestures, AUS, training DFB womens national team Germany, FIFA Womens World Cup Australia 2023, 31 07 2023 AUS, training DFB womens national team Germany, FIFA Womens World Cup Australia 2023, 31 07 2023 Tuggerah Copyright: xEibner-Pressefoto Memmlerx EP_MMR

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