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Sosa-Affäre: Beck springt Mislintat zur Seite

Die heikle Frage nach dem Mandat

Sosa-Affäre: Beck springt Mislintat zur Seite

VfB-Trainingslager in Marbella, Januar 2020: Arthur Beck (li.) mit Sven Mislintat.

VfB-Trainingslager in Marbella, Januar 2020: Arthur Beck (li.) mit Sven Mislintat. imago images/Sportfoto Rudel

Wie lief der Transfer Borna Sosas vom VfB Stuttgart zu Ajax Amsterdam wirklich ab? Mit dieser heiklen Frage befassen sich mittlerweile die beiden betroffenen Klubs. Ajax, wo Sportchef Sven Mislintat in der Sache ein Interessenkonflikt vorgeworfen wird. Und der VfB, der am Mittwochabend bestätigte, "aus gegebenem Anlass die betroffenen Transferaktivitäten" durchleuchten zu wollen. Das klingt, als würden sich die Verantwortlichen der Schwaben alle Spieler-Verpflichtungen des zwischen April 2019 und Dezember 2022 amtierenden Sportdirektors Mislintat ansehen, in die die Beratungsagentur AKA Global GmbH eingebunden war.

Der Vorwurf aus den Niederlanden: AKA ist wie Mislintat mittlerweile an dem von dem 50-Jährigen selbst mitbegründeten Analyseunternehmen Matchmetrics GmbH beteiligt. Zudem steht der Verdacht im Raum, Mislintat habe den Sosa-Deal unbedingt mit dem Berater Arthur Beck, Mit-Eigner von AKA Global, durchziehen wollen. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Beck reagierte bisher nicht auf eine Gesprächsanfrage, Mislintat möchte sich bis zum Abschluss der Untersuchung nicht offiziell äußern.

Gegenüber "Voetbal International" ("VI") aber verteidigt der Agent nun Mislintat: "Dass der Transfer nur mit mir als Berater zustande kommen konnte, ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe." Laut dem niederländischen Blatt "De Telegraaf" jedoch soll dies aus einem WhatsApp-Verlauf zwischen Sosa und dem Berater Thies Bliemeister von der Stellar-Gruppe, die den Kroaten zuvor vertrat, hervorgehen. Auf eine kicker-Anfrage dazu hat die Stellar-Gruppe bislang noch nicht reagiert.

Drängte gar nicht Mislintat auf die Sosa-Verpflichtung?

Beck sprach bei "VI" von Vermutungen: "Ich kenne Borna seit Langem und war einer von mehreren Agenten, die für ihn tätig waren. Ich durfte im Namen des Spielers mit mehreren Vereinen sprechen, darunter auch Ajax. Ein paar Wochen zuvor habe ich ihn Ajax angeboten. Ich habe darauf hingewiesen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt und dass, wenn Sven ihn haben will, die Dinge schnell erledigt werden müssen." Der Bruder des ehemaligen deutschen Nationalspielers Andreas Beck erklärt, dass Ajax-Trainer Maurice Stejn auf die rund acht Millionen Euro teure Sosa-Verpflichtung gedrängt habe am letzten Tag der Transferperiode und eben nicht Mislintat. "Es ist eine Lüge, dass ich ein Mandat von Ajax für die Transfers von Eduard Spertsyan (an dem Ajax auch interessiert war, d. Red.) und Borna Sosa erhalten habe. Nicht von Ajax und auch nicht von Sven."

Mandatierungen von Klubs an Berater, um Transfers einzufädeln, sind nichts Ungewöhnliches in der Branche. Wobei sich generell die Frage nach dem Grund stellt, warum sich in der Regel hochbezahlte Kluboffizielle bei Transfers der Hilfe Dritter bedienen. Im Falle Sosa käme noch die spezielle Konstellation hinzu, dass Mislintat zuvor lange in Stuttgart gearbeitet hat und ob der vorhandenen Kontakte ein Vermittler überflüssig sein sollte. So wie es also Beck darstellt, muss das Mandat von Sosa selbst gekommen sein. Über eine vorherige Zusammenarbeit seiner Agentur mit Sosa ist bis dato allerdings auch nichts bekannt. Weder taucht der Linksverteidiger auf dem Instagram-Profil, wo sich Agenturen gerne mit ihren Stars schmücken, der Firma auf. Noch hat AKA seinen Wechsel 2018 zum VfB begleitet. Diesen Deal wickelten Mario Mamic und Marco De Cia ab.

Dass Mislintat wohl kaum mehr eine gedeihliche Zukunft hat beim niederländischen Rekordmeister, deutet sich trotz der Verteidigungsrede Becks immer mehr an. "De Telegraaf" berichtet von einer Aufsichtsratssitzung am Mittwochabend, bei der Mitglieder des Kontrollgremiums eine Suspendierung gefordert haben sollen. Eine Mehrheit für diese Maßnahme fand sich offenbar nicht. Doch Ratsvorsitzender Pier Eringa erklärte, Mislintat solle vorerst nicht mehr auf der Tribüne sitzen. Am heutigen Donnerstagabend empfängt Ajax in der Europa League Olympique Marseille (21 Uhr, LIVE! bei kicker).

Vorhaltungen zu gescheitertem Pieper-Deal

Entlastend für Mislintat wirkt in jedem Fall eine naheliegende Interpretation der Geschehnisse, die mindestens eine Quelle aus dem Klubumfeld bestätigt: Die Sache mit AKA solle für eine möglichst schnelle Trennung genutzt werden nach dem katastrophalen Saisonstart. Zudem lässt sich auf den ersten Blick bei seiner Stuttgarter Amtszeit keine übermäßige Häufung von Deals mit der benannten Agentur feststellen. Betroffen sind lediglich Vertrags- oder Transferabwicklungen mit Profis wie Waldemar Anton, Orel Mangala, Darko Churlinov sowie wenigen Nachwuchsspielern. Dazu gesellen sich noch Geschäfte mit drei Profis einer weiteren Agentur, die eng mit Becks Firma zusammenarbeitet. Für die Länge von Mislintats Amtszeit in Stuttgart, die immerhin dreieinhalb Jahre währte, ist das im Branchenvergleich nichts Außergewöhnliches.

Andererseits gibt es auch Vorhaltungen von anderen Spielerberatern wie Volker Struth, der Mislintat in einem Buch in der Personalie Amos Pieper ein ähnliches Vorgehen unterstellt, wie es nun bei Sosa aus den Niederlanden getan wird: Nämlich dass der 50-Jährige den im Sommer 2022 anberaumten Transfer zum VfB des Verteidigers mit einem anderen Berater durchziehen habe wollen. Darüber habe Struth seinerzeit die Stuttgarter informiert, schreibt er - wobei sich die Frage stellt, ob der Bundesligist nicht hier schon eine Untersuchung hätte einleiten müssen. Pieper, nach wie vor Klient bei Struth, landete damals bei Werder Bremen.

Benni Hofmann

Bilder zur Partie Mainz 05 gegen VfB Stuttgart