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Thomas Janeschitz: "Die Alaba-Diskussion hat es bei uns nie gegeben"

Sein Förderer zum 100. Länderspiel David Alabas

Thomas Janeschitz: "Die Alaba-Diskussion hat es bei uns nie gegeben"

David Alaba, dahinter sein Förderer Thomas Janeschitz.

David Alaba, dahinter sein Förderer Thomas Janeschitz. GEPA pictures

Herr Janeschitz, Sie sind der Trainer, unter dem David Alaba mit nicht einmal 16 Jahren sein Profidebüt gefeiert hat. Wie alt war er, als Sie ihn kennengelernt haben?

Gekannt habe ich schon von der Akademie in Hollabrunn, aber da war er nicht in meinem Jahrgang, da war ich Trainer bei den Älteren, bei den Schickers und Ulmers. Mit dem David gearbeitet habe ich erst, als ich ihn mit 15 aus der Akademie zu den Austria Amateuren geholt habe. Ein paar Monate, er war ja dann auch schnell wieder weg.

EM-Qualifikation

Am 18. April 2008 haben Sie ihn erstmals in der 2. Liga eingesetzt. Mussten Sie arrivierteren Spielern wie Harald Suchard oder Philipp Netzer erklären, warum Sie einen 15-Jährigen aufstellen?

Erklären muss man das gar nicht. Erklärt hat er sich selbst. Aufgrund seiner Leistungen, die er im Training gezeigt hat. Debüt mit 15 ist schon sehr, sehr früh, aber bei David habe ich nie Bedenken gehabt, weil er mental und körperlich einfach so weit war, dass er in der 2. Liga spielen konnte. Ich stelle immer die Spieler auf, von denen ich glaube, dass ich mit ihnen das Spiel gewinne.

Das Spiel ging gegen die RB Juniors 1:3 verloren, danach musste David zwei Spiele pausieren, bis er in den letzten vier Saisonspielen wieder zum Einsatz kam. Erinnern Sie sich an seine Leistung?

Ich weiß noch, dass er es sehr, sehr gut gemacht hat, ganz ohne Nervosität. Es war für ihn selbstverständlich, weil er einfach gerne Fußball gespielt hat. Bei Dragovic, der um ein Jahr älter ist, war das ähnlich. Wir haben später im Nationalteam oft darüber geredet, wie spannend die Zeit für sie war, über ihren ersten Profivertrag und die damals lächerlichen Summen.

Im Tor stand damals Bartolomej Kuru, der vor ein paar Monaten mit Wettbetrügereien für Schlagzeilen gesorgt hat.

Das ist ja das Spannende, wie unterschiedlich Karrieren verlaufen können. Der Bertl war damals ein junger, talentierter Tormann, wenn dann so etwas passiert, ist das für einen Trainer immer enttäuschend, weil es schon das Schlimmste ist, was du im Fußball machen kannst. Aber aus der Ferne kann ich das gar nicht beurteilen und schon gar nicht verurteilen, weil ich die näheren Umstände nicht kenne. Es gibt immer Gründe, ein Umfeld, beeinflussende Leute, aber enttäuschend bleibt es dennoch.

Diese Dinge werden aus der Ferne diagnostiziert von Leuten, die keinen wirklichen Einblick auf die tägliche Arbeit haben und meist noch aus irgendwelchen Eigeninteressen handeln.

Thomas Janeschitz über die Diskussionen über David Alabas Position

Die Frage, auf welcher Position David Alaba am besten ist, begleitet ihn schon seine ganze Karriere. Damals auch schon?

Bei den Austria Amateuren hatten wir mit Andi Ulmer und Markus Suttner sogar zwei starke Linksverteidiger, also hat David weiter vorne gespielt. Im Nationalteam zwar schnell klar, dass wir ihn zentral im Mittelfeld einsetzen, weil die Position des linken Verteidigers mit dem Kapitän besetzt war und der "Fuchsl" damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere war. Marcel Koller und ich waren der Meinung, dass David uns im Mittelfeld am meisten hilft. Die Zahlen haben das ja auch belegt, die Scorerpunkte die er vor allem im Zusammenspiel mit Marko Arnautovic gemacht hat, waren ja nicht so schlecht.

Dennoch gab es die Diskussion, warum der vielleicht beste Linksverteidiger der Welt nicht auf seiner angestammten Position eingesetzt wird. Gab es nie den Punkt, an dem man gesehen hat, dass ihm die Spielpraxis im Mittelfeld abgeht?

Nein. Die Diskussion hat es bei uns nie gegeben. Nicht unter uns Trainern, nicht in der Mannschaft, nicht mit ihm selbst. Diese Dinge werden aus der Ferne diagnostiziert von Leuten, die keinen wirklichen Einblick auf die tägliche Arbeit haben und meist noch aus irgendwelchen Eigeninteressen handeln. Wir sind konsequent unseren Weg gegangen. Und der war ja nicht ganz unerfolgreich. Das ist für mich der größte Beweis, dass unsere Einschätzung schon gestimmt hat.

Hat es Sie überrascht, dass er mit seinen 180 cm Körpergröße auch Innenverteidiger bei Real Madrid spielen kann?

Überhaupt nicht, weil er aufgrund seiner Spielintelligenz einer ist, der alles spielen kann. Wenn man sich dann noch anschaut, dass er für Vereine spielt, die bis zu 70, 80 Prozent Ballbesitz haben, dann ist es schon verständlich, dass diese Klubs einen Spieler hinten haben wollen, der auch kicken kann. Und was das Kopfballspiel betrifft, so ist David vielleicht nicht überragend, aber auch kein Blinder. Vielleicht ist es ihm in seiner Karriere auch ein bisschen zugute gekommen, dass wir die Spieler bei der Austria damals auf allen Positionen ausgebildet haben. Dazu kann man stehen, wie man will, aber mit dem taktischen Verständnis, das sich David da aneignen konnte, war er gut gewappnet.

Nach der verpatzten EURO 2016 ist viel Kritik auf David eingeprasselt. Mussten Sie ihm in dieser Zeit Unterstützung geben?

Für uns und für ihn war das überhaupt nicht belastend. Das ist von Leuten gekommen, die nicht beurteilen können, wie eng es bei einer EURO ist, wie eng es für Österreich immer sein wird. Da ist es dann eben entscheidend, ob gegen Ungarn der Ball reinfällt oder nicht. Oder ob im entscheidenden Spiel gegen Island der Elfer sitzt oder nicht. Die Meinungen der Öffentlichkeit drehen sich mit den Ergebnissen. Wir waren auch in der folgenden WM-Qualifikation nicht viel schlechter als bei der EM-Quali davor, aber man muss die Ergebnisse auch immer realistisch einschätzen. Das ist so wie jetzt in Dornbirn: Wir haben als Abstiegskandidat Nummer eins überraschend die Liga gehalten. Von der Entwicklung her hätten wir aber auch nicht schlechter gearbeitet, wenn wir abgestiegen wären.

David Alaba und die jüngsten Spieler im Hunderter-Klub

Bei Interviews ist er immer zurückhaltend. Unlängst hat sogar Martin Hinteregger gemeint: "Alaba sagt seit zehn Jahren das gleiche." Ist er in der Kabine lauter?

Das hat er sicher bei den Bayern gelernt, dass es oft besser ist, nichts zu sagen. Man weiß ja, was erst abgeht, wenn er etwas sagen würde. Ich glaube, so wie er dasteht, hat er vieles richtig gemacht. Und Zurufe über andere halte ich für eher entbehrlich, es gibt einfach unterschiedliche Typen. In der Kabine hat sein Wort Gewicht. In meiner Zeit beim Nationalteam hat er ja noch zu den Jüngeren gehört, da gab es etwa mit Janko, Junuzovic auch noch Gestandenere, die die Führungsrolle innegehabt haben. Aber nach der EURO ist er schon in die Führungsposition geschlüpft. Für mich nicht überraschend, hat im übrigen auch Marko Arnautovic dann eine Rolle als Führungsspieler beansprucht, der wird diesbezüglich oft unterschätzt. Die zwei haben die Führungsrolle von den Älteren übernommen, wie es im Fußball auch normal ist.

David Alaba war mit Rubin Okotie einer der ersten schwarzen Nationalspieler dieser Generation. Zuletzt waren es mit ihm, Danso, Mwene, Adamu und Onisiwo sogar fünf. Ist er auch so etwas wie ein Role Model?

Ich glaube, er ist ein Role Model für alle Fußballer in Österreich, aber sicher auch, was dieses Thema betrifft. Unsere Gesellschaft hat sich verändert, deshalb sind schwarze Spieler heute präsenter als noch vor ein paar Jahren. Gerade der Sport hat mit seinem verbindenden Charakter da eine große Vorbildwirkung.

Ist Ihnen in Ihrer Trainerlaufbahn noch einmal ein Spieler wie Alaba untergekommen?

Schwierige Frage, es gibt schon noch einige Spieler, die sich gut entwickelt haben. Marcel Sabitzer, der bei Manchester United oder Bayern München spielt, ist so einer. Aber wenn wir von Davids Weltkarriere, seinen unzähligen Titeln, reden, ist er schon einzigartig. Bei ihm hat einfach alles zusammengepasst - die Familie, das Umfeld, seine Körperlichkeit, das Ausbleiben von schweren Verletzungen. Großes fußballerisches Talent hatten andere sicher auch, aber da haben dann irgendwelche Dinge gefehlt. Bei David hat jeder Karriereschritt gepasst, die Trainer, die er hatte, der Zeitpunkt, zu dem er nach Hoffenheim verliehen wurde. In Punkten, in denen viel schief gehen kann, hat er einfach alles richtig gemacht. Und mit dem Wechsel zu Real hat er noch einmal unterstrichen, dass er einfach bei Klubs solcher Größenordnung erfolgreich sein kann.

Zum Abschluss: Wie gefällt Ihnen die Entwicklung unter Ralf Rangnick in Hinblick auf die EURO 2024?

Mit Österreich wird es immer schwierig sein, sich für eine EM oder WM zu qualifizieren. Aber ich verfolge das sehr wohlwollend und bin froh, sieben Jahre lang an der Entwicklung beteiligt gewesen zu sein. Ich wünsche dem Nationalteam, dem ja immer noch Spieler aus meiner Zeit angehören und Betreuer, die meine Freunde sind, nur das Beste. Ralf macht eine gute Arbeit, das ist am besten daran zu erkennen, wie die Mannschaft seine Ideen aufnimmt.

Interview: Horst Hötsch