Nationalelf

Vielfalt ja, aber nur, wenn es keinem wehtut

Kommentar zum Regenbogen-Verbot der UEFA

Vielfalt ja, aber nur, wenn es keinem wehtut

Die Münchner Arena am 11. Juli 2020 anlässlich des Christopher Street Day.

Die Münchner Arena am 11. Juli 2020 anlässlich des Christopher Street Day. Getty Images

Die UEFA hat am Dienstag eine Stellungnahme verschickt, die sinnbildlich dafür steht, wie sie für Vielfalt und Menschenrechte kämpft. Nach vielen blumigen Worten über ihre "zahlreichen" Kampagnen und Aktivitäten und ihren festen Entschluss, "ihren Teil zum positiven Wandel beizutragen", hätte man den entscheidenden Part fast überlesen: dass sie München verbietet, die EM-Arena bei Deutschlands Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten, um sich gegen ein homophobes Gesetz zu positionieren, das Ungarns Parlament in der Vorwoche beschlossen hatte.

Vielfalt und Menschenrechte ja, aber bitte nur, wenn es wirklich keinem wehtut.

Mit ihrem neuen Lieblingsjoker will sich die UEFA offenbar nicht anlegen

Weil diese Haltung wahrlich nicht neu ist, wird die UEFA mit ihrer Entscheidung niemanden überrascht haben. Eine Organisation, die ihre besten Wettbewerbe von fragwürdigen Sponsoren mitfinanzieren lässt, die kein Problem damit hat, Europapokal-Endspiele an Orten auszutragen, an die sich mancher Spieler nicht traut, will gewiss nicht in Konflikt mit einem Land geraten, dessen Hauptstadt ihr neuer Lieblingsjoker zu sein scheint.

Ob in der abgelaufenen Champions-League-Saison oder jetzt, da Wembley der Entzug des EM-Endspiels droht: Budapest steht immer dann bereit, wenn überall sonst in Europa Corona Probleme macht und Wettbewerb und Gelder der UEFA bedroht.

Der Gegenvorschlag der UEFA ist ein Witz

Man darf geteilter Meinung darüber sein, wie viel ein virtueller Regenbogen in München im Kampf gegen Homophobie wirklich bewirkt hätte, und doch ist das Signal der UEFA fatal, ihr Gegenvorschlag, das Stadion einfach an Tagen zu beleuchten, wenn die EM längst vorbei ist, ein Witz. Da hätte sie den Antragsstellern gleich empfehlen können, am Mittwoch gegen 21 Uhr lieber auf eine günstige Kombination aus Regen und Sonne zu hoffen.

Die UEFA will sich als "politisch und religiös neutrale Organisation" verstehen, definiert dafür aber ihre eigenen Regeln. Hinknien vor dem Anpfiff - na gut; Regenbogen-Kapitänsbinde - lassen wir mal durchgehen; Regenbogen-Stadion - lieber nicht.

Die UEFA hätte Möglichkeiten, um wirklich etwas zu bewirken

Nun ist es schon ein Fortschritt, dass sie inzwischen überhaupt gewisse Protestformen zulässt, anstatt wie früher gleich Ermittlungen aufzunehmen. Bis der UEFA aber irgendwer abnimmt, "ihren Teil zum positiven Wandel beizutragen", ist es noch ein deprimierend weiter Weg. Mit wirkungsvollen Auflagen und Sanktionen, mit Bildungsprogrammen an der Basis, mit entsprechender Besetzung ihrer mächtigen Gremien hätte sie dazu genügend Möglichkeiten. Doch um zu erleben, wie es ist, wenn sie verteidigt, was ihr wichtig ist, muss schon jemand versuchen, eine Super League zu gründen.

Was halten Sie von der UEFA-Entscheidung? Diskutieren Sie mit!

Jörn Petersen