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Kommentar zum Aus der Super League: Sieg der Fans

Kommentar zum Aus der Super League

Sieg der Fans

Fans protestierten erfolgreich gegen die Super League - hier in London.

Fans protestierten erfolgreich gegen die Super League - hier in London. Getty Images

Nur 48 Stunden - dann war die Bombe entschärft. Aus der European Super League wurde die European Shitstorm League. Das hochbrisante Spiel endete in der Nacht zum Mittwoch mit einem Sieg der Fans. Das ist gut so! Doch hinter diese Erfolgsmeldung gehört noch ein "Vorerst".

Das in England sogenannte "dreckige halbe Dutzend" aus der Premier League hat die Veranstaltung zwar gesprengt. Ob auf diese Auflösungserscheinungen eine endgültige Kapitulation aller beteiligten Klubs, vor allem jenen aus Spanien und Italien folgt, bleibt jedoch abzuwarten. Angesichts der seit Jahren immer wieder erkennbaren Bestrebungen aus den elitären Fußballkreisen des Kontinents, die Kontrolle über den Wettbewerb und das Geschäftsmodell in die eigenen Hände zu nehmen, wäre es schlicht töricht, jetzt einfach und erleichtert zur Tagesordnung überzugehen. Mit einem neuen Versuch muss gerechnet werden.

Die selbstverschuldete Not ist bei einigen fast so groß wie die Gier

Sehen wir den Tatsachen ins Auge, die nicht der Teufel an die Wand gemalt hat, sondern von Klubbossen wie Florentino Perez (Real Madrid) gar nicht mal scheinheilig ins Feld geführt werden:

Erstens: Selbst nationale und internationale Seriensieger wie der FC Barcelona oder Juventus Turin haben brandbeschleunigt durch die Pandemie so weit abgewirtschaftet, dass inzwischen ihre selbstverschuldete Not gar fast so groß ist wie ihre Gier.

Zweitens: Globale Marktforschungen legen - auch der Bundesliga - einen Wandel im Fanverhalten nahe. Die Generation Playstation kickt gerade noch selbst in den Profiklubs. Die Generation E-Sport und Smartphone wird den Spitzenfußball in Zukunft anders konsumieren wollen als ihre Väter und Großväter, die sich noch mit Inter-Rail-Tickets ins Europapokal-Abenteuer stürzten.

Drittens: Der europäische Fußball, damit auch die UEFA, ebenso die FIFA, nimmt das Geld von arabischen und US-amerikanischen Investoren zwar mit Kusshand, die kulturellen Unterschiede, politisch wie geschäftlich, sind dabei jedoch nicht automatisch eingepreist.

Wandel ist nur möglich, wenn alle "Stakeholder" gehört werden - also auch die Fans

Der im Rückblick grotesk schlecht inszenierten Revolution von oben, die den Reichen Sicherheiten geben und sie noch reicher machen sollte, liegt auch ein fundamentales Missverständnis zu Grunde, nämlich dass die Bedingungen von US-Profiligen sich mir nichts dir nichts auf die europäische Fußballkultur anwenden ließen.

Diese Ambition ist zum Scheitern verurteilt. Wer den "richtigen" Fußball wirklich liebt, den befriedigt die Erotik des Geldes alleine nicht. Auf- und Abstieg sind elementare Bestandteile dieser Leidenschaft. Diese Niederlagenkompetenz besitzt der gemeine Sportfreund, der eine oder andere Klubbesitzer wie John W. Henry von der Fenway Sports Group (FC Liverpool) muss diese Lektion aber erst noch wiederholen.

Womit wir in dieser Real-Satire bei den Fans wären. Spätestens jetzt muss allen Verantwortlichen und Handelnden in Verbänden, Vereinen und Unternehmungen der Sport-Unterhaltungsindustrie dämmern: Wandel und Erneuerung sind nur möglich, wenn neben den im Branchen-Sprech vielzitierten "Shareholdern" auch alle "Stakeholder" gehört werden. Und dazu gehört das Publikum, ebenso wie die Spielerinnen und Spieler als direkt Betroffene.

Gehälterbegrenzung, mehr Balance, gleichmäßigere Verteilung - wann, wenn nicht jetzt?

Damit dieser Etappensieg eine nachhaltige Wirkung erhält, braucht der europäische Profifußball Unterstützung von Politik und Gesetzgebern. Wann, wenn nicht jetzt, hat die Stunde geschlagen, um endlich belastbare Grundlagen zu schaffen für eine Begrenzung von Gehältern und Transfersummen, für mehr Balance im Wettbewerb, für eine endlich wieder gleichmäßigere Verteilung der Erlöse, gerade im Europapokal?

Das System von Wettbewerb und Belohnung darf nicht dazu führen, dass die Schere zwischen großen und kleinen, reichen und armen Klubs noch größer wird. Bei aller Freude darüber, dass der Spuk (erst einmal) vorüber ist und der deutsche Fußball mit dem FC Bayern München an der Spitze ein gutes Bild abgegeben hat: Zur Wahrheit der 48 Stunden gehört auch, dass die mächtigsten Klubs des Kontinents mit der Champions-League-Reform den faulen Kompromiss bekommen haben, den sie wollten.

Unterm Strich bleibt an diesem 21. April 2021: Neue Wege zu gehen, ohne die Fans mitzunehmen, das geht heute und in Zukunft nicht mehr. Das ist die Botschaft dieser Tage, auch an FIFA und UEFA, auch an DFB und DFL.

Super League: Die Entwicklungen im LIVE!-Ticker ...

Jörg Jakob