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Von den Besten der Beste: "Hurrikan" Jairzinho wird 75

Ronaldos Entdecker: In jedem Spiel ein Tor

Von den Besten der Beste: "Hurrikan" Jairzinho wird 75

Mit Afro: Jairzinho bei der WM 1974 in Deutschland.

Mit Afro: Jairzinho bei der WM 1974 in Deutschland. imago images

Der wahrscheinlich berühmteste Fußball-Schnappschuss, den selbst ein halbes Jahrhundert später fast jeder Interessierte schon einmal irgendwo gesehen hat, ist eigentlich fehlerhaft. Zumindest, wenn man der Darstellung inhaltlich auf den Zahn fühlt.

Pelé bejubelt mit aufgerissenen Augen und geballter Faust seinen Führungstreffer im WM-Finale 1970 (4:1 gegen Italien). Der wohl größte Spieler der Fußballgeschichte erfindet sich in Mexiko neu, als Spielmacher aus der Tiefe wird "O Rei", der König, als einziger Spieler zum dritten Mal Weltmeister. Das berühmte Foto: Teil der endgültigen Krönungszeremonie. Jairzinho, der den König in die Höhe reckt, wird in dieser Szene beinahe zum Statisten degradiert.

Brasilien 1970: Ein Ensemble voller Stars

Dabei hätte es, wenn man aus jenem Schnappschuss mehr als nur das Einfangen eines Moments machen will, vielmehr anders herum sein müssen. Denn Pelé war zwar die Galionsfigur eines Starensembles, das mit ihm, Gerson, Rivelino und Tostao gleich über mehrere Weltklasse-Spielmacher verfügte - der sportlich herausragende Akteur war jedoch Rechtsaußen Jairzinho.

Auf dem Höhepunkt: Beim WM-Triumph 1970 ist Jairzinho Brasiliens eigentlicher Star.

Auf dem Höhepunkt: Beim WM-Triumph 1970 ist Jairzinho Brasiliens eigentlicher Star. Getty Images

Der "Hurrikan" spielte in der mittelamerikanischen Mittagshitze auf dem absoluten Höhepunkt seiner Schaffenskraft, malträtierte gegnerische Linksverteidiger regelrecht mit enger Ballführung, frechen Finten und einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Jairzinho gab im Sommer 1970 allerdings weit mehr als den Rechtsaußen.

Als bester Torschütze der Seleção traf der damals 25-Jährige als bis heute letzter Spieler in jedem einzelnen Spiel einer WM mindestens einmal, am Ende standen sieben Tore in sechs Spielen zu Buche - vom einzigen Treffer im Topspiel gegen Titelverteidiger England bis zur 3:1-Vorentscheidung im Endspiel im Aztekenstadion.

Ich war auf meinem Zenit, das Highlight meiner Karriere.

Jairzinho über seine Auftritte bei der WM 1970

Der Fußballzirkus strebt auch in der Außenbetrachtung stets nach Maximen. Als größte aller Bühnen wird die alle vier Jahre ausgetragene Weltmeisterschaft betitelt. Als beste WM überhaupt die erste in Mexiko, als beste Weltmeister-Mannschaft die Seleção von 1970. Und in dieser Mannschaft war Jairzinho der beste Spieler. "Ich war auf meinem Zenit, das Highlight meiner Karriere", erinnert sich die Nummer sieben.

Garrinchas Nachfolger: Jairzinho hält den Erwartungen stand

Bei Botafogo, einem der großen Rio-Klubs, hatte der talentierte Jairzinho als Jungspund Ende der 1950er-Jahre angefangen - bald wurde es zu seiner Mission, Ikone Garrincha langfristig zu ersetzen. Doch der athletische Tempomacher mit eingebauter Torgefahr musste warten, bis sein Idol im Verein wie in der Nationalmannschaft abdankte. Erst dann, als Jairzinho von der linken Außenbahn auf seine, zuvor aber eben Garrinchas rechte wechselte, erfolgte der große Durchbruch.

Im Weltpokal-Finale 1976 unterlag Cruzeiro (Foto vom Rückspiel in Brasilien) Franz Beckenbauers (l.) FC Bayern. imago images

Sein internationaler Stern ging bei der WM 1970 auf - und da bekanntlich so richtig. Als gefeierter Goalgetter des Weltmeisters wechselte Jair Ventura Filho nach der folgenden WM in Deutschland nach Europa.

Olympique Marseille kehrte der Brasilianer nach einem Jahr allerdings wieder den Rücken, zurück in der Heimat gewann er mit Cruzeiro Belo Horizonte 1976 die Copa Libertadores - ehe das Weltpokal-Finale im Münchener Schneetreiben an den FC Bayern ging.

Ronaldos Entdecker: Trainer bis jenseits der 70

Nach seiner aktiven Laufbahn wirkte Jairzinho als Jugendtrainer und Sozialarbeiter, förderte das Spiel auch auf dem asiatischen Kontinent. Zu Beginn der 2000er-Jahre fungierte er als Nationaltrainer Gabuns, während ein gewisser Ronaldo die Seleção im Stile eines Hurrikans zum fünften WM-Titel schoss.

Ronaldo hatte Jairzinho, der bis jenseits der 70 in unteren Ligen trainierte, als 14-Jährigen entdeckt, zu Cruzeiro gelotst - und dem Fußball damit endgültig seinen Stempel aufgedrückt.

Niklas Baumgart