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Bernd Schröder zum 80.: "Charismatiker nicht mehr gefragt"

Potsdamer Trainerlegende wird 80 Jahre alt

Schröder: "Charismatiker sind nicht mehr gefragt"

Hinterließ in Potsdam große Fußstapfen: Bernd Schröder.

Hinterließ in Potsdam große Fußstapfen: Bernd Schröder. imago/Ed Gar

Das Bundesverdienstkreuz, die Silberne Ehrennadel des DFB und den "Ehrenpreis Lebenswerk" des DFB - Bernd Schröder hat in seinem Leben viele Auszeichnungen erhalten. Dabei betrieb der Diplomingenieur das Traineramt bei Turbine Potsdam stets im Ehrenamt. Als echter Schleifer bat er seine Spielerinnen nicht selten dreimal täglich zum Training. Er prägte den deutschen Frauenfußball maßgeblich und kennt als Ehrenpräsident von Turbine Potsdam keinen Ruhestand.

Herr Schröder, starten wir so kurz vor Ihrem 80. Geburtstag doch mit der wichtigsten Frage: Wie geht es Ihnen?
Mir geht es wunderbar, und ich hoffe, dass ich auch weiterhin das geistige Vermögen habe, um das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen (lacht)

Wie sieht Ihr Alltag heute aus?
Ich bin als Ehrenpräsident von Turbine noch immer fast jeden Tag im Verein, schaue, wie es läuft, und tausche mich auch mit Sportlern anderer Sportarten aus. Ich habe immer gerne über den Tellerrand geschaut.

17 Titel als Trainer von Turbine

  • Bernd Schröder wurde am 22. Juli 1942 in Lübeck geboren.
  • Trainer bei Turbine Potsdam von 1971 bis 1992 und 1997 bis 2016, dazwischen dort Manager.
  • Mit Potsdam feierte er je sechs Meisterschaften in der DDR (1981, 1982, 1983, 1985, 1986 und 1989) und in der Bundesliga (2004, 2006, 2009, 2010, 2011, 2012). Damit ist er unter den Trainern jeweils Rekordmeister. Zudem gewann er dreimal den DFB-Pokal (2004, 2005, 2006) sowie den UEFA Women’s Cup (2005) und die Champions League (2010).
  • 1990 einer von zwei Trainern beim einzigen Länderspiel der DDR-Frauen (0:3 gegen die CSSR).

Wäre ein Leben ohne Frauenfußball für Sie überhaupt denkbar?
Es wäre auf jeden Fall schwierig. Nachdem ich meine Karriere vor sechs Jahren beendet hatte, habe ich mich erst mal ein Jahr zurückgezogen und meinen Nachfolgern den Platz überlassen. Man muss das richtige Maß finden. Es ist wichtig, dass man nicht zu nah dran ist, aber dieses Projekt auch nicht ganz vergisst.

Bei Turbine gibt es derzeit viel Redebedarf: Trainerwechsel, Rücktritt des Präsidenten, ein großer Umbruch im Kader. Wie bewerten Sie die Situation?
So eine - teilweise hausgemachte - Unruhe haben wir noch nie erlebt. Man hätte das vorher sehen müssen. Es wird nicht mehr so einfach wie früher, als alle Spielerinnen zu uns kommen wollten. Nichts ist wichtiger als Erfolg, und wir haben leider seit 2016 keinen Titel mehr geholt. Die Ansprüche der Fans sind schwer zu realisieren, die Vergleiche zu früher kommen automatisch. Aber wir sind in einer Situation, die uns auch die Chance gibt, neue Dinge zu lernen. Es ist sehr schwer, aber ich hoffe, dass wir das alles einigermaßen überstehen.

Tut es weh zu sehen, wo der Klub unter Ihnen einmal war und wo er jetzt ist?
Ja, natürlich tut das sehr weh, aber das ist der Lauf der Zeit. Da muss man aufpassen, nicht zu viel Nostalgie auf den Tisch zu bringen. Ich muss mich immer zurücknehmen, weil es nichts bringt, nur über früher zu reden.

Rückblickend auf all die Jahre: Würden Sie heute etwas anders machen?
Das ist immer schwer zu sagen. Ich habe viele Dinge gemacht, die sicher nicht richtig waren. Aber am Ende zählt nur der Erfolg - und den hatten wir. Wir haben früher jeden Tag trainiert. Bei mir galt das gesprochene Wort, und dessen Einhaltung war elftes Gebot. In der heutigen Zeit hätte ich meine Probleme, weil ich sehr charismatisch agiert habe. Ich habe immer gesagt: Bei uns ist die Mannschaft der Star, vom Busfahrer bis zum Platzwart und darüber hinaus. Ich glaube nicht, dass ich mit meiner Art heutzutage große Freunde gewinnen würde. Vielleicht in der Mannschaft, aber nicht im Umfeld. Charismatiker sind nicht mehr gefragt. Aber ich würde trotzdem nichts anders machen.

Bundesliga, 1. Spieltag

Ein anderer Verein kam für Sie also nie infrage?
Nein, nie. Ich habe diesen Verein, diese Mannschaft gegründet, das ist mein Herzblut - und ich würde auch nirgendwo anders hinpassen. Ich bin ein Familienmensch, wir wohnen in einer wunderbaren Gegend - und ich habe doch alles erreicht. Wer kriegt denn schon das Bundesverdienstkreuz? Wenn ich mir die ganzen Orden und Ehrenzeichen anhänge, falle ich um (lacht).

Wie bewerten Sie die Entwicklung des deutschen Frauenfußballs?
2011 hatten wir bei der Weltmeisterschaft das Gefühl, jetzt geht es voran. Wir hatten eine überragende Bühne, auch medial. Aber danach ist es wieder abwärtsgegangen, während die anderen Länder aufgrund unserer Erfolge gemerkt haben, dass sie auch was tun müssen. 

Droht die Bundesliga den Anschluss zu verlieren?
Unser Frauenfußball hat sich wesentlich entwickelt, aber wir haben große Rückgänge im Nachwuchs. Wenn wir das nicht reduzieren, gibt es auch keine Weiterentwicklung. Ich hoffe, dass uns diese EM nicht die Augen verkleistert. Da ist noch viel Luft nach oben.

Interview: Susanne Müller

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