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"Sudden Death": Hat die NFL unfaire Overtime-Regularien?

Chiefs schalten Bills in der Verlängerung direkt aus

"Sudden Death" für Buffalo: Hat die NFL unfaire Overtime-Regularien?

Zauberte ganz groß auf, verlor aber den "Münzwurf" und damit am Ende das Spiel: Bills-Star Josh Allen.

Zauberte ganz groß auf, verlor aber den "Münzwurf" und damit am Ende das Spiel: Bills-Star Josh Allen. Getty Images

US-Medien, Spieler und natürlich auch Fans haben in den letzten Stunden wieder lautstark ihre Stimme erhoben und die Regelhüter bei der National Football League aufgefordert, endlich einen Schlussstrich unter das bisherige Prozedere zu ziehen.

Aktuell sieht die Regel so aus: Herrscht nach den 60 Minuten regulärer Football-Spielzeit Gleichstand, geht es in eine zehnminütige Verlängerung. Hier wird via Münzwurf entschieden, welches Team zuerst angreifen darf. Nun die Krux: Sollte jene Mannschaft direkt mit diesem ersten Drive zu einem Touchdown kommen, ist das Match zu Ende und der Verlierer muss gehen, ohne auch nur einmal den Ball in der Overtime gehabt zu haben. Nur bei keinen Punkten oder einem Field Goal geht es weiter.

Allen nüchtern: "Sie hatten ein Play mehr als wir"

Zu jener Krux kam es der Nacht von Sonntag auf Montag beim atemberaubenden Schlagabtausch zwischen Chiefs und Bills. Sowohl Kansas City um Patrick Mahomes als auch Buffalo um Josh Allen warfen sich die Touchdowns nur so um die Ohren, allein innerhalb der finalen 114 Sekunden gab es drei Führungswechsel plus den späten 36:36-Ausgleich. Doch dann machten die Bills den "Fehler" und verloren den Münzwurf. "Sensenmann" Mahomes bedankte sich mit einem Touchdown-Pass auf Travis Kelce.

Oder, wie es der mit 329 Passing Yards, 68 Rushing Yards und vier Touchdown-Pässen überragende Bills-Star Allen im Anschluss formulierte: "Sie hatten ein Play mehr als wir. Darauf kam es letztlich an." Damit traf der Spielmacher den Nagel auf den Kopf.

Dabei besagt die Overtime-Regel der NFL zunächst offiziell: "Jedes Team muss in Ballbesitz kommen oder die Möglichkeit haben, in Ballbesitz zu kommen." Doch dann kommt Folgendes hinterhergeschoben: "Ausnahme: wenn das Team, das als erstes das "Ei" bekommt, im ersten Drive einen Touchdown erzielt." Und genau dieser Zusatz stört viele, etwa den langjährigen Tight End Greg Olsen (Bears, Panthers, Seahawks). Dieser schrieb auf Twitter: "In einem Spiel, in dem am Ende kein Team das andere aufhalten konnte, entscheidet der Münzwurf."

Die Statistik untermauert diesen Eindruck: Seit die Regel intakt ist - 2010 (Play-offs) beziehungsweise seit 2012 (Regular Season), hat es 163 Overtime-Spiele in der Regular Season gegeben - mit einer Bilanz von 86:67:10 für das Team, das den Münzwurf gewonnen hat. In der Endrunde sieht es gar noch deutlicher aus: In bislang elf Partien mit Verlängerung siegte zehnmal die Mannschaft, die als erstes an den Ball kam (siebenmal davon mit einem direkten Touchdown beim eröffnenden Drive). Der einzige Verlierer in diesem Play-off-Szenario waren die Saints 2018 gegen die Rams.

Frische Ansätze und ein kurioser Fall

Dass es auch anders geht, zeigt sich etwa im College Football in den USA. Dort kommen beide Mannschaften jeweils an der gegnerischen 25-Yard-Linie in Ballbesitz. Steht es danach noch immer unentschieden, bekommt jede Mannschaft ein zweites Mal den Ball. Ab der fünften Overtime muss auf jeden Touchdown eine Two-Point Conversion folgen. Es besteht also in diesem Fall absolute Chancengleichheit.

Patrick Mahomes

Schied im AFC-Finale 2019 auf genau die Overtime-Weise aus, wie er nun gegen Buffalo gewann: Patrick Mahomes. imago/UPI Photo

Zudem brachten die Baltimore Ravens erst im März 2021 eine ganz neue Idee auf: Nach dem Vorschlag des Teams aus der AFC North würde die Verlängerung im Sudden-Death-Modus mit zehn Minuten nach "Spot and Choose" stattfinden. Ein Team würde also das "Ei" auf eine Stelle platzieren - und die andere entscheidet, ob von hier mit der Offense oder der Defense gespielt wird. Ein zweiter Vorschlag sieht vor, dass das Spiel nur für sieben Minuten und 30 Sekunden fortgesetzt wird - und das Team, das am Ende der Nachspielzeit in Führung liegt, zum Sieger erklärt wird. Doch wie bei allen offiziellen Vorschlägen müssen 23 der 32 Teams zustimmen, damit eine solche Regel umgesetzt werden kann.

Und hier wird es auch bezüglich Chiefs vs. Bills interessant: Denn nachdem Kansas City 2018/19 auf dramatische Weise das AFC-Finale mit 31:37 gegen den späten Super-Bowl-Champion New Engand um Tom Brady ebenfalls in der Overtime durch einen direkten Touchdown der Patriots verloren hatte, schlug es eine Anpassung der Regeln vor. Doch viele Team lehnten ab - darunter Buffalo.

Immerhin hatte Chiefs-Star Mahomes noch eine nette Geste parat: Direkt nach seinem entscheidenden Touchdown-Pass auf Tight End Kelce schloss sich der Quarterback nicht direkt den Feierlichkeiten an. Der Super-Bowl-Sieger von 2019/20 lief sofort zum traurigen Allen.

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