kicker

Ungar im Gespräch: "In meinem Kopf war das Profidasein eigentlich schon vorbei"

Ried-Youngster überrascht

Ungar im Gespräch: "In meinem Kopf war das Profidasein eigentlich schon vorbei"

David Ungar hat sich bei der SV Ried durchgesetzt.

David Ungar hat sich bei der SV Ried durchgesetzt. GEPA pictures

Aufgrund von Verletzungsproblemen erhielten bei der SV Ried ursprünglich als Ergänzungsspieler eingeplante Profis die Chance, sich in der Bundesligamannschaft zu beweisen. Einige von ihnen nutzten diese Gelegenheit in der vergangenen Herbstsaison eindrucksvoll. Mit Mittelfeldass Michael Martin sowie den beiden Abwehrspielern Julian Turi und David Ungar konnten sich drei Akteure in der ersten Mannschaft festsetzen, die man vor Saisonbeginn nicht wirklich am Schirm hatte.

"Für uns war es sicher gut, dass wir unter dem Radar geflogen sind", meint Ungar im Gespräch mit dem kicker. "Uns hat niemand gekannt und dann haben wir bei Ried die Chance bekommen. Der Verein setzt sehr viel auf junge Spieler. Diese Chance haben wir genutzt, aber man braucht eben die Plattform, wo man diese Möglichkeit überhaupt bekommt."

Der 22-jährige Defensivspieler war bereits im Sommer 2021 vom SV Leobendorf ins Innviertel gewechselt, wurde in seiner ersten Saison aber direkt zum Floridsdorfer AC in die 2. Liga verliehen. Dort sammelte er zwar in 25 Partien einiges an Erfahrung und spielte mit der Mannschaft bis zum Schluss um den Aufstieg mit, seine Rolle als Rotationsspieler erfüllte Ungar aber nicht, wie er gesteht: "Sportlich war es nicht die beste Zeit für mich."

Über Rohrbach und Leobendorf zum Profidasein

Dennoch konnte er aus der für ihn ungewohnten Situation auch Positives ziehen: "Für mich stand im Vordergrund, dass ich mental und charakterlich stärker werde. Es war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich nicht viel gespielt habe. Ich war am Anfang auch immer extrem sauer und wütend, aber als Fußballer muss man da drüberstehen, beim Training immer das Beste geben und nicht viel darüber nachdenken, dass man vielleicht nicht spielt. Das war ein großer Lernprozess für mich und eine sehr wichtige Erfahrung vor meiner Zeit in Ried."

In meinem Kopf war das Profidasein am Ende der Akademie eigentlich schon vorbei.

David Ungar

Ungar nimmt ohnehin gerne alles mit, was er im Profibereich zu greifen bekommt, stand seine Karriere doch schon früh vor dem Aus. "In meinem Kopf war das Profidasein am Ende der Akademie eigentlich schon vorbei", so der 22-Jährige. "Ich war ja in St. Pölten und war in der U 18 wegen eines Knochenmarködems zwischen ein und eineinhalb Jahren verletzt. Da ich überhaupt keine Spielpraxis hatte, wollte mich auch kein Verein. Dann bin ich Gott sei dank bei Rohrbach gelandet, wo ich mit Dalibor Kovacevic einen Trainer hatte, durch den ich wieder das Vertrauen in den Fußball bekommen und Selbstvertrauen erlangt habe. Ich habe dort eine große Rolle gespielt und dadurch bin ich eigentlich wieder in den Genuss gekommen, Profi werden zu wollen. Danach habe ich in Leobendorf auch meinen aktuellen Manager Sertan Günes kennengelernt, der alles in die Wege geleitet hat, um mich noch zum Profi zu machen. Das hat glücklicherweise funktioniert."

Dass er vor zwei Jahren noch in der Regionalliga kickte und sich nun Stammspieler in der Bundesliga nennen darf, fühlt sich für Ungar immer noch etwas surreal an: "Ich habe nicht richtig Zeit gefunden, das zu realisieren, weil ich mich relativ schnell anpassen musste. Es ist aber schon ein Wahnsinn, noch zum Profi zu werden, wenn man bereits so an der Klippe gestanden ist. Das ist ein schönes Gefühl. Vor allem, wenn die Familie zuschauen kommt, wenn man wie gegen Rapid vor 15.000 Menschen spielt. Das ist schon etwas Besonderes und da freut man sich auch, die Familie stolz zu machen und seinen Kindheitstraum zu leben. Obwohl es eigentlich schon fast vorbei war und mir viele Steine in den Weg gelegt wurden."

Stabile Defensive in Ried

Vor allem, da es nach seiner Leihe in Wien nicht fix war, ob er in Ried überhaupt noch eine Chance erhalten würde. "Ich war mir nicht sicher, was mich in Ried nach der durchwachsenen Saison beim FAC erwarten würde, aber ich habe dann mein Bestes in der Vorbereitung gegeben und mir das erarbeitet", so der Defensivprofi. Die Entscheidung der Oberösterreicher sollte sich als richtig herausstellen, unter Cheftrainer Christian Heinle absolvierte er bislang 15 von 16 Bundesligapartien und stand in allen drei ÖFB-Cup-Matches auf dem Platz. "Es ist alles sehr schnell gegangen", gesteht Ungar.

Premiere bei der WM: Die Vorläufer des Oranje-Debütanten Andries Noppert

"Mein Aufstieg war auch sehr durch Zufälle geprägt, weil sich viele Spieler zu Saisonbeginn verletzt hatten und ich dann als Rechtsverteidiger auf einer Position angefangen habe, auf der ich davor eigentlich nie gespielt habe. Ich habe aber das Vertrauen von der Mannschaft und vom Trainer erhalten und habe es bisher auch nicht so schlecht gemacht", so Ungar.

Mittlerweile ist Ungar in die Zentrale gerückt und bildet meist mit Julian Turi und Abwehrchef Tin Plavotic mit einem Altersdurchschnitt von 22,6 Jahren eine äußert junge Dreierkette, die funktioniert. Mit 24 Gegentoren erhielt Ried in der laufenden Saison die fünftwenigsten aller Teams. Woran das liegt? "Wir sind alle drei Wiener und verstehen uns einfach sehr gut. Da herrscht auch außerhalb des Platzes eine sehr gute Chemie zwischen uns. Der Tin ist ein wenig der Abwehrchef, der den Julian und mich unter Kontrolle hat. Wir drei funktionieren recht gut miteinander", erklärt Ungar die gute Zusammenarbeit mit seinen Kollegen.

Warnung vor Sport-Club im ÖFB-Cup

Ungar kommt dabei auch seine Flexibilität zugute, spielte er in dieser Saison doch schon als Innen-, Links- und Rechtsverteidiger und kam zudem - wie schon beim FAC - im defensiven Mittelfeld zum Einsatz. "Ich habe schon auf sehr vielen Positionen gespielt. Ich bin sehr flexibel. Ich habe einfach immer mein Bestes gegeben und meinen Job, glaube ich, nicht so schlecht erledigt. Generell fühle ich mich dort wohl, wo ich aufgestellt werde. Hauptsache, ich stehe am Feld“, lacht der 22-jährige Allrounder der Rieder, für den mit seinem Team nach der langen Winterpause im Frühjahr als Pflichtspielauftakt das ÖFB-Cup-Viertelfinale gegen den Wiener Sport-Club ansteht.

Wir haben zusätzlichen Druck, dort gewinnen zu müssen, weil wir als Bundesligist natürlich Favorit sind.

David Ungar über das Cup-Viertelfinale

Auch wenn man am Papier den womöglich leichtesten Gegner erwischt hat, weiß Ungar aus eigener Erfahrung, dass man den Regionalligisten aus der Bundeshauptstadt keinesfalls unterschätzen darf: "Das wird überhaupt nicht leicht. Ich war selbst in der Sport-Club-Jugend und schon öfters im Stadion auf der Friedhofstribüne. Das ist schon ein super Verein, wo es definitiv nicht leicht wird, zu gewinnen. Man hat beim Austria-Spiel gesehen, wie schwer sie zu bespielen sind. Vor allem mit den Fans herrscht dort eine eigene Atmosphäre und wir haben zusätzlichen Druck, dort gewinnen zu müssen, weil wir als Bundesligist natürlich Favorit sind. Ich freue mich aber sehr auf dieses Spiel und es ist auch eine gute Probe vor dem ersten Ligaspiel. Unser Ziel ist zu 100 Prozent, ins Halbfinale aufzusteigen."

Und sollte der Aufstieg gelingen, würde Ungar das nächste Kapitel seiner eigenen unerwarteten Erfolgsgeschichte schreiben.

Maximilian Augustin