Indiens Liebling Virat "King" Kohli hielt sich beschämt die Kappe vor das Gesicht, sein Mitspieler Mohammed Siraj weinte auf dem Platz hemmungslos, im gewaltigen Narendra-Modi-Stadion konnte man eine Stecknadel fallen hören. Indiens Cricket-Team war bei der Heim-WM regelrecht ins Finale spaziert - und scheiterte doch kurz vor dem Gipfel an Rekordchampion Australien. Ein Milliardenvolk ist fassungslos.
"Es gab viele emotionale Szenen in der Umkleidekabine", berichtete Indiens Cheftrainer Rahul Dravid: "Es war auch für mich schwer anzusehen, weil ich weiß, wie hart diese Jungs gearbeitet und was für Opfer sie gebracht haben." Dravid weiß, wovon er redet: Vor 20 Jahren gehörte der Batsman, Spitzname "The Wall", zur indischen Mannschaft, die das WM-Finale verlor. Ebenfalls gegen Australien. Damals allerdings, im fernen Südafrika, war die Situation doch eine etwas andere.
92.453 Fans, vornehmlich im Blau der indischen Mannschaft gekleidet, waren nämlich am Sonntagmittag mit enormen Erwartungen ins größte Cricketstadion der Welt gepilgert. Mit Tröten und Flöten verbreiteten sie Vorfreude, doch je länger das Spiel dauerte, desto mehr Raum nahmen entsetzte Rufe ein. Und irgendwann war Stille.
WM-Rekord für Kohli - doch Australien gibt den Spielverderber
Kohli schaffte zwar sein neuntes Half-Century des Turniers - WM-Rekord - doch das Spiel nahm alles andere als den gewünschten Verlauf. "Mit 240 Punkten auf dem Konto wollten wir frühe Wickets, aber Travis Head und Marnus haben uns komplett aus dem Spiel genommen", rekapitulierte Indiens Kapitän Rohit Sharma.
Indien war die Mannschaft des Turniers.
Marnus Labuschagne
Besagter Marnus Labuschagne, der mitverantwortlich war für Australiens Sieg mit sechs Wickets, gab sich auch im Triumph als fairer Sportsmann. "Indien war die Mannschaft des Turniers", sagte der 29-Jährige, "aber man weiß, wenn man sein bestes Cricket spielt, hat man eine Chance." Und die nutzte Australien.
Die Titelseiten kennen nur ein Thema
Das cricketbegeisterte Indien, das seit 2011 auf den dritten Titel bei der WM im Format ODI (One Day International) wartet, suchte auch am Montag noch nach Antworten. Viele der großen Zeitungen hievten das nationale Drama auf die Titelseiten. Der Deccan Chronicle aus Hyderabad schrieb vom "Cricket Heartbreak", Prahaar aus Mumbai echauffierte sich über Australiens Mitchell Marsh, der die WM-Trophäe zum Hochlegen seiner Beine zweckentfremdete.
Die Hindustan Times wählte den positiven Ansatz und schrieb: "Trotzdem Champions". "Verzweifeln Sie nicht, lassen Sie uns dieses indische Team feiern", regte die Times of India an und verwies auf den emotional aufgeladenen Sieg gegen den verhassten Nachbarn Pakistan in der Vorrunde.
Dieser Erfolg ist aber nicht mehr als ein schwacher Trost angesichts des knapp verpassten Titels. Es bleibt das große Hadern. Ein Fan im Virat-Kohli-Trikot brachte es gegenüber der Nachrichtenagentur AFP auf den Punkt: "Sie spielen gut, aber sie scheitern immer an der letzten Hürde."