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Warum Max Meyer bei Crystal Palace keine Rolle mehr spielt

Zur schwierigen Situation des Ex-Schalkers in England

Warum Max Meyer bei Crystal Palace keine Rolle mehr spielt

Nicht mehr gefragt bei Crystal Palace: Max Meyer.

Nicht mehr gefragt bei Crystal Palace: Max Meyer. imago images

Eigentlich lief schon alles falsch, bevor Max Meyer überhaupt mal ein Trikot oder auch nur einen Stutzen von Crystal Palace anziehen konnte.

Da war die Pressemitteilung am 2. August, die zum einen eben von Crystal Palace kam und nicht von Liverpool oder Arsenal, und dann war da das Foto, auf dem Crystal Palace seinen Neuzugang präsentierte, aber Joshua Kimmich abbildete und eben nicht Max Meyer.

Diesen Max Meyer stellte der Klub dann wenig später als "heißesten ablösefreien Spieler" und "deutschen Messi" vor. Und der deutsche Messi, so hieß es, habe sich glücklicherweise nicht für die blau-roten Farben von Barcelona oder Bayern entschieden, sondern eben für die von Crystal Palace. Max Meyer selbst gab sich mindestens genauso glücklich. Verglichen mit Schalke, frohlockte er, sei Palace "vielleicht stärker".

"Ich habe mich an die Premier League gewöhnt und hoffe, mich in dieser Saison zu verbessern"

Natürlich musste er so etwas sagen, und ganz unrecht hatte er ja nicht: Sowohl Schalke als auch Palace sollten in der darauffolgenden Saison 17 Spiele verlieren, die Engländer gewannen aber immerhin sechs mehr. Und noch besser: Palace befreite sich deutlich früher aus dem Abstiegssumpf als Schalke.

Meyer trug in 29 Liga-Einsätzen (15 von Beginn an) ein Tor und drei Vorlagen zum frühen Klassenerhalt bei, traf zudem einmal in vier FA-Cup-Spielen. "Das ist mein zweites Jahr", hatte Meyer dann vor Beginn der laufenden Spielzeit erklärt. "Ich habe mich an die Premier League gewöhnt und hoffe, mich in dieser Saison zu verbessern."

Und da nimmt die Geschichte eine extreme Wendung.

Heidel, Wittmann, Weltklasse: Wie auf Schalke alles zerbrach

Nein, Max Meyer ist im Sommer 2018 nicht nach Russland gefahren, so wie Roger Wittmann das geplant oder vielmehr wörtlich angekündigt hatte. Zumindest nicht als Teil der deutschen Nationalmannschaft.

Domenico Tedesco und Max Meyer

Arbeiteten eigentlich erfolgreich zusammen auf Schalke: Domenico Tedesco und Max Meyer. imago images

Die Vertragsgespräche zwischen Meyers Berater und dem damaligen Schalke-Sportvorstand Christian Heidel sind inzwischen allzu bekannt, Heidel hatte sie ja gerne ausgeplaudert. Der unglücklich gewählte Satz von Wittmann, es handle sich bei Meyer, dessen Vertrag in wenigen Monaten auslief und der auf der Sechs eine bis dahin starke Saison spielte, um "einen Weltklassespieler, der in jeder europäischen Spitzenmannschaft Stammspieler wäre", hängt dem 24-Jährigen bis heute nach.

Es war der Höhepunkt einer nicht mehr zu rettenden Beziehung zwischen Schalke 04 (oder Heidel), Wittmann und Meyer. Warum genau das Schalker Eigengewächs inmitten der Vizemeister-Saison von "Mobbing" seitens Heidel gesprochen und Domenico Tedesco vor dem Spiel gegen Gladbach mitgeteilt hatte, er habe "mit Schalke abgeschlossen", ist schwer zu sagen.

Es führte zu einer hässlichen Trennung von einem Spieler, dem bei Königsblau alle Türen offenstanden, vor allem nachdem Leon Goretzka seinen Wechsel zum FC Bayern verkündet hatte. Meyer schlug das 5,5-Millionen-Jahresgehalt auf Schalke aus und wurde nicht mehr gesehen.

Das Hashtag "#freeMeyer" landete öfter in den Twitter-Charts als Meyer auf dem Spielfeld

Nein, Meyer ist also nicht nach Russland gefahren. Und nein, Meyer ist auch nicht Stammspieler in einer europäischen Spitzenmannschaft. Meyer ist Tribünengast bei Crystal Palace.

Für den viermaligen Nationalspieler könnte es gerade nicht schlechter laufen. Die Eagles sind nach dem Heimsieg gegen Bournemouth am Dienstagabend auf Platz fünf der Premier League gesprungen, Meyer hat dazu im Grunde gar nichts beigetragen. Nach zwei Startelf-Einsätzen an den ersten beiden Spieltagen kam der gebürtige Oberhausener nur noch erschreckende 17 Minuten zum Einsatz, mehrmals schaffte er es nicht mal ins Spieltagsaufgebot von Trainer Roy Hodgson. Das Hashtag "#freeMeyer" landete öfter in den Twitter-Charts als Meyer auf dem Spielfeld.

Max Meyer

Max Meyer stand im August zuletzt in der Startelf von Crystal Palace. imago images

Überraschend ist das trotz der ordentlichen ersten Saison nicht wirklich. Hodgson, 72, ist der älteste Trainer der Premier League und vertraut eben auch auf die alte englische Schule: eine robuste Abwehr, ein physisch und zweikampfstarkes Mittelfeld und schnelle Konter über Wilfried Zaha, seinen mit Abstand besten Spieler.

Hodgson braucht Physis und Robustheit: Was soll Meyer da beitragen?

Hodgsons Standard-System umfasst im Gegensatz zur Vorsaison - da war Meyer im derzeit nicht mehr gebrauchten 4-4-2 zumeist als linker Mittelfeldspieler zum Einsatz gekommen - zwei zentrale Abwehrtürme mit James Tomkins (1,91 Meter) und Gary Cahill (1,93) sowie drei zentrale Mittelfeldspieler davor: Cheikhou Kouyaté (1,93), Kapitän Luka Milivojevic (1,86) und der schottische Allrounder James McArthur (1,77). Für den quirligen Dribbler Meyer (1,73) bleibt da kein Platz. Hodgson wechselt am liebsten gar nicht aus und ein und wenn, dann spät, und wenn, dann nicht Meyer.

"Max ist ein Spieler, der auf dem Platz immer Vollgas gibt und enorm ehrgeizig ist", sagt Tedesco, heute Trainer bei Spartak Moskau, dem kicker. "Er hasst es zu verlieren - auch im Training." Momentan darf Meyer ja auch nur da verlieren.

Tedesco hatte das Wegbrechen seiner zentralen Achse (Meyer, Goretzka, Thilo Kehrer) in der vergangenen Saison nicht auffangen können. So unschön Meyers Abschied war, so sehr tat er Schalke auch weh. Den gelernten Offensivmann zum Sechser umzuschulen, war einer von Tedescos größten Coups gewesen. "Er hat damals so gut trainiert", erinnert sich der 34-Jährige, "dass wir uns im Trainerstab irgendwann gesagt haben: 'Wir müssen jetzt einfach einen Platz für ihn finden.'"

Meyers Vertrag läuft noch bis 2021 - ob er wirklich so lange bleibt?

Max Meyer

Bank oder Tribüne: Auf dem Spielfeld findet Max Meyer nur ganz selten statt. imago images

Meyer sei "sehr spielintelligent, ballsicher und kann in den Zweikämpfen auch richtig giftig sein". So sind Tedesco und sein Team auf die Idee gekommen, den Zehner zurückzuziehen. "Er hat das richtig gut gemacht." In den nur selten attraktiven Schalker Spielen war Meyer mit seiner Dribbelstärke, Übersicht und Kreativität noch einer der wichtigsten Impulsgeber nach vorne.

Diese Attribute sind bei Palace nicht gefordert, wenn die Gegner Manchester City, Liverpool oder Chelsea heißen. Im Moment ist es nur schwer vorstellbar, dass Meyer in Südlondon noch den großen Durchbruch feiert, sein mit fünf Millionen Euro Jahresgehalt dotierter Vertrag läuft noch bis Juni 2021.

"Ich kann aus der Ferne nicht beurteilen, warum es für ihn in England noch nicht rund läuft", sagt Tedesco. "Ich bin mir sicher, dass er diese Situation meistern wird."

Aber was soll er auch sagen?

Mario Krischel