Champions League

Real Madrid enttäuscht: Die Gewohnheit der Macht

Schmeichelhaftes Weiterkommen gegen RB Leipzig

Real Madrid enttäuscht: Die Gewohnheit der Macht

Verwalten bis zum Erbrechen: Real Madrid würgte sich ins Viertelfinale.

Verwalten bis zum Erbrechen: Real Madrid würgte sich ins Viertelfinale. Getty Images, imago images

"Never change a winning team", das war einmal. Ständig die gleichen elf Spieler aufzubieten, lässt der vollgepackte Terminkalender des gegenwärtigen Profifußballs nicht mehr zu. Nicht von seinem siegenden Team, sehr wohl aber von seiner in der Champions League erfolgsbringenden Taktik scheint Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti hingegen partout nicht ablassen zu wollen.

Unter der Leitung des Italieners legten die Königlichen in der K.-o.-Runde der CL-Spielzeit 2021/22 einen denkwürdigen Lauf hin, schalteten nacheinander Paris St. Germain, den damaligen Titelverteidiger FC Chelsea, Manchester City und im Finale den FC Liverpool aus, obwohl sie eigentlich immer vermeintlich weniger vom Spiel gehabt hatten.

Real absorbierte gegen diese Top-Teams, die auf Ballbesitz und sämtliche Formen des Pressings mehr Wert legten als der spanische Rekordmeister, den großen Druck, schaute sich alles in Ruhe an und schlug nadelstichartig, meist durch sein Konterspiel, eiskalt zu. Nicht selten war dieses Auftreten ziemlich passiv, aber meistens noch durchdacht und kontrolliert.

Real spielte so, als wollte es gar nicht gewinnen

Weil diese sehr ergebnisorientierte Herangehensweise unter Ancelotti, die sie auch in der vergangenen Saison zumindest bis ins Halbfinale brachte, für die außergewöhnlichen Fußballer der Königlichen in der Regel aufgeht, scheinen sie sich immer mehr darin zu verlieren. Vielleicht noch nie so sehr wie im zähen Achtelfinal-Rückspiel gegen RB Leipzig am Mittwochabend.

Der Spielbericht

Man tritt den Sachsen wohl nicht zu nahe, wenn man sie nicht in den Sphären verortet, in denen sich Reals K.-o.-Runden-Gegner in der Spielzeit 2021/22 bewegten, doch der Rekordsieger des Turniers ging sein Heimspiel gegen die Mannschaft von Marco Rose vergleichbar an. Wenn nicht noch extremer. Fast, als hätte es für Madrid nie auch nur zur Diskussion gestanden, dass man die zweiten 90 Minuten überhaupt gewinnen will. Ein Unentschieden reicht ja.

Am ehesten begriff noch Deutschlands Nationalmannschafts-Rückkehrer Toni Kroos, von dem bei der Heim-EM im Sommer auch Defensivaufgaben erwartet werden, dass ein bisschen Intensität, Einsatzwille und Offensivdenken angesichts eines nur knappen Hinspiel-Vorsprungs gegen einen motivierten Gegner nicht schaden könnten. Viele seiner verwaltenden Mitspieler hatten das bis zum glücklichen Ende scheinbar kaum verinnerlicht.

Der Kantersieg gegen Girona bewies, dass Madrid es eigentlich anders kann

Die große Konterstärke der Leipziger wird in den Plänen von Ancelotti natürlich eine Rolle gespielt haben. Es ergab durchaus Sinn, den Gästen mit einer 1:0-Führung im Rücken auch mal den Ball zu überlassen und sich wie üblich auch auf die eigene Stärke im Umschaltspiel auszurichten. Doch all das tat Real diesmal bis zum Erbrechen. Bis sich die Madrilenen beinahe selbst eingeschläfert hatten.

Ihr fragwürdiges Auftreten schien für Jude Bellingham, Vinicius Junior und Co., die sich im Liga-Topspiel gegen das ebenfalls intensiv spielende Girona zuletzt noch ganz anders präsentiert hatten, auf seltsame Weise alternativlos zu sein. Gezwungen von der Macht der Gewohnheit. Dieser Ergebnisfußball scheint in der Königsklasse inzwischen zur Gewohnheit für die Macht des größten europäischen Vereinswettbewerbs geworden zu sein, die spielerisch dadurch kaum noch als solche auftritt.

"Man kann nicht sagen, dass wir hochverdient weiter sind", packte Kroos den Auftritt seiner Mannschaft bei DAZN noch in Watte; "wir waren schlecht, Kritik ist heute vollkommen verdient", gestand Ancelotti, der fünf Mittelfeldspieler aufgestellt hatte, das Mittelfeld aber trotzdem kaum kontrollieren konnte. "Es gehört ein bisschen zu dieser Mannschaft dazu, dass sie Vorsprünge nicht gut verwalten kann", versuchte der 64-Jährige zu erklären, der auf das Achtelfinal-Rückspiel 2015 gegen Schalke verwies, in dem Real beinahe noch ausgeschieden wäre. Mit ihm an der Seitenlinie, könnte man meinen, hat Ancelotti Recht.

nba