Int. Fußball

Saudi-Arabiens Transferoffensive erklärt: War das erst der Anfang?

Fragen und Antworten vor dem Saisonstart

War das erst der Anfang? Saudi-Arabiens Transferoffensive erklärt

Bald Teil einer der umsatzstärksten Ligen der Welt? Von rechts: Sadio Mané, Matthias Jaissle und eine Anhängerin von Karim Benzema.

Bald Teil einer der umsatzstärksten Ligen der Welt? Von rechts: Sadio Mané, Matthias Jaissle und eine Anhängerin von Karim Benzema. imago images/Getty Images

Nicht die Premier League, sondern die Saudi Professional League sorgte in diesem Transfersommer für die spektakulärsten Schlagzeilen, weil sie mit viel Geld zahlreiche prominente Spieler und Trainer aus Europa in eine sportlich bisher völlig unbedeutende Liga lockte. An diesem Freitag beginnt die neue Saison unter ganz neuer medialer Aufmerksamkeit. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Woher rührt die saudi-arabische Transferoffensive?

Das Land hat ein milliardenschweres Regierungsprogramm aufgelegt, mit dem es sich unter anderem über den Sport Macht und Einfluss sichern und unabhängiger vom Öl machen will. Nach außen und nach innen soll das ob vieler Menschenrechtsverletzungen ramponierte Image aufpoliert werden - im Fußball auch über die Verpflichtung vieler weiterer Stars, nachdem Cristiano Ronaldo im Winter den Anfang gemacht hatte. Das Ziel ist, die Liga bis zum Jahr 2030 zu einer der zehn umsatzstärksten der Welt zu machen, und bald eine WM ins Land zu holen.

Wer ist alles nach Saudi-Arabien gewechselt?

Die prominentesten Transfers landeten bei fünf Klubs: Meister Al-Ittihad, Ronaldo-Klub Al-Nassr, der Rekordmeister Al-Hilal, der Vorjahressiebte Al-Ettifaq sowie Aufsteiger Al-Ahli. Eine Übersicht über die wichtigsten Verpflichtungen:

Welches Ziel verfolgt Saudi-Arabien?

alle Videos in der Übersicht

Al-Ittihad (Trainer Nuno Espirito Santo): Karim Benzema (Real Madrid), N'golo Kanté (Chelsea), Fabinho (Liverpool), Jota (Celtic)

Al-Nassr: Trainer Luis Castro (Botafogo/Brasilien), Marcelo Brozovic (Inter Mailand), Seko Fofana (RC Lens), Alex Telles (Manchester United), David Ospina (SSC Neapel), Sadio Mané (FC Bayern)

Die Saudi Professional League:

Al-Hilal: Trainer Jorge Jesus (Fenerbahce), Ruben Neves (Wolverhampton), Malcom (Zenit St. Petersburg), Sergej Milinkovic-Savic (Lazio Rom), Kalidou Koulibaly (Chelsea)

Al-Ettifaq: Trainer Steven Gerrard (zuletzt Aston Villa), Jordan Henderson (Liverpool), Moussa Dembelé (Olympique Lyon), Jack Hendry (Club Brügge)

Al-Ahli: Trainer Matthias Jaissle (RB Salzburg), Riyad Mahrez (Manchester City), Roberto Firmino (FC Liverpool), Edouard Mendy (FC Chelsea), Allan Saint-Maximin (Newcastle United), Franck Kessié (FC Barcelona)

Andere hatten trotz schwindelerregender Angebote andere Pläne. So lockten die Klubs unter anderem vergeblich Lionel Messi, Kylian Mbappé, Luka Modric, Diego Simeone oder José Mourinho.

Woher kommt das Geld für die Transfers?

Im Juni hatte der Staatsfond Public Investment Fund (PIF), der auch bei Premier-League-Klub Newcastle United das Sagen hat, mit jeweils 75 Prozent an Al-Ittihad, Al-Nassr, Al-Hilal und - wegen der großen Fanbasis - Al-Ahli übernommen und lässt die Klubs dank seiner schier unermesslichen Ressourcen prassen. Financial-Fairplay-Regeln gibt es dabei nicht zu beachten. Den anderen Klubs steht dem Vernehmen nach ein Topf des Sportministeriums zur Verfügung, um ebenfalls vereinzelte Millionentransfers zu tätigen. Das würde Al-Ettifaqs Vorgehen erklären.

Welche Transfers polarisierten besonders?

Viel Kritik musste sich insbesondere Liverpools Ex-Kapitän Henderson gefallen lassen, der sich jahrelang für die LGBTQ+-Bewegung starkgemacht hatte, nun aber letztlich von einer Regierung bezahlt wird, die Homosexualität tabuisiert und mit Haft oder gar der Todesstrafe bestraft. Dass mit Saint-Maximin ein Spieler von einem PIF-Klub zu einem anderen wechselt, sorgte ebenfalls für hochgezogene Augenbrauen. Und Jaissle - neben Ex-Bundesliga-Profi Robert Bauer (Al-Tai) einer von zwei Deutschen, die in die Liga wechselten - verließ Salzburg unmittelbar vor dem Saisonstart.

Neymar, Benzema und vier Deutsche: Die Sommerwechsel nach Saudi-Arabien

Welche Folgen hat die Offensive für Fußball-Europa?

Negative, aber auch positive. Einerseits erschwert die neue Konkurrenz die Arbeit auf dem Transfermarkt massiv, weil die Preise steigen und jederzeit wichtigen Spielern (oder dem Trainer) die Köpfe verdreht werden können. Andererseits dürften gerade in der Premier League die üppigen Ablösesummen für größtenteils verzichtbare Spieler mit Freude empfangen worden sein, um die Bücher zu entlasten.

Wie lange ist das Transferfenster noch offen?

Anders als bei der FIFA vermerkt, offenbar nicht bis zum 20., sondern bis zum 7. September. Das ändert aber nur bedingt etwas an der etwa von Liverpool-Trainer Jürgen Klopp hervorgebrachten Kritik, dass die Klubs in Europas Top-Ligen dadurch womöglich auch nach dem "Deadline Day" am 1. September noch Spieler verlieren, ohne Ersatz verpflichten zu können.

Gibt es eine Ausländerbeschränkung?

Ja. In der Saudi Pro League darf jeder Klubs acht ausländische Spieler registrieren. Vor der vergangenen Saison war diese Grenze von sieben auf acht gelockert worden. Entsprechend können die Klubs nicht unendlich viele Spieler aus anderen Ländern verpflichten - zumindest nicht, wenn diese dann auch spielen sollen.

Wie läuft die Liga ab? Und was ist sportlich zu erwarten?

Im Zuge der Offensive wurde sie von 16 auf 18 Teams aufgestockt. Es gibt demnach analog zur Bundesliga 34 Spieltage. Die letzten drei Teams steigen ab. Die neuen Spieler, vor allem aber die neuen Trainer dürften das Niveau deutlich heben, dafür sprechen auch die teils beachtlichen Ergebnisse in der Sommervorbereitung, etwas Al-Nassrs Remis gegen PSG (0:0) und Inter Mailand (1:1). Allerdings dürfte die ungleiche Verteilung der Millionen den Abstand innerhalb der Liga vergrößern. "Mein Auto ist eine kleine japanische Limousine, und man erwartet von mir, dass ich gegen Lamborghinis und Ferraris antrete", schimpfte etwa Al-Shababs scheidender Vereinschef Khalid Al-Baltan.

Wie nachhaltig ist das ganze Projekt?

Das ist noch schwer abzuschätzen, die europäische Elite sollte aber lieber nicht damit rechnen, dass es sich so schnell wieder in Luft auflöst wie einst Chinas Milliarden-Offensive. Das zeigen auch die anderen Sportarten, in die Saudi-Arabien bereits seit Jahren massiv investiert. "Es ist keine spontane Entscheidung", sagt Michael Emenalo, der Fußballdirektor der Saudi Pro League, "sondern gut durchdacht." Die in Saudi-Arabien erhoffte, in Europa gefürchtete Rechnung lautet: Je mehr Topspieler sich locken lassen, desto mehr Topspieler lassen sich locken. 

Jörn Petersen