Champions League

Was die Bayern "mittlerweile schaffen" - und was Grund zur Demut liefern sollte

Eine Analyse, warum der deutsche Meister nun im Flow ist

Was die Bayern "mittlerweile schaffen" - und was Grund zur Demut liefern sollte

Der FC Bayern hat derzeit viel Grund zum Jubeln.

Der FC Bayern hat derzeit viel Grund zum Jubeln. IMAGO/ULMER Pressebildagentur

Aus Barcelona berichtet Mario Krischel

Bei den Sicherheitskräften des FC Barcelona wurde die Miene am Mittwochabend immer finsterer, da tauten ein paar tausend rot gekleidete Bayern-Fans ganz oben im Gästebereich des Camp Nou nochmal richtig auf. Die Einwechselspieler, die beim 3:0-Triumph nur kurz oder gar nicht zum Zug gekommen waren, durften noch ein paar Extra-Runden auf dem heiligen Rasen drehen, und der Münchner Anhang quittierte es mit Jubelstürmen.

Ganz so euphorisch waren nicht mal die drei Tore in den 90 Minuten zuvor bejubelt worden, vielleicht ja auch, weil es mittlerweile Routine ist, den FC Barcelona zu Null zu schlagen - das gelang nun zum vierten Mal in Folge bei einer Bilanz von 11:0 Toren. "Who the f*ck is Barcelona?", stimmten die Bayern-Fans daher gleich zweimal lautstark an. Der Großteil des Camp Nou reagierte mit Pfiffen, viel mehr Gegenwehr kam nicht.

Müller: "Wir machen gerade einen richtig guten Job"

Die Brust wird passend zu dieser heiklen Saisonphase immer breiter beim FC Bayern, nach fünf Pflichtspielsiegen in Serie ist das Zwischentief vor dem Oktoberfest nun in den Hintergrund gerückt. Der fünfte Gruppensieg in Folge in der Champions League, nur ein Punkt Rückstand in der Liga auf Tabellenführer Union und endlich mal wieder die dritte Runde im DFB-Pokal: "Wir machen gerade einen richtig guten Job", brachte es Thomas Müller simpel auf den Punkt.

Das fängt vorne an, wo Eric Maxim Choupo-Moting seinen Lauf fortsetzte und auch in Barcelona traf, das geht hinter ihm weiter bei Jamal Musiala oder Serge Gnabry, die an guten Tagen kaum aufzuhalten sind mit ihrer Spielfreude und die Leroy Sanés Ausfall bestens kompensieren. Sadio Mané hat nach wie vor seine Problemchen, erzielte aber wenigstens mal wieder ein Tor. Und spätestens ab der Reihe dahinter wirkt das Gebilde nach den jüngsten Eindrücken extrem stabil. Leon Goretzka hat sich mit starken Leistungen seinen Platz neben Joshua Kimmich zurückgeholt, in der Innenverteidigung ist Matthijs de Ligt aufgrund des Ausfalls von Lucas Hernandez neben Dayot Upamecano gesetzt. Und Neuer-Backup Ulreich? Der, wie sagte es Müller so schön, "hatte fast keinen Ball auf dem Handschuh, das musst du hier erstmal aufs Papier bringen".

Körperlichkeit, Intensität, Galligkeit

Die Bayern sind auch deshalb gerade viel besser als im September, weil sie zum einen ihre Chancen nutzen, zum anderen aber nun in Barcelona Tugenden an den Tag legten, die beim Tiefpunkt der Saison - dem 0:1 in Augsburg - noch den Gegner ausgezeichnet hatten: Körperlichkeit, Intensität, Galligkeit, kleine Fouls. "Alle haben verteidigt, alle haben angegriffen", lobte Hasan Salihamidzic. "Das wünsche ich mir jetzt auch in der Bundesliga."

Barcelona hatte keinen Torschuss, das muss man erstmal gegen eine solche Top-Mannschaft schaffen.

Leon Goretzka

Wenn sich die Mannschaft von Julian Nagelsmann am Mittwoch mal etwas fallen ließ, nicht mit fünf Mann vorne draufging, präsentierte sie sich kompakt in zwei Viererketten, Mané und Gnabry schlossen neben der Doppelsechs die Außenbahnen und erstickten so jeden Offensiv-Ansatz der Blaugrana im Keim. "Unsere ganze Mannschaft hat es defensiv richtig gut gemacht", freute sich Leon Goretzka. "Barcelona hatte keinen Torschuss, das muss man erstmal gegen eine solche Top-Mannschaft schaffen."

Für ihn war die Rolle dieses Mal etwas ungewohnt, anders als sonst überließ Goretzka auch mal Nebenmann Kimmich "seinen" Part im Offensivpressing, dafür hielt Bayerns Nummer 8 die Position vor der Viererkette, normalerweise der Auftrag für Bayerns Nummer 6. Wie Goretzka auf kicker-Nachfrage erklärte, hing das vor allem mit Frenkie de Jong zusammen, den Kimmich begleiten sollte. Überaus erfolgreich. Goretzka wiederum überzeugte mit Wucht und Willensstärke, aufgrund der frühen Gelben Karte durfte er zur Pause in der Kabine bleiben und mal durchschnaufen.

Was den Nationalspieler bei seiner Mannschaft gerade positiv stimmt? "Dass wir es mittlerweile schaffen, ein bisschen tiefer zu verteidigen und gleichzeitig unsere Aktivität beizubehalten. Das war heute richtig gut." Als "großen Schritt nach vorne" bewertet Goretzka diese Entwicklung hin zu einer Mannschaft, der es gelingt, "die Dinge zu Ende zu verteidigen". Nicht wie gegen Stuttgart oder in Dortmund, wo späte und vermeidbare Gegentore jeweils noch zum Ausgleich geführt hatten.

Läuft es auch nach dem Jahreswechsel so weiter?

Nun wartet weit nach der WM das nächste Achtelfinale in der Königsklasse. Und bei allem berechtigten Jubel, der zur Zeit aufkommt, sollte die Erinnerung an das Vorjahr genug Grund zur Demut liefern. Nach dem Jahreswechsel hatten sich die Bayern 2022 erschreckend schwach präsentiert, sogar noch etwas Glück gegen Salzburg in der Runde der letzten 16 gehabt und schließlich gegen Außenseiter Villarreal die Segel streichen müssen.

Das Gute ist, dass angesichts des absurden Terminkalenders gerade ohnehin niemand so weit im Voraus planen kann. Wer kann schon sagen, wie und mit wem es nach der WM weitergeht? Fürs Erste geht es am Donnerstag mit den nächsten drei Punkten zurück nach München. Dann dürfen die Beine für ein paar Stunden hochgelegt werden, ehe der Spaß schon wieder beginnt: Freitag Abschlusstraining, Samstag Mainz.

Gnabry überragt, Lewandowski blass: Die Noten zu Barça-Bayern