Europa League

Europa League: Xabi Alonso und das neue Bayer-Gesicht

Leverkusen brilliert beim 4:0 gegen Häcken, betont aber eigene Schwächen

Selbstkritik statt Selbstbeweihräucherung: Xabi Alonso und das neue Bayer-Gesicht

Wählte auch kritische Töne an seine Mannschaft nach dem 4:0-Auftaktsieg in der Europa League: Trainer Xabi Alonso.

Wählte auch kritische Töne an seine Mannschaft nach dem 4:0-Auftaktsieg in der Europa League: Trainer Xabi Alonso. IMAGO/Nordphoto

Oft sind es nicht die Spiele gegen die Topteams, die einem Trainer verraten, wie seine Mannschaft wirklich tickt. Vielmehr offenbaren Mannschaften gegen die No-Names der Fußballwelt ihr wahres Gesicht. Ihre Seriosität, ihre Ernsthaftigkeit, ihre Arbeitseinstellung. Oder kurz ihre Mentalität, deren Bedeutung Xabi Alonso in Leverkusen seit Monaten beschwört.

Im ersten Gruppenspiel der Europa League beim 4:0-Sieg gegen den schwedischen Mester BK Häcken sah der Baske eine knappe halbe Stunde lang eine erwachsene Leverkusener Mannschaft. Hoch motiviert - auch im Spiel gegen den Ball. Ein Team, das sein taktisches Konzept bedingungslos durchzog, aggressiv verteidigte und seinem Kontrahenten maßlos überlegen schien.

Sechs große Chancen und zwei Treffer waren die Ausbeute für den Tabellenführer der Bundesliga. Beide schön herausgespielt. Den Vorlagengebern, Mittelstürmer Victor Boniface und Sechser Granit Xhaka, gebührte der Bärenanteil an den Torerfolgen.

Leverkusen verliert die Spielkontrolle

Etwa 30 Minuten, die auch jedem Fan das Gefühl vermittelt haben dürften: Auf diese Mannschaft kannst du dich verlassen. Schlendrian, über Jahre ein immer wiederkehrender Wegbegleiter, bekommt keinen Zutritt mehr ins Spiel der Werkself. Mehr Spielkontrolle ist kaum möglich. Auch Xabi Alonso war zufrieden.

Ohne Kontrolle sind wir nicht so gut.

Xabi Alonso

"In den ersten 25 Minuten haben wir es sehr gut gemacht", urteilte der Trainer, attestierte der Mannschaft aber "einige gute Phasen und einige Phasen, in denen wir die Kontrolle etwas verloren haben." So war die überraschende Erkenntnis dieses Abends nämlich, dass sich das Bild der ersten 25 Minuten eklatant änderte.

So übernahmen die zuvor sehr tief stehenden Schweden auf einmal das Kommando, pressten hoch und ließen Xhaka und Co. mit ansehnlichen Passpassagen lange hinterherlaufen. Was Xabi Alonso zu dem treffenden Urteil führte: "Ohne Kontrolle sind wir nicht so gut." Einen so großen Verlust der Hoheit über das Spiel - auch wenn dieser ohne zählbare Konsequenzen blieb - hatte der Spanier, früher selbst die personifizierte Spielkontrolle, bei seiner Mannschaft in dieser Saison noch nicht erlebt.

Bayer 04 auf dem Weg zu einer Spitzenmannschaft

Dass dies nicht nur den Trainer, sondern auch seine Spieler fuchste, war das positive Signal. "Was in den letzten zehn Minuten der ersten Hälfte passiert ist, hat uns etwas gestört. Dass wir da die Intensität haben sinken lassen und denen das Gefühl gegeben haben, dass sie noch da sind", monierte Abwehrchef Jonathan Tah, "das können wir aus dem Spiel mitnehmen - und sonst natürlich auch sehr, sehr viel Positives."

Spieler wie Verantwortliche bei Bayer 04 sind sich bewusst, welche Stärke die Werkself auf dem Platz entwickeln kann, aber sie wissen auch um die Tücken, die das Erarbeitete in Windeseile zerstören können. Diese Selbstkritik, die die Beteiligten trotz all des fußballerischen Zaubers, den sie im starken ersten Drittel und danach situativ immer wieder geboten hatten, nahezu proaktiv übten, war ein weiterer Beleg dafür, dass Bayer auf dem Weg ist, sich zu einer Spitzenmannschaft zu entwickeln.

Xabi Alonso: "Wir sind in einem Prozess"

Der hochkonzentrierte Beginn, mit dem man jeden Zweifel am Ausgang der Partie direkt wegwischen wollte, war eine weitere bewältigte Etappe auf diesem. "Für mich war es einfach schön zu sehen, dass wir diesen Schritt als Mannschaft gemacht haben: Dass wir nicht 'nur' am Freitagabend in München diese Intensität, diese Dominanz und dieses Selbstvertrauen ausstrahlen, sondern auch gegen einen vom Namen her schwächeren Gegner“, urteilte Tah, "dass wir da keinen Unterschied machen, sondern versuchen, das jedes Mal auf den Platz zu kriegen. Da haben wir uns einfach weiterentwickelt. Das wollen wir genauso weitermachen."

Jetzt gilt es, dieses Niveau zu halten. "Wir sind in einem Prozess", erklärte Xabi Alonso, "wir müssen probieren, 90 Minuten auf diesem Level zu bleiben." Der Trainer hat die Gründe für den bislang größten Kontrollverlust in dieser Saison, der bis in die zweite Hälfte hineinreichte, klar ausgemacht. "Wir müssen kompakt bleiben", sprach er das Spiel gegen den Ball genauso an wie das mit dem Spielgerät: "Wir dürfen nach Ballgewinn nicht immer so schnell nach vorne spielen." In den Partien zuvor habe man das "besser gemacht und so müssen wir wieder weitermachen mit maximaler Kontrolle und nicht immer schnell spielen. Diesen Mix müssen wir finden."

Dennoch war es ein bemerkenswerter Abend: An dem die Werkself trotz fünf Veränderungen in der Startelf wie beim von Florian Wirtz vorbereiteten und vom eingewechselten Jonas Hofmann genauso genial vollstreckten 4:0 phasenweise Zauberfußball darbot. An dem aber trotzdem nach einem 4:0-Sieg mehr Kritiker im Lager von Bayer 04 als bei den außenstehenden Beobachtern zu finden waren. Selbstkritik statt Selbstbeweihräucherung - Xabi Alonso dürfte mit der dritten Halbzeit seiner Profis genauso zufrieden gewesen sein wie mit den ersten 25 Minuten.

Stephan von Nocks

v. li. im Zweikampf Florian Wirtz (#10, Bayer Leverkusen) Samuel Gustafson (#11, BK Häcken / Haecken) 

21.09.2023  Fussball ? Europa League, Bayer 04 Leverkusen vs BK Häcken / Haecken, BayArena, Leverkusen,

Foto: © pepphoto / Horst Mauelshagen

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