Die Torhüter als sichere Bank?
Thomas Greiss ist für den DEB schon seit 2017 kein Thema mehr, nachdem der mittlerweile 37-Jährige einst im US-Wahlkampf in Augen des Verbands fragwürdige politische Äußerungen unterstützt hatte. Die deutsche Nummer eins Philipp Grubauer ist noch in den Play-offs beschäftigt. Mit Mathias Niederberger und Dustin Strahlmeier stehen immerhin die beiden wohl besten deutschen Keeper der letzten Jahre in der DEL zur Verfügung. Den dritten Platz verdiente sich Maximilian Franzreb, der 2022/23 mit starken und konstanten Leistungen mit Bremerhaven auf sich aufmerksam machte.
Im Fokus: Niederberger, der als einziger DEL-Spieler dank seines Vereinswechsels von Berlin nach München zuletzt drei deutsche Meistertitel in Folge feiern durfte, wird wohl als Starter ins Turnier gehen. Kurioserweise liegt hinter dem 30-Jährigen allerdings nicht seine beste Saison, die statistischen Werte fielen im Vergleich zu den Berliner Jahren ein wenig ab und lagen hinter den Werten von sowohl Strahlmeier als auch Franzreb. Auch vom Augenschein her wirkte Niederberger nicht ganz so sicher wie gewohnt.
Die spannende Frage lautet daher: Kommt Niederberger an seine herausragenden Leistungen der WM 2021 heran, oder gerät womöglich sein Nummer-eins-Status (in Abwesenheit von Grubauer) in Gefahr?
Die Abwehr als Prunkstück
Von einer potenziellen Idealbesetzung fehlt einzig Routinier Korbinian Holzer. Dank der späten Zusagen des noch amtierenden NHL-Jungprofis des Jahres Moritz Seider, aber auch von Kai Wissmann und Leon Gawanke sieht die personelle Situation in der Abwehr insgesamt sehr gut aus. Das Trio hat durchaus das Potenzial, die gesamte Ausgangslage für das WM-Turnier aus deutscher Sicht zu verändern. Warum? Seider, der bei der WM 2021 zum besten Verteidiger des Turniers gewählt worden war, ist einer der wenigen echten Stars aus der NHL, die bislang für die WM zusagten.
Wissmann wiederum spielte 2022 bei der WM herausragend und war mit sieben Scorerpunkten gleichauf mit Seider und Stürmer Marc Michaelis deutscher Topscorer geworden. Und hinter Gawanke liegt eine Saison mit 20 Toren, gleichbedeutend mit einem Franchise-Rekord für Verteidiger der seit 1996 existierenden Manitoba Moose (AHL), des Farmteams von NHL-Klub Winnipeg Jets.
Im Fokus: Mit Leon Hüttl und Maksymilian Szuber schafften es zwei noch sehr junge Spieler in die nahezu bestbesetzte deutsche Abwehr. Und das kommt nicht von ungefähr, denn die beiden Youngster spielten sich in der vergangenen DEL-Saison in den Vordergrund: Der 22-jährige Hüttl bei Vizemeister Ingolstadt als mobiler und spielstarker Abwehrspieler mit insgesamt acht Toren und 20 Vorlagen, der sogar erst 20-jährige Szuber bei Meister München als defensiv grundsolider Akteur, der trotz einer Größe von 1,91 Meter auch läuferisch und technisch Qualitäten besitzt.
Sogar die NHL wurde längst auf Szuber aufmerksam. Nach dem Draft 2022 (6. Runde) unterschrieb der Deutsch-Pole jüngst einen Einstiegsvertrag bei den Arizona Coyotes. Er wird schon 2023/24 voraussichtlich in Nordamerika spielen.
Der Angriff als Problemzone
Tim Stützle, Lukas Reichel, Michaelis, Tobias Rieder, Tom Kühnhackl, Matthias Plachta, Yasin Ehliz, Patrick Hager oder Leo Pföderl - diese Liste der größtenteils verletzungsbedingten Absagen ist längst nicht vollständig, macht aber klar, wie schwierig die Nominierungsphase für Bundestrainer Harold Kreis gerade in der Offensive war. Nur fünf Stürmer des Vorjahres sind noch dabei, dafür mit Justin Schütz, Wojciech Stachowiak, Nico Sturm, Parker Tuomie und Filip Varejcka gleich fünf WM-Neulinge. Die Abteilung Kreativität und Abschluss könnte daher zum größten Problem des DEB-Teams in Tampere werden; zumindest, falls Leon Draisaitl mit seinen Edmonton Oilers nicht alsbald aus den Play-offs ausscheidet und kurzerhand nach Finnland nachreist.
Im Fokus: Bei seiner allerersten WM-Teilnahme im Alter von 28 Jahren kommt auf NHL-Stürmer Sturm gleich eine Schlüsselrolle in der Offensive zu. Bereits 228 NHL-Spiele hat der Center auf seinem Konto - inklusive des Stanley-Cup-Siegs mit der Colorado Avalanche 2022. Doch seine ersten Länderspiele absolvierte der gebürtige Augsburger erst jetzt in der WM-Vorbereitung.
Sturm gilt vor allem als Zwei-Wege-Stürmer, der in der NHL vor allem mit Defensivaufgaben betraut ist. Immerhin 26 Scorerpunkte mit den San Jose Sharks in der vergangenen Hauptrunde bedeuteten indes einen persönlichen Rekord für Sturm. Das im Angriff arg dezimierte DEB-Team wird neben seinen Führungsqualitäten auch mindestens den einen oder anderen offensiven Akzent von Sturm benötigen, um bei der WM Erfolg zu haben.
