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"Wir sind bereit": Japans Titeltraum und Naganos Deutschland-Erinnerung

Nadeshiko müssen an Musovic vorbei

"Wir sind bereit": Japans Titeltraum und Naganos Deutschland-Erinnerung

Hat das Duell mit Schweden und am Horizont den WM-Sieg im Visier: Japans Nationalspielerin Fuka Nagano.

Hat das Duell mit Schweden und am Horizont den WM-Sieg im Visier: Japans Nationalspielerin Fuka Nagano. IMAGO/Bildbyran

Wir schreiben das Jahr 2011, es ist Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland - und der amtierende Titelverteidiger, die von Bundestrainerin Silvia Neid betreute DFB-Auswahl steht im Viertelfinale des Heimturniers. Der Gegner im VfL-Stadion zu Wolfsburg am 9. Juli: Japan.

Nach 120 intensiven Minuten steht fest: Der amtierende Champion ist raus, die Japanerinnen haben durch ein 1:0 nach Verlängerung die Sensation geschafft, den Favoriten rausgekegelt - und sich später im weiteren Verlauf durch ein 3:1 gegen Schweden im Halbfinale sowie ein 3:1 im Elfmeterschießen gegen die USA im großen Endspiel in Frankfurt auch direkt erstmals selbst zum Weltmeister gekürt.

Klar, dass Fans und der aktuellen Generation dieser große Erfolg noch immer präsent ist. Allen voran Fuka Nagano. Die 24-jährige Mittelfeldfrau des FC Liverpool war damals erst zarte zwölf Jahre alt - und hat die bislang größte Stunde des japanischen Frauenfußballs noch immer vor Augen.

"Ich erinnere mich sehr gut an die Tore. Als ich aufgewachsen bin, habe ich die Nadeshiko-Spielerinnen viele Jahre lang verfolgt", erzählte Nagano auf der Pressekonferenz vor dem anstehenden Viertelfinale gegen Schweden - den damaligen Halbfinalkontrahenten - am Freitag (9.30 Uhr MESZ, LIVE! bei kicker). Ihr Ziel sei es nun, selbst mit der derzeitigen Mannschaft voranzugehen: "Ich möchte der jüngeren Generation zeigen, dass wir jeden schlagen können und so viele junge Zuschauer wie möglich inspirieren."

Torgarantin Miyazawa

Und warum auch nicht? Nachdem bei diesem Turnier in Australien und Neuseeland bereits das große Favoritensterben (USA, Norwegen, Deutschland) stattgefunden hat, verbleibt Japan als einzige Nation unter den letzten acht Nationen, die überhaupt schon einmal WM-Sieger geworden ist. Eben 2011.

Die Auswahl um die 32-jährige Kapitänin Saki Kumagai - wechselte in diesem Sommer vom deutschen Meister FC Bayern München zur AS Rom - hat aktuell also den Topfavoriten-Status inne. Erst recht nach dem bisherigen Abschneiden bei dieser Ausgabe: Der WM-Zweite von 2015 (2:5 damals gegen die Vereinigten Staaten) rauschte nur so durch die Vorrunde, besiegte nach einem 5:0-Start gegen Sambia sowie einem 2:0 über Costa Rica die ebenfalls im Viertelfinale präsenten Spanierinnen mit 4:0 und schloss die Vorrunde damit mit 11:0 Toren ab. Erst beim insgesamt souveränen 3:1 im Achtelfinale gegen Norwegen kassierten die Nadeshiko das erste Gegentor im Turnier.

Dass Japan nicht nur mit sauberem Fußball glänzen kann, haben die DFB-Männer bereits bei ihrem desaströsen WM-Aus 2022 in Katar erlebt: Da hatte der Gegner eine perfekt aufgeräumte Spielerkabine und einige Origami hinterlassen. Falten die Kickerinnen bei ihrer WM nun weitere Gegner zusammen? Trainer Futoshi Ikeda kann vor allem auf Hinata Miyazawa bauen: Die 23-Jährige vom heimischen Klub Mynavi Sendai erzielte bereits fünf Tore - und trägt ein weißes Haarband zu Ehren ihres Idols Nahomi Kawasumi, die 2011 wie Kumagai Weltmeisterin wurde.

"Wir sind bereit, gegen jeden Gegner zu kämpfen", warnte Kumagai bereits. "Das liegt meiner Meinung nach an unserer guten Vorbereitung. Dass wir in der Lage sind, die Taktik je nach Gegner zu wechseln, ist ein sehr positiver Aspekt." Die Abwehrspielerin führt ein junges Team an, das größtenteils aus den U-20-Weltmeisterinnen von 2018 besteht.

Mehr Anerkennung im Heimatland erwünscht

Trotz ihrer bisherigen Erfolge müssen die Japanerinnen in ihrer Heimat noch um Aufmerksamkeit kämpfen. Ihre beiden ersten Gruppenspiele wurden - aus Rücksicht auf ein Sumo-Turnier - nur auf einem Satellitenkanal ausgestrahlt. Das Spanien-Spiel lief im Hauptprogramm des öffentlich-rechtlichen Senders NHK - und nur 6,4 Prozent der Haushalte in der Kanto-Region, zu der auch Tokio gehört, schalteten dabei nach Angaben der "Japan Times" überhaupt ein.

Der Mangel an Medienpräsenz und Bekanntheitsgrad sei ein Symptom dafür, dass es dem japanischen Fußballverband nicht gelungen sei, einen langfristigen Plan nach dem Triumph von 2011 zu entwickeln, schreibt die Zeitung darüber hinaus.

Schwedens Musovic: Von der "ewigen" Nummer 2 ins Rampenlicht

Zecira Musovic

War mit Glanzparaden und insgsamt elf abgewehrten Schüssen die US-Spielverderberin: Schwedens bärenstarke Torfrau Zecira Musovic. IMAGO/Bildbyran

Der kommenden Gegner Schweden ist vor allem vor dem schnellen Passspiel der "Nadeshiko" - das Wort, das unter anderem für eine Prachtnelke steht, soll die Anmut, Bescheidenheit, Reinheit und Schönheit japanischer Frauen preisen - gewarnt. Lina Hurtig, die gegen die USA beim gefeierten Achtelfinal-Coup den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte, gab das Erfolgsrezept für das Viertelfinale aus.

"Gib denen nicht den Ball", sagte sie auf die Frage eines Reporters, worauf es ankommen werde. Sie stellte ihre Mannschaft bereits darauf ein, dass es vor allem in der Defensive anstrengend werde.

Hier haben die Herausforderinnen allerdings auch einen gewaltigen Trumpf auf der Hand: Zecira Musovic. Die 27-Jährige vom FC Chelsea wurde beim Triumph über die Titelverteidigerinnen aus den USA zur großen Matchwinnerin und mit Lob aus In- und Ausland überschüttet. In den wenigen Tagen seit diesem Coup hat das Instagram-Profil der Torhüterin mit bosnischen Wurzeln 80.000 neue Follower erhalten.

Und das alles bei einer Spielerin, die schon als "ewige" Nummer 2 verschrien war. Bei der WM 2019, Olympia 2021 oder der EM 2022 blieb sie als Ersatz der schwedischen Ikone Hedvig Lindahl jeweils ohne einzige Einsatzminute. Und bei ihrem Londoner Verein, dem FC Chelsea, muss sie sich hinter der deutschen Nummer zwei Ann-Katrin Berger anstellen. Doch: "Hartnäckig zu sein und einen starken Willen zu haben, sind Eigenschaften, die mir in die Wiege gelegt wurden", beschreibt sich Musovic selbst. Davon darf sich nun Japan überzeugen.

mag, dpa