Europa League

Warum weder Mourinhos Ansatz noch Bayers Aus überrascht

Leverkusens Kader stößt gegen destruktive Römer an seine Grenzen

Warum weder Mourinhos Ansatz noch Bayers Aus überrascht

Bayer-Coach Xabi Alonso waren im Rückspiel gegen die Roma personell die Hände gebunden.

Bayer-Coach Xabi Alonso waren im Rückspiel gegen die Roma personell die Hände gebunden. IMAGO/Laci Perenyi

Xabi Alonso hat viele Erfahrungen im internationalen Fußball gesammelt. Auch wie José Mourinho Fußball spielen lässt, mit dem er als Profi von 2010 bis 2013 bei Real Madrid zusammenarbeitete. Und so ließ sich der Spanier als einziger der Leverkusener Fraktion nach dem mit perfektem Zerstörungsfußball sowie unerträglichem Zeitschinden ermauerten 0:0 der AS Rom und dem damit verbundenen Halbfinal-Aus von Bayer 04 nicht dazu hinreißen, die destruktive Spielweise des Gegners zu verurteilen.

"In beiden Spielen waren wir nicht schlechter - vielleicht zehn Minuten", resümierte der 41-Jährige treffend wie nüchtern, "wir hätten es verdient ein Ticket fürs Finale zu haben. Ich will nicht weinen und wünsche AS Rom viel Glück fürs Finale." Die Bayer-Profis hatten hingegen zuvor noch den Auftritt der Roma gegeißelt. Und Geschäftsführer Simon Rolfes sichtlich angefasst gegiftet: "Ich glaube, dass jeder der im Stadion war, dem FC Sevilla alles Gute für das Finale wünscht, dass sie das Ding gewinnen. Es ist schon bitter, dass diese Art und Weise von Rom zum Erfolg geführt hat."

Bei allem Verständnis für die nachvollziehbare und für jeden Fußball-Ästheten zwingende Verbitterung im Leverkusener Lager, muss man allerdings feststellen, dass nach dem 0:1 in Rom in diesem Rückspiel nichts Überraschendes, nichts Unerwartetes geschehen war. So stellte Xabi Alonso bezüglich der Spiel(?)-Art der Italiener fest: "Es war nicht neu, was in der zweiten Halbzeit passiert ist." In der Tat.

In beiden Spielen waren wir nicht schlechter - vielleicht zehn Minuten.

Xabi Alonso

Und es war auch nicht neu, dass Bayer 04 gegen einen so tiefstehenden Gegner keine Mittel fand, um sich glasklare Chancen zu erspielen. Von dem halben Dutzend Leverkusener Möglichkeiten fielen die meisten in die Kategorie Distanzschuss oder geblockte Bälle gegen die durchgehend mit acht Spielern am und nach der Pause im eigenen Strafraum verteidigende Roma.

Nicht umsonst sprach Rolfes nachher nicht von Hundertprozentigen, sondern erklärte: "Wir hatten gute Schusssituationen und haben dabei das letzte Bisschen vermissen lassen, wie auch schon im Hinspiel. Diesen Kritikpunkt müssen wir uns gefallen lassen." Schusssituationen - kaum zwingende Chancen. Einzig Sardar Azmoun bot sich in der 81. Minute nach einem Getümmel ein Hochkaräter.

Eine Erfahrung, die die Werkself in den vergangenen Wochen schon viel zu häufig gemacht hat: Verteidigt der Gegner kompakt oder stellt er sich gar massiert hinten rein, fehlen die Werkzeuge, um das Bollwerk nachhaltig auseinanderzuschrauben. Dann werden so herausragende Höchstgeschwindigkeitsfußballer wie Moussa Diaby und Jeremie Frimpong vom Gegner zu leicht ausgebremst.

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Weil dem Offensivspiel eine dann entscheidende Facette fehlt. In dieser Phase der Saison, in der viele Mannschaften Leverkusens exzellentes Konterspiel durch taktische Disziplin und konsequentes Defensivdenken mehr oder weniger eliminieren, fehlt die Durchschlagskraft, die Präsenz im Strafraum. Schon in Wolfsburg (0:0), bei Union Berlin (0:0) nach der Pause gegen den 1. FC Köln (1:2) und im Hinspiel in Rom (0:1) musste Bayer diese ernüchternde Erfahrung machen.

Nur zwei Treffer in den jüngsten fünf Pflichtspielen dokumentieren dies unwiderleglich. Von den jüngsten neun Pflichtspielen hat der Werksklub nur zwei gewonnen. Dabei hatte Xabi Alonso gegen die Roma das unter diesen Voraussetzungen passende taktische Konzept entwickelt und auch personell alle richtigen Schlüsse aus dem Hinspiel und den jüngsten Erfahrungen gegen defensive Kontrahenten gezogen.

Mit Kerem Demirbay die spielstärkere und kreativere Option im Vergleich zu Nadem Amiri als Ersatz für Robert Andrich in der Doppelsechs zu wählen, zahlte sich aus. Der Rekordeinkauf, seit Wochen mit seiner Rolle als nicht gesetzter Akteur unglücklich, gab Bayers Spiel Struktur und erzeugte durch seine Schüsse noch mit die meiste Torgefahr.

Die Stoßstürmer-Qualitäten von Schick werden schmerzlich vermisst

Und auch mit Azmoun einen gelernten Mittelstürmer statt wie im Hinspiel mit Adam Hlozek einen Angreifer vom Typus hängende Spitze zu nominieren, erwies sich als förderlich. Der Iraner kam gegen die dichte Deckung der Römer spielerisch besser zurecht als der mehr Anlauf benötigende Hlozek in Rom und erhöhte zumindest die Leverkusener Präsenz im Strafraum, die im Hinspiel noch nahe Null gelegen hatte.

Dennoch stand Azmoun dort meist allein gegen Roms humorlose Dreierkette. So zeigten die 90 Minuten plus acht Minten Nachspielzeit, wie wichtig gerade in solchen Spielen ein Angreifer mit Stoßstürmer-Qualitäten wäre wie der seit Monaten wegen Leistenproblemen ausfallende Patrik Schick.

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"Wir haben gegen fast acht Spieler im Strafraum von AS Rom gespielt. Wir haben probiert von außerhalb zu schießen. Sardar hat es gut gemacht, aber es ist einfach zu denken: Was hätte man tun können", ließ Xabi Alonso nur zwischen den Zeilen durchblicken, dass ihm in dieser Hinsicht personell die Hände gebunden sind. Richtig nachlegen konnte der Trainer von Bank aus nicht. Schon gar nicht im Sturmzentrum.

Ein Umstand, der sich in dieser Saison nicht mehr ändern wird, in der der aktuelle Tabellensiebte nun aufpassen muss, dass die phantastische Aufholjagd unter Xabi Alonso in der Rückrunde mit zwischenzeitlich 14 Pflichtspielen ohne Niederlage nicht im Nichts endet.

Gladbach verspricht für Bayer zumindest bessere Voraussetzungen

Der nächste Gegner verspricht dabei zumindest bessere Voraussetzungen für Bayer, die eigenen Offensivstärken gewinnbringend einsetzen zu können. Gastiert mit Borussia Mönchengladbach am Sonntag doch eine Mannschaft in der Bay-Arena, die mit ihrem Ballbesitzfußball den diametral entgegengesetzten Spielansatz von José Mourinhos AS Rom pflegt.

Es sei denn, dass Borussen-Trainer Daniel Farke sich am Donnerstagabend als Beobachter des Leverkusener Ausscheidens zu einem ganz anderen Ansatz hat inspirieren lassen. Das käme dann allerdings wirklich überraschend …

Stephan von Nocks

Bilder zur Partie Bayer Leverkusen gegen AS Rom