Frauen

kicker-Interview vor dem Frauen-Topspiel: "Brauchen mehr Sichtbarkeit"

kicker-Doppel-Interview vor dem Gipfeltreffen zwischen Bayern und Wolfsburg

Rech: "Wir brauchen mehr Sichtbarkeit"

Deutliche Worte im kicker-Interview vor dem Topspiel: Ralf Kellermann und Bianca Rech.

Deutliche Worte im kicker-Interview vor dem Topspiel: Ralf Kellermann und Bianca Rech. imago images (2)

Bayern München geht seit langer Zeit wieder mal als Spitzenreiter in diese Partie. Wie wichtig ist diese gute Ausgangsposition?
Rech: Wir sind natürlich glücklich, dass wir da oben stehen dürfen. Ich empfinde das als Vorteil und es ist ein gutes Gefühl. Wir hatten einen guten Saisonstart, aber das Spiel gegen Wolfsburg ist etwas Besonderes.

In den vergangenen Jahren waren die direkten Duelle nicht entscheidend. Das ist nun anders.

Ralf Kellermann

Wie sieht's bei Ihnen aus, Herr Kellermann?
Kellermann: Bayern hat zwei Punkte Vorsprung vor uns. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Wir haben einmal "gepatzt", als wir in Freiburg Remis gespielt haben. Da ich, wenn ich mir die Bundesliga ansehe, nicht davon ausgehe, dass das sowohl uns als den Bayern häufiger passieren wird in dieser Saison, können die direkten Duelle nach langer Zeit mal wieder entscheidend sein für den Ausgang der Meisterschaft. Also sollten wir am Sonntag auf jeden Fall punkten. In den vergangenen Jahren waren die direkten Duelle nicht entscheidend. Das ist nun anders. Meister sind wir geworden, weil die Bayern in anderen Spielen häufiger gepatzt haben als wir. Entschuldige, Bianca!
Rech: Alles gut. Das stimmt ja so.

Wäre in Remis in München zu wenig, Herr Kellermann?
Kellermann: Nein, das nicht. Bei einem Remis hätten wir ja am Ende immer noch die Chance, aus eigener Kraft Meister zu werden. Aber wir haben trotzdem den Anspruch, gewinnen zu wollen. Die Qualität dafür haben wir auf jeden Fall - trotz unserer vielen Verletzten.

Frau Rech, haben Sie schon mal eine Blick riskiert, wie die Tabelle aussieht, wenn Sie am Sonntag gewinnen?
Rech: Nein. Wir haben auch in den letzten Wochen nicht nach rechts und links geguckt. Und das hat uns sehr gut getan. Aber wir wollen natürlich gewinnen.

Ist die Mannschaft besser als im Vorjahr?
Rech: Ja. Wir haben definitiv Qualität dazubekommen. Die Mischung aus jungen Nationalspielerinnen wie Sydney Lohmann, Klara Bühl oder Lea Schüller und erfahrenen Spielerinnen passt und ist richtig gut. Es ist toll zu sehen, wie schnell sich unsere Neuzugänge integriert haben. Das war so sicherlich nicht zu erwarten. Und darüber sind wir sehr glücklich.
Kellermann: Ich finde schon, dass Bayern besser geworden ist. Eine schwedische Nationalspielerin wie Hanna Glas, die von Paris Saint Germain kam, funktioniert eben sofort, weil sie Erfahrung hat und schon bei großen Turnieren gespielt hat. Das Gleiche gilt für Marina Hegering.
Rech: Das sind ja auch genau die Spielerinnen, die den Unterschied ausmachen. So wie bei Wolfsburg in den vergangenen Jahren Pernille Harder oder Sara Gunnarsdottir. Denen muss man nichts erzählen - die funktionieren einfach.

Der Name Pernille Harder ist eben schon gefallen. Sie wechselte vor der Saison zum FC Chelsea. Ist sie überhaupt zu ersetzen?
Kellermann: Sie eins zu eins zu ersetzen, ist nicht möglich. Aber wir beobachten auch, dass andere Spielerinnen sich jetzt in den Vordergrund spielen. Wir fangen das als ganze Mannschaft auf. Außerdem haben wir ja auch noch Nachverpflichtungen getätigt. Aber es ist für mich auch sehr spannend zu sehen, wie sich unsere jungen Spielerinnen am Sonntag in München präsentieren. Sie haben die Qualität - und diese müssen sie erneut abrufen.

2019 haben Sie in einem Interview gesagt, dass sie mittelfristig Wolfsburg ablösen wollen. Kann mittelfristig jetzt schon sein?
Rech: (lacht) Wir würden uns nicht beschweren, wenn dem so wäre. Aber unser Plan ist mittelfristig angelegt, auch wenn es aktuell so gut läuft. Aber es wartet noch eine lange und sehr intensive Saison auf uns.

Zu einer Wachablösung gehört mehr.

Ralf Kellermann

Wieviel Angst haben Sie vor den Bayern, Herr Kellermann?
Kellermann: Angst haben wir keine, denn die hat im Fußball nichts zu suchen. Der nötige Respekt ist selbstverständlich vorhanden. Bayern war schon in den vergangenen Jahren mit uns auf Augenhöhe, so sehen wir das jetzt auch. Aber das ist aktuell schon der beste FC Bayern der letzten Jahre. Eine Wachablösung sehe ich aber nicht, auch wenn wir in dieser Saison nicht Meister werden. Wir haben in den vergangenen acht Jahren sechsmal den Titel geholt, waren fünfmal im Champions League-Finale. Zu einer Wachablösung gehört mehr.

Frau Rech, warum hat es für Bayern in den vergangenen acht Jahren "nur" zu zwei Meisterschaften gereicht?
Rech: Ich denke, wir waren in den großen Spielen da und haben uns sehr gut präsentiert. Aber das Thema Konstanz war schwierig. Gegen kleinere Mannschaften waren wir eben nicht konstant und das hat uns die entscheidenden Punkte gekostet. Aber wir arbeiten daran. Und sind auf einem guten Weg.

Aktuell ist es sehr einseitig, das muss man leider sagen.

Bianca Rech

Wie weit sind Ihre Klubs vom Rest der Liga entfernt?
Rech: Aktuell ist es sehr einseitig, das muss man leider sagen. Erst hinter den beiden Spitzenteams ist es dann relativ ausgeglichen.
Kellermann: Bayern und wir sind weit weg, wie die letzten Ergebnisse gezeigt haben. Wir haben 5:0 gegen Potsdam gewonnen, Bayern 3:0. Trotzdem geht die Entwicklung in die richtige Richtung, weil Frankfurt und Potsdam auf Sicht mit ihren neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten die Lücke schließen können. Hoffenheim muss man ebenso auf der Liste haben.

Wie schade ist es, dass dieses Spitzenspiel ohne Zuschauer stattfindet?
Kellermann: Sehr schade. Am Sonntag mit 25.000 Zuschauern in der Allianz-Arena wäre schon viel schöner.
Rech:Ja, das würden wir uns auch wünschen. Vor Corona gab es viele Ideen, was man in der neuen Saison alles auf die Beine stellt, aber das hat sich ja erstmal erledigt. Aber von einem Spitzenspiel in der Allianz-Arena sind wir sicherlich nicht mehr so weit entfernt.
Kellermann: Das kann ich nur unterstreichen. Es war schon viel geplant, so auch Highlight-Spiele in großen Stadien, wenn die Männer-Bundesliga pausiert. Corona hat das ausgebremst, aber die Pläne liegen in der Schublade.

Der Campus des FC Bayern bietet nur 2500 Zuschauern Platz und ist nie voll. Warum nicht?
Rech: Unser Campus ist schwer zu erreichen. Das ist eine Schwierigkeit. Aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Pläne liegen auch hier in der Schublade, aber Corona hat uns ausgebremst. Wir müssen mehr tun, um die Zuschauer für den Campus und den Frauenfußball zu begeistern.

In England gibt es den FA-Player, hier könnte es den DFB-Player geben. Das würde uns nach vorne bringen.

Ralf Kellermann

Gehen Sie in der Wahrnehmung neben den Männern unter?
Rech: Ich würde nicht sagen, dass wir untergehen, aber es ist natürlich schon so, dass die Männer im Scheinwerferlicht stehen. Das ist dann schwierig für uns, gilt aber auch für die Basketballer des FC Bayern und andere Sportarten. Unser Anspruch ist es, dass der Campus zukünftig voll sein wird.
Kellermann: Wir haben auch registriert, dass sich Karl-Heinz Rummenigge und Herbert Hainer mehrfach zum Frauenfußball in München bekannt und Ziele formuliert haben. Das ist zwar unsere Konkurrenz, aber wir sehen das sehr positiv, weil es unseren Sport weiter nach vorne bringt.

Dient England als ein Vorbild für die Bundesliga?
Kellermann: Fernseh- und vermarktungstechnisch sind die uns einen großen Schritt voraus. Dort kann ich alle Spiele der ersten Liga sehen. Genau da wollen wir auch hinkommen: Alle sechs Spiele eines Bundesliga-Spieltages müssen produziert werden und zu sehen sein können. In England gibt es den FA-Player, hier könnte es den DFB-Player geben. Das würde uns nach vorne bringen. Immer wieder fragen unsere ausländischen Spielerinnen, warum ihre Familien zu Hause die Spiele des VfL nicht sehen können. Selbst in Norwegen wird jedes Spiel gestreamt, das muss in Deutschland auch möglich sein. Wenn wir die Liga besser vermarkten wollen, müssen alle Spiele gezeigt werden - ob im TV oder als Stream.
Rech: Wir brauchen mehr Sichtbarkeit, die muss ab der nächsten Saison gegeben sein. Sonst verlieren wir den Anschluss. Wir wollen ja die Liga voranbringen, dafür brauchen wir mehr Sichtbarkeit, auch um weiterhin für ausländische Spielerinnen attraktiv zu sein.

Für uns war auch schnell klar, dass man amerikanische Spielerinnen vor einem großen Turnier nicht verpflichten kann.

Bianca Rech

Ist eigentlich völlig unrealistisch, amerikanische Nationalspielerinnen in die Bundesliga zu bekommen? Einige sind ja nach England gewechselt.
Rech: Nein, das ist definitiv nicht unrealistisch. Wir hatten schon die Möglichkeit, Amerikanerinnen zu verpflichten, wenn wir denn gewollt hätten. Die Konstellation ist aber schwierig. Die Spielerinnen stehen beim Verband unter Vertrag, haben noch mehr Länderspiel-Abstellungen als alle anderen Nationalspielerinnen. Es ist halt so, dass man abwägen muss: Wieviel habe ich von so einer Spielerin für den Preis, den man zahlen muss?
Kellermann: Ich sehe das genauso. Wir haben uns mit dem Thema ja auch beschäftigt. Die Spielerinnen, die jetzt bei Manchester City oder Manchester United spielen, hätten wir auch nach Wolfsburg holen können. Aber diese Spielerinnen sind im Winter wieder weg, weil sie sich auf Olympia vorbereiten müssen. Das nützt uns nichts. Die Amerikanerinnen leben für ihre Nationalmannschaft. Das passt nicht in unser Konzept. Bei ManCity und ManUnited steckt einfach eine Menge PR dahinter, weil sie sich auf dem amerikanischen Markt platzieren wollen.
Rech: Für uns war auch schnell klar, dass man amerikanische Spielerinnen vor einem großen Turnier nicht verpflichten kann. Die Wirtschaftlichkeit ist das eine, die Anwesenheit in Deutschland das andere. Das macht einfach keinen Sinn.

Interview: Gunnar Meggers