U 17

Weltmeister Odogu: "Fremde Menschen haben im Zug für mich geklatscht"

Der Wolfsburger wurde in der VfL-Akademie feierlich empfangen

Weltmeister Odogu: "Fremde Menschen haben im Zug für mich geklatscht"

Nach dem WM-Titel: Breites Grinsen bei David Odogu.

Nach dem WM-Titel: Breites Grinsen bei David Odogu. VfL Wolfsburg

Großer Bahnhof für David Odogu. Als der 17-Jährige, der von Indonesien über Frankfurt und Berlin in seine sportliche Heimat zurückgereist war, um 16.17 Uhr die Akademie des VfL Wolfsburg betritt, wird er überrascht. Sämtliche Nachwuchsmannschaften und Mitarbeiter der Niedersachsen stehen Spalier, feiern ihren Weltmeister, der von Akademie-Leiter Michael Gentner mit warmen Worten, einem Wolfsburger Weltmeister-Trikot und einem Weltmeister-Kuchen begrüßt wird. "Wir sind stolz auf dich", sagt Gentner - Odogu strahlt vor Glück. Und steht dem kicker anschließend Rede und Antwort.

David, Sie sind zurück in Deutschland, zurück in Wolfsburg. Wie ist Ihre aktuelle Gefühlslage?

Ich bin müde, aber es überwiegt die Freude, wieder zurück in Wolfsburg zu sein nach der langen Zeit. Zu sehen, dass alle hinter mir standen, macht mich einfach nur glücklich. Auch wenn das Wetter hier nicht so optimal ist (lacht). In Indonesien hatten wir 35 Grad und eine extreme Luftfeuchtigkeit. Ich bin froh, meine Freunde wiederzusehen, morgen wieder in die Schule zu gehen.

Klausuren während der WM

Was haben Sie in der 1. Stunde?

Ganz ehrlich: Ich weiß es gerade nicht (lacht). Aber ich habe während der WM sogar zwei Klausuren geschrieben, Geschichte und Geografie. Wir hatten zwei Lehrer dabei in Indonesien, die Betreuung war richtig gut.

Sie haben vor dem Turnier gesagt, dass Sie Weltmeister werden wollen. Ab wann haben Sie wirklich daran geglaubt?

Gerechnet habe ich am Anfang tatsächlich nicht damit, auch wenn man das so sagt, dass man Weltmeister werden will. Klar, wir sind Europameister, aber Teams wie Brasilien, Argentinien und die afrikanischen Mannschaften sind noch mal ein ganz anderes Level. Ich war erst einmal stolz, überhaupt dort zu sein und Spiele machen zu können. Nach dem Spanien-Spiel im Viertelfinale wusste ich, dass was gehen kann. Dieses Gefühl hat sich so aufgebaut über das ganze Turnier.

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Deutschland ist also doch noch eine Turniermannschaft?

Ja, auf jeden Fall.

Jetzt wird Ihr Team im ganzen Land gefeiert, die Spieler werden als Vorbilder sogar für die A-Nationalmannschaft gesehen, Sie sind auf den Titelseiten. Können Sie das schon realisieren?

Über Social Media haben wir einiges mitbekommen, und trotzdem ist es noch mal krass, das jetzt hier zu sehen. Ich bin gestern mit dem Zug von Frankfurt nach Berlin gefahren, da haben auf einmal fremde Leute für mich geklatscht, als sie mich im DFB-Trainingsanzug gesehen haben. Ein krasses Gefühl, das macht mich stolz. Natürlich prasselt aktuell vieles auf uns ein, ich glaube aber, ich kann das gut einordnen und damit umgehen. Ich weiß: Wir sind 17 und alle noch keine Profis. Jetzt gilt es, hart weiterzuarbeiten und den Traum vom Profi zu erfüllen.

Wie geduldig werden Sie sein?

Ich will es natürlich so schnell wie möglich schaffen hier beim VfL Wolfsburg, aber habe auch die notwendige Geduld. Ich weiß, dass ich mich noch weiter entwickeln muss, um körperlich und spielerisch auf das Männerniveau zu kommen.

Wie wichtig war es, dass Ihre Familie geschlossen in Indonesien dabei war?

Das war eine der wichtigsten Sachen für mich. Zu sehen, wie meine Schwester, meine Mutter und mein Vater auf der Tribüne sind und mich in einem WM-Finale sehen, das war das Schönste. Nach den Spielen waren sie auch bei mir im Hotel, das tat mal gut, abgelenkt zu werden.

Wie feiert man mit 17 Jahren einen WM-Titel?

Jeder macht das anders. Ich bin nicht so der Feiertyp, trinke auch keinen Alkohol. Trotzdem hatte ich eine schöne Nacht, ich bin mit Noah Darvich im Hotel geblieben, die Familie war auch dabei.

Im Elfmeterschießen im Endspiel gegen Frankreich und zuvor auch gegen Argentinien ließen Sie den Kollegen den Vortritt. Wann hätten Sie geschossen?

Ich habe in der letzten Saison im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft einen Elfmeter gegen Hoffenheim geschossen. Er war drin, aber es war sehr knapp. Seitdem halte ich mich da ein bisschen zurück. Im Halbfinale hätte ich, wenn es noch notwendig gewesen wäre, den nächsten vielleicht genommen. Im Finale war ich emotional und körperlich gar nicht mehr in der Lage, zu schießen. Ich lag da auf dem Boden, hatte schon Tränen in den Augen.

Marcel Schäfer und Herr Kovac haben mir Nachrichten geschickt, das hat mich sehr gefreut.

David Odogu

Wie viele Glückwünsche gingen anschließend ein?

Bei Instagram sind die Nachrichten explodiert, ich konnte das noch gar nicht alles beantworten. Aus der Akademie hat mir fast jeder geschrieben, mit Michael Gentner hatte ich immer Kontakt. Marcel Schäfer und Herr Kovac haben mir Nachrichten geschickt, das hat mich sehr gefreut.

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Mit 14 Jahren sind Sie 2020 von Union Berlin zum VfL gewechselt.

Es ist unbeschreiblich, was ich hier in den vergangenen drei Jahren erlebt habe. Ich habe die Leute beim VfL alle ins Herz geschlossen und muss auch ehrlich sagen: Ich habe die Akademie und die Menschen hier in den letzten Wochen echt vermisst.

Ein unschönes Thema gab es während dieser WM dennoch, in den sozialen Netzwerken wurde die Mannschaft zum Teil rassistisch beschimpft. Wie sind Sie persönlich damit umgegangen?

Es ist klar, dass es immer auch Hate gibt, mich und das Team hat das aber nicht negativ beeinflusst. Wir sind dadurch noch enger zusammengerückt und waren stolz, denen zu zeigen, wer wir sind. Umso schöner ist es, dass uns Deutschland jetzt feiert.

Interview: Thomas Hiete

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