3. Liga

Elversberg-Coach Steffen: "Das hier ist kein Zufallsprodukt"

Elversbergs Erfolgstrainer über den nahenden Durchmarsch

Steffen im Interview: "Das hier ist kein Zufallsprodukt"

Führt mit der SV Elversberg die 3. Liga an: Horst Steffen.

Führt mit der SV Elversberg die 3. Liga an: Horst Steffen. IMAGO/Eibner

Für Uerdingen, Gladbach und Duisburg bestritt er 207 Bundesliga-Spiele. Als Coach zeichnete Horst Steffen für die Stuttgarter Kickers, Münster und Chemnitz verantwortlich, ehe er 2018 die SVE übernahm. Nun steht er vor dem größten Erfolg seiner Trainer-Laufbahn. Trotz der zweiten Niederlage in Folge am Samstag gegen Aue hat der Liga-Primus noch sieben Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, zudem das Nachholspiel an diesem Dienstag (19 Uhr, LIVE! bei kicker) beim MSV Duisburg in der Hinterhand.

kicker: Herr Steffen, wie ist Ihre Gefühlslage und die der Mannschaft?

Horst Steffen: Die ist gut. Wir freuen uns, dass wir jetzt noch mal zeigen können, was wir draufhaben. Dass diese Phase der Saison etwas spannender ist als eine Anfangsphase, ist normal. Ich sehe bei den Jungs aber ein ganz normales Verhalten, wie im vergangenen Sommer oder Herbst auch.

Als Aufsteiger steht Elversberg seit Monaten ganz oben. Haben Sie sich daran gewöhnt, oder kommt Ihnen dies manchmal noch surreal vor?

Wenn man reflektiert, muss man sagen: Es ist eine große Überraschung, dass das so läuft! Aber wir hatten jetzt ja genügend Vorlaufzeit, in der wir uns damit beschäftigt haben. Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, gibt es her, dass wir sagen können: Wir sind zu Recht da oben. Das hier ist kein Zufallsprodukt.

Da braucht sich keiner bei jemandem auszuweinen, wenn ihm etwas nicht gefällt.

Horst Steffen

Was sind die ausschlaggebenden Punkte, dass Elversberg bislang eine so überragende Saison spielt?

Da Sport sehr komplex ist, ist es immer schwierig, dies auf ein paar Dinge runterzubrechen. Unser Vorstand und unsere Führung strahlen eine große Ruhe aus, lassen uns in Ruhe arbeiten. Dazu haben wir ein Budget, das es uns ermöglicht hat, gute Spieler zu verpflichten. Und dass ich mit Sportdirektor Ole Book schon länger arbeiten darf, ist auch ein Aspekt. Dadurch wissen die Jungs, dass eine gestandene Führungsstruktur da ist. Da braucht sich keiner bei jemandem auszuweinen, wenn ihm etwas nicht gefällt. Das funktioniert hier nicht.

Starker Saisonstart als Erfolgsgrundlage: "Das gab uns den Glauben"

Welche Rolle haben dabei die Spieler?

Die leisten eine tolle Arbeit. Die Auswahl, die wir getroffen haben, ist sehr gut - auch mit den Ergänzungen, die wir im Sommer geholt haben. Dazu verstehen sich die Jungs sehr gut, was wirklich nicht nur eine Floskel ist. Sie mögen sich, auch die Zugänge waren so schnell integriert wie selten im Mannschaftssport. Die Jungs wollen alle spielen und sich verbessern, aber dass sie gegen einen Mitspieler arbeiten, das gibt es hier nicht.

Und der erfolgreiche Start in die neue Liga tat bestimmt sein Übriges?

Wir hatten einen super Auftakt mit dem 5:1-Sieg bei Mitaufsteiger Essen und dem 4:3 im Pokal gegen Leverkusen. Am 3. Spieltag haben wir dann in den letzten Minuten aus einem 1:2 in Oldenburg noch einen 3:2-Sieg gemacht. Das gab uns den Glauben, dass wir weiter überraschen können.

Und taktisch?

Die anderen Klubs haben uns als Überraschungsaufsteiger gesehen und ihren Spielstil durchgezogen, sodass wir dafür gute Lösungen erarbeiten konnten. Im neuen Jahr haben sich dann viele Gegner etwas anders angestellt… Trotzdem haben wir noch viele Spiele gewonnen, wenn es auch nicht mehr ganz so phänomenal wie in der Hinrunde läuft.

Die für einen Aufsteiger untypische Offensiv-Ausrichtung war schon in der Regionalliga Ihr Markenzeichen. Wann ist die Entscheidung gereift, auch eine Liga höher so spielen zu wollen?

Es ist schon eine Grundsatz-Idee von mir, offensiven Fußball spielen zu lassen. Die Leute kommen ja ins Stadion wegen spektakulärer Dinge und Torraumszenen. Wir haben so viel Angst in der Welt, die sollten wir nicht präsentieren. Stattdessen sollten wir unseren Mut präsentieren, forsch sein. Dabei dürfen wir aber natürlich nicht dumm agieren.

Steffen über den Fan-Zuspruch: "Zeigt mir, dass die Mannschaft etwas erreicht hat"

Was meinen Sie damit?

Es gibt immer Phasen, in denen man verteidigen und tief stehen muss, weil man am Ende ein gutes Ergebnis haben muss. Aber wenn wir entscheiden können, welche Art wir wählen, wird das immer Kombinationsfußball sein, der Spielfreude transportiert.

Die SVE hat einen Schnitt von gut 5000 Zuschauern. Vor wenigen Jahren gab es noch Spiele mit weniger als 500. Auch dies muss Freude machen.

Ja, natürlich. Das ist eine Resonanz, die mich und den gesamten Klub sehr freut. Das erfreut auch den Vorstand und die Geschäftsstellen-Mitarbeiter, die seit Jahren daran arbeiten, dass der Klub wahrgenommen wird. Dass wir gegen Viktoria Köln über 6000 Zuschauer hatten, von denen nicht viele aus Köln dabei waren, zeigt mir, dass die Mannschaft etwas erreicht hat und das im Saarland angekommen ist.

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Als Sie 2018 unterschrieben, hatte der Klub gerade mehrmals die Rückkehr in die 3. Liga verpasst, lag in der Regionalliga auf Rang 11. Warum haben Sie sich für die SVE entschieden?

Ich hatte mit der Vereinsführung ein Gespräch in einer Form, in der ich hier nun schon viele Gespräche führen durfte. Für mich kam nur ein Klub infrage, der ein Fundament hat - und hier hatte ich sehr schnell das Gefühl, dass das so ist. Die Idee, dass es in die 3. Liga gehen soll, kam glaubhaft an.

Sie sind seit viereinhalb Jahren im Amt, haben im Januar bis 2026 verlängert. Können Sie sich vorstellen, der Christian Streich von Elversberg zu werden?

(lacht) Das kann ich mir gut vorstellen. Es ist hier in keinster Weise langweilig. Daran beteiligt zu sein, wie ein Verein sich weiterentwickelt, wächst und immer größer wird, ist schon etwas ganz Besonderes. Ich habe hier stets das Vertrauen der Vereinsführung gespürt, auch in Phasen in denen es mal nicht gelaufen ist.

Ich möchte es den Spielern nicht antun, über die Maßen Ehrgeiz zu verlangen.

Horst Steffen

Sie haben von 1988 bis 2000 als Profi Bundesliga, bis 2003 noch 2. Liga gespielt. Wie war die Zeit im Rückblick?

Es war eine tolle Zeit, die hat mir viel gegeben. Ich war zwar oft verletzt, bin aber drangeblieben, weil es mir einfach so viel Spaß gemacht hat, dieses Spiel zu spielen. Ich dachte: Hier gehörst du hin, und du musst alles dafür tun, dass du das hier so lange wie möglich machen kannst.

Was haben Sie für Ihre Trainertätigkeit mitgenommen?

Es war immer eine große Freude, aber auch verbunden mit einem Druck, den ich mir selber machte, weil ich den Ehrgeiz hatte, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Das war manchmal über die Maße - und hat vielleicht dazu geführt, dass ich mehr Verletzungen bekam, als wenn ich etwas entspannter geblieben wäre. Das habe ich in den Trainer-Bereich mitgenommen: Ich möchte es den Spielern nicht antun, diesen Druck auszuüben und über die Maßen Ehrgeiz zu verlangen. Wir wollen alle unser Bestes geben - das ist unser Anspruch. Aber das geschieht in einer vernünftigen Atmosphäre.

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