DFB-Pokal

Betze News | Roos: "Es wäre eine typische FCK-Geschichte"

FCK-"Dauerbrenner" im Interview

Roos: "Es wäre eine typische FCK-Geschichte"

Über 300 Bundesliga-Spiele für den FCK: Axel Roos auf dem Betzenberg.

Über 300 Bundesliga-Spiele für den FCK: Axel Roos auf dem Betzenberg. IMAGO/Fotostand

Als Spieler im Seniorenbereich trug Axel Roos nie ein anderes Trikot als das der Roten Teufel - allein in 303 Bundesligaspielen zwischen 1984 und 2001. Heute ziert ein anderes Logo seine Sportklamotten: Seit 2007 betreibt der einstige Defensivspieler in Kaiserslautern eine Fußballschule für Kinder und Jugendliche.

Immer wenn der FCK den DFB-Pokal gewonnen hat, musste er in der Liga um den Klassenerhalt bangen und hat im Laufe der Saison den Trainer gewechselt. Ist das ein gutes Omen für das Finale, Herr Roos?

(lacht). Ich habe mir die Statistiken auch schon angeguckt und versucht rauszulesen, warum es der FCK dieses Jahr schaffen wird. Ich habe zwar nichts Eindeutiges gefunden, aber die Chance besteht immer. Völlig egal, wie aussichtslos die Lage auf dem Papier sein mag.

Wie geht man denn als Spieler eine Partie gegen einen schier übermächtigen Gegner an?

Du kannst völlig befreit und ohne Druck aufspielen, hast nichts zu verlieren, weil jeder sowieso damit rechnet, dass du das Spiel verlierst. Der FCK hat nicht erst seit dieser Saison Probleme, wenn er das Spiel selbst machen muss …

Dann ist ja Leverkusen der ideale Gegner.

Kann man so sagen (lacht). Tatsächlich spielen sie gegen spielstarke Mannschaften meist besser. Sie können sich zurückziehen und schnell nach vorne stürmen. Bei Standards sind sie unheimlich gefährlich. Sollte der FCK wirklich in Führung gehen, will ich sehen, wie Leverkusen gegen die Rote Wand in diesem Stadion ankommt.

Vorschau

Aus Bayer-Sicht ist der FCK der vermeintlich leichteste Gegner seit Monaten. Lässt es sich als Spieler überhaupt vollständig vermeiden, solche Teams zu unterschätzen?

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass du dir das noch so oft einreden kannst, dass du in solchen Spielen genauso agieren musst, wie in jedem anderen. Aber trotzdem ist in den Köpfen drin: Das wird schon klappen. Läuft es aber nicht, ist es im Spiel unheimlich schwer, den Schalter umzulegen. Ich habe das selbst in meiner Karriere oft erfahren, obwohl ich mir vorher klargemacht habe: Mensch, die darfst du nicht unterschätzen, bleib konzentriert!

Eine Leverkusener Stärke hat auch den FCK der 90er Jahre ausgezeichnet: Tore in der Nachspielzeit in Spielen, die schon verloren schienen.

Vieles ist in dieser Mannschaft bemerkenswert. Sie haben eine unheimliche Konstanz. Das wirklich Bewundernswerte ist für mich, wie Xabi Alonso eine Mannschaft geformt hat, die nicht nur aus elf Spielern besteht. Er nimmt alle im Kader mit. Es sind viele Spielertypen in der Mannschaft, die ich mag. Auch der Spielstil mit ein, zwei Kontakten und ohne Rumgefummel, das versuche ich auch den Kindern zu vermitteln. Ich bin mir auch sicher, dass sich diese Mannschaft mit der Historie des Klubs und speziell mit dem Jahr auseinandergesetzt hat, in dem drei Titel verspielt worden sind. Jetzt können sie Geschichte schreiben.

Diese Fan-Massen, die auch in Berlin sein werden, können noch mal den Kick geben, das habe ich selbst erlebt.

Wird Friedhelm Funkel mit seinen 70 Jahren den wohl aufstrebendsten Trainer Europas auscoachen können?

Er ist ein erfahrener, alter Fuchs. Selbst ich habe schon gegen ihn als Trainer gespielt. Allein die Erfahrung, dass er als Spieler und Trainer schon mehrfach im Pokalfinale gestanden hat und den Jungs erzählen kann, was auf sie zukommt und auf was sie sich freuen können, wird dem Team helfen. Er wird Positives und Freude vermitteln. So kannst du noch ein paar Prozente rausholen.

Für fast jeden im Kader ist es das bisher größte Spiel der Karriere.

Es wäre auf jeden Fall eine typische FCK-Geschichte. Fast abgestiegen in die 3. Liga - und dann Pokalsieger werden. Es macht den FCK einfach so besonders, dass auch aktuell in der 2. Liga über 40.000 Menschen alle zwei Wochen den Berg hochrennen. Diese Fan-Massen, die auch in Berlin sein werden, können noch mal den Kick geben, das habe ich selbst erlebt.

Springen wir zurück in dieses Erlebnis: In der Bundesliga lief es 1989/90 lange nicht. Wie war die Stimmung rund um den Klub?

Es wäre der erste Abstieg des FCK gewesen. Du hast im Umfeld schon eine gewisse Angst gespürt. Der Wendepunkt war die 0:4-Niederlage bei Waldhof Mannheim im Februar. Wir hatten uns vor dem Spiel eingeschworen und uns gesagt: Wir packen das. Auf dem Platz lief dann aber gar nichts zusammen.

Pokalfinale 1990

Danach musste Gerd Roggensack gehen und Kalli Feldkamp übernahm. Eine Serie von sieben Siegen aus acht Spielen im Saisonfinale hat den FCK vor dem Abstieg bewahrt.

Weil jeder an sich geglaubt hat, konnten wir die Sachen auf dem Platz auch wieder umsetzen. Der Klassenerhalt hat uns den Kick gegeben, den wir für das Pokalfinale gebraucht haben.

Der FCK war zu diesem Zeitpunkt noch nie Pokalsieger, musste sich in zuvor vier Finalspielen geschlagen geben. Was war das für ein Gefühl, Vereinsgeschichte schreiben zu können?

Ich kann mich noch gut an den Abend vor dem Spiel erinnern, als wir unser Abschlusstraining absolviert haben. Da habe ich das Stadion das erste Mal leer gesehen. Es war ganz anders, aber ich hatte direkt eine Vorahnung, was am nächsten Tag auf uns zukommt, wie voll das Stadion sein wird, welche Stimmung auf uns wartet.

War es genau wie in der Vorstellung?

Axel Roos

Axel Roos mit dem DFB-Pokal nach dem Finale 1996. imago images/Pressefoto Baumann

Es war sensationell. Schon auf dem Weg ins Stadion an der Fanmeile vorbei und danach beim Einlauf ins Stadion schaust du auf diese rot-weiße Kurve. Das hat uns den letzten Adrenalinstoß gegeben, den wir gebraucht haben. Wir wussten aber, dass es sehr schwer wird. Umso überraschender war die 3:0-Führung zur Pause. Ich selbst war nach einer langen Verletzungspause wieder fit geworden und saß erst mal auf der Bank.

Dort mussten Sie bis zur 77. Minute mitansehen, wie Bremen bis auf 2:3 wieder rankam …

Ich habe Feldkamp gefragt, welche Position ich spielen soll. Er sagte: Renn vorne dem Ball hinterher (lacht). Ich wusste gar nicht, was ich genau tun soll, also habe ich mich total ausgepowert und versucht, den Spielaufbau zu stören. Gott sei Dank hat das geklappt, auch wenn es mir bei der großen Chance von Burgsmüller kurz das Herz runtergerissen hat.

Der Pokalsieg war der erste bedeutende Titel für den FCK nach 37 Jahren. Was hat das mit dem Verein gemacht?

Ich weiß gar nicht mehr zu wem, aber ich habe nach dem Spiel gesagt: Ey, wie geil ist das denn, wir spielen nächste Saison international. Für mich und viele andere ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Das kannten wir ja nur aus dem Fernsehen, wenn Bayern, Gladbach oder der HSV gespielt haben. Zu meinen Anfängen als Profi hat der FCK ja immer im Mittelfeld oder gegen den Abstieg gespielt. Mit den Einnahmen konnte der ganze Verein wachsen. Im Grunde war dieser Pokalsieg der Grundstein für alle Erfolge der 90er Jahre.

Als Zweitligist Europapokal zu spielen, war auch völlig konträr zum Alltag.

Es folgte die Meisterschaft 1991, die denkbar knappe Vizemeisterschaft 1994, der vierte Platz 1995 - und im Mai 1996 der erste Abstieg aus der Bundesliga. Wie ist es zu diesem GAU gekommen?

Da ist viel zusammengekommen. Wir hatten mit die meisten Chancen herausgespielt und oft das Aluminium getroffen. Es waren gar nicht zu viele Niederlagen, aber zu viele Unentschieden. Ausgerechnet in der Saison wurde die Drei-Punkte-Wertung eingeführt, nach der alten Zählweise wären wir dringeblieben. Es lief im Grunde alles schief. Im Winter waren wir im Trainingslager in Spanien, wo es nur geregnet hat und alles unter Wasser stand. Während sich alle anderen Teams wieder auf den Heimweg gemacht haben, sind wir dortgeblieben. An richtiges Training war nicht zu denken. Das hast du später gemerkt, dass wir keine vernünftige Vorbereitung hatten. Wir hatten damals auch einen ganz miserablen Platz zu Hause, einen richtigen Acker. Für die Gegner war es viel einfacher, sich da hinten reinzustellen und die Bälle wegzudreschen. Wir mussten ja gewinnen.

Ähnlich wie 1990 lief es aber im Pokal ideal. Im Halbfinale wurde noch der Klub besiegt, der am 34. Spieltag mit einem 1:1 den FCK-Abstieg besiegelte: Bayer Leverkusen.

Ich habe damals gesagt: Mir wäre es lieber, wir würden das Pokalspiel verlieren, dafür in der Bundesliga gewinnen und die Klasse halten. Der Satz hat mich eine Abmahnung und eine Geldstrafe gekostet. Wenn man sieht, was nach dem Abstieg passiert ist, war es vielleicht doch ganz gut so (lacht).

Wie lange hat es nach dem Abstieg in Leverkusen gedauert, ehe man sich auf das Pokalfinale freuen konnte?

Am Sonntag nach dem Spiel sind wir auf den Trainingsplatz zum Auslaufen gegangen. Da war eine riesige Menge an Fans, die uns applaudiert und Mut zugesprochen haben, weil sie anerkannt haben, dass wir alles gegeben hatten. Es war uns keiner böse. Das hat uns gezeigt: Wir müssen uns zusammenreißen. In Berlin angekommen, hatte den Abstieg keiner mehr im Kopf. Heute sage ich auch: Der Pokalsieg 1996 gegen Karlsruhe war das schönere Erlebnis.

Pokalfinale 1996

Das müssen Sie erklären.

Zum einen konnte ich das Spiel mehr genießen, weil ich von Anfang an gespielt habe. Und es war der Zusammenhalt in dieser Mannschaft. Als Absteiger Pokalsieger zu werden, ist bis heute etwas Einmaliges in den Geschichtsbüchern. Als Zweitligist Europapokal zu spielen, war auch völlig konträr zum Alltag.

Die Fußballwelt war damals noch eine andere. Der Großteil der Mannschaft ist mit in die 2. Liga gegangen, um die eigenen Fehler wiedergutzumachen. Welchen Faktor hat das gespielt?

Das hat den Charakter der Truppe gezeigt. Wir hatten es zusammen verbockt und wollten es zusammen geradebiegen. Noch heute verstehen wir uns unheimlich gut.

Stand es für Sie überhaupt zur Debatte, den Klub zu verlassen?

Ich habe mir keinerlei Gedanken über einen Abschied gemacht. Ich weiß noch, wie Vizepräsident Günter Klingkowski auf mich zugekommen ist und gefragt hat, ob ich damit einverstanden wäre, dass mein Gehalt in der 2. Liga gekürzt wird. Das war überhaupt kein Thema für mich, na klar. Ich habe mich ja genauso schuldig gefühlt. Im Nachhinein habe ich dann gehört, dass ein paar andere sogar mehr Geld bekommen haben als vorher, damit sie bleiben (lacht).

Durch Ihr Bleiben sind Sie später in den illustren Kreis von nur fünf Spielern mit mehr als 300 Bundesligaspielen für den FCK aufgestiegen. Je zwei Meisterschaften und Pokalsiege in den 90ern machen Sie zum erfolgreichsten Spieler der Vereinsgeschichte.

Das ist eine große Ehre für mich. Viele Leute wissen das gar nicht, da ich sehr medienscheu war und bin. Aber wie Otto Rehhagel schon sagte: Man braucht auch Leute, die unter den Kabeln der Kameras durchtauchen.

Dieser Text erschien erstmals am Dienstag, 21. Mai 2024 in der Printausgabe des kicker und im eMagazine.

Interview: Moritz Kreilinger

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