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Warnecke: "Es gibt immer eine Rückkopplung zwischen der Psyche und meiner Ernährung"

Arzt und Ex-Schwimmer über den Zusammenhang von Ernährung und Psyche

Warnecke: "Es gibt immer eine Rückkopplung zwischen der Psyche und meiner Ernährung"

Ernährt sich die Sportlerin automatisch gesünder und ist auch glücklicher?

Ernährt sich die Sportlerin automatisch gesünder und ist auch glücklicher? picture alliance / Zoonar

Es gibt unterschiedliche Studien, die nahelegen, dass unsere Ernährung Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat. Ist da was dran?

Eine gesunde Ernährung kann dazu beitragen, das Risiko für Depressionen, Angstzustände und andere psychische Erkrankungen zu reduzieren. Ein Grund dafür ist, dass eine gesunde Ernährung helfen kann, Entzündungen im Körper zu reduzieren, die im Zusammenhang mit vielen psychischen Erkrankungen stehen. Außerdem kann eine gesunde Ernährung dazu beitragen, den Stoffwechsel im Gehirn zu verbessern und auch dort die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin zu erhöhen, die für eine gute Stimmung und emotionale Stabilität wichtig sind.

Gilt das auch umgekehrt? Also beeinflusst die Psyche die Ernährung?

Ja. Ein gutes Beispiel dafür ist, wenn Menschen erzählen: 'Ich habe so viel abgenommen, weil ich Sport treibe!' Das stimmt aber nicht, weil die Psyche und dadurch dann das Verhalten dafür verantwortlich ist und nicht das, was ich im sportlichen Sinne tue.

Der Sport macht nicht primär schlank, sondern die Einstellung macht schlank. Das heißt also, wenn ich zum Sport gehe, kann ich vorher ja keine Currywurst mit Pommes und Majo essen, weil es schwer im Magen liegen würde, meine psychische Einstellung pro Sport macht mich sensibel für das Gefühl, Sport zu treiben mit schlechtem und falschem Essen.

Nach dem Sport habe ich auch keinen Hunger darauf, weil mir der Körper sagt, dass es nicht gut ist nach dem Training und ich mich danach schlecht fühlen würde. Weil ich gerade einen sportlichen Fokus habe, verzichte ich auf den Nachteil durch zum Beispiel zu fettes Essen. Alles ist mehr unbewusst. Alleine dieser Zusammenhang zeigt, wie eng Sport, Psyche und Ernährung zusammenhängen. Das befruchtet sich automatisch gegenseitig.

Dahinter steckt demnach eine Art Mindset. "Redet" unser Darm irgendwie mit unserem Gehirn?

Genau, beide kommunizieren miteinander. Wenn wir mal exemplarisch bei den Leuten nachfragen würden, die heute mehr Sport machen und viel abgenommen haben, da würde keiner sagen, dass er noch so wie früher isst. Da geht keiner mehr fahrlässig mit seiner Ernährung um und isst in der Mittagspause Pommes. Die würden sagen: 'Nein, kann ich jetzt nicht essen, weil ich geh' ja später zum Training und die liegen schwer im Magen.'

INFOS ZUR PERSON MARK WARNECKE

Das heißt, es gibt immer eine Rückkopplung zwischen dem emotionalen, der Psyche und meiner Ernährung. Es ist auch bekannt, dass ich besser drauf bin, wenn ich mich gut ernähre. Das Schlimme ist nur, dass ich bei schlechter Ernährung auch psychisch in einem Teufelskreis bin. Da kommen die Menschen schwerer wieder raus, neigen dazu, sich unwohler zu fühlen bis hin zu Depressionen.

Was kann eine Ernährungsumstellung also bewirken?

Jeder, der auf eine vegane Ernährung umstellt, wird dir sagen, dass er sich jetzt besser fühlt als vorher. Auch fast jeder der eine Fastenkur macht, sagt dir: 'Ich fühle mich besser als vorher.' Logisch ist das ja nicht, schließlich lässt du den Körper bei der Fastenkur fast verhungern. Dennoch fühlst du dich dabei besser. Das Gefühl, dass dir die Fastenkur guttut, gibt eine positive Rückkopplung, die dir sagt: 'Ich fühle mich stärker als vorher.' Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist das absolut unlogisch. Du führst keine Energie zu und fühlst dich trotzdem besser und stärker. Was ist da los? Genau das zeigt, wie eng da die Zusammenhänge sind und was die Seretoninausschüttung durch Fasten bewirken kann.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Begriff 'Neurotransmitter' genannt. Was ist das? Welche Rolle nehmen sie im menschlichen Körper ein?

Neurotransmitter sind Botenstoffe, die Informationen im Nervensystem weitergeben. Serotonin ist so ein Botenstoff und wird hauptsächlich im Gehirn produziert, aber auch im Magen-Darm-Trakt und anderen Geweben. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Stimmung, Schlaf, Appetit und vielen anderen körperlichen Funktionen spielt. Es gibt aber natürlich auch Botenstoffe, die aktivierend sind, wie das Adrenalin.

Auch der Begriff der "Probiotika" taucht beim Thema psychische Gesundheit und Ernährung immer wieder auf - zu Recht?

Mediziner Mark Warnecke.

Mediziner Mark Warnecke.

Tatsächlich wurde in Studien herausgefunden, dass bei Depressionen die normale Therapie, bei der Psychopharmaka verabreicht werden, mit Probiotika positiv unterstützt werden kann. Probiotika können tatsächlich die Darmflora und die Darmbakterien verbessern, um die Weiterleitung der Botenstoffe positiv zu beeinflussen. Wenn das hochdosiert angewendet und wieder abgesetzt wird, geht das wieder zurück. Sie können also bei der Behandlung von Depressionen positiv unterstützen. Allerdings handelt es sich bei Depressionen um eine sehr schwere Krankheit. Die Therapie kann durch Ernährung oder Probiotika niemals ersetzt werden.

Die industrielle Ernährung ist hingegen nicht unbedingt förderlich für eine gute Darmflora. Allerdings ist die Darmflora auch von Mensch zu Mensch unterschiedlich, nicht jeder benötigt deswegen Probiotika. Aber solche Beispiele zeigen, wie wichtig unser Darmmilieu ist, um die Neurotransmitter und die Signalübertragung positiv zu beeinflussen.

Immer mehr Profis machen ihre psychischen Probleme öffentlich. Sind sie vielleicht besonders anfällig?

Die Psyche und das körperliche Wohlbefinden sind bei Sportlern ganz entscheidend. Durch die hohe Stressbelastung und den Leistungsdruck im Sport - gerade im Profisport - sind die Leute sehr anfällig für depressive Verstimmungen. Umso mehr kann eine ausgewogene Ernährung einen spürbaren positiven Benefit für die Sportler haben - als kleiner Baustein zumindest.

Wir haben im Sport auch eine starke Ritualisierung, was Ernährung angeht. Spieler nehmen vor den Spielen häufig genau das gleiche Essen zu sich. Das psychische Wohlbefinden hängt zu einem großen Teil auch von der letzten Mahlzeit ab. Der Zusammenhang ist größer als vermutet.

Jetzt kann ich nicht den ganzen Tag probiotische Joghurts essen. Häufig wird die mediterrane Küche empfohlen. Gibt es dafür Gründe?

Die Küche ist für uns leicht verträglich und zudem durch die Zusammensetzung der Nährstoffe eine der gesündesten Ernährungsformen, die wir wählen können. Deswegen wird sie auch so oft empfohlen. Jeder der sich mediterran ernährt, weiß selbst, dass man sich niemals überfüllt fühlt. Wichtige Fette, viele Omega-3-Fettsäuren sind in der Ernährung genauso enthalten wie Ballaststoffe, Vitamine und Mikronährstoffe durch das viele Gemüse.

Was sind die Killer für eine gesunde Darmflora?

Alkohol ist immer schlecht. Alkohol ist ein Gift, das darf man nie vergessen. Ein absoluter Killer sind auch verarbeitete Wurstwaren mit ihrem hohen Nitrosamingehalt. Aber auch die industriell verarbeiteten Rohstoffe wie Weizenmehl sind nicht gut für eine ausgewogene Ernährung.

Wie sieht es mit Schokolade aus? Der Seelentröster schlechthin…

Das hängt mit dem Neurotransmitter Serotonin zusammen, dass es tatsächlich keine Einbildung ist. Schoki macht wirklich glücklich. Deswegen wird Schokolade bei Sportlern, die eine Diät machen müssen und gerne Süßes essen, trotzdem eingebaut, weil wir sonst ein positives Feedback klauen würden. Damit muss allerdings geschickt umgegangen werden.

TRANSPARENZHINWEIS
Der Olympia-Verlag kooperiert mit der Mark Warnecke GmbH und vertreibt u.a. Produkte über den kicker Shop.

Interview: Tobias Rudolf

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