Portugals Coach Fernando Santos stellte im Vergleich zum 2:0-Sieg im Halbfinale gegen Wales zweimal um. Innenverteidiger Pepe kehrte nach überstandener Oberschenkelverletzung zurück und ersetzte Bruno Alves im Abwehrzentrum. Außerdem spielte William Carvalho (nach Gelb-Sperre) für Danilo Pereira im zentralen defensiven Mittelfeld.
Bei den Franzosen nahm Didier Deschamps für das Endspiel keine Veränderung vor. Der französische Coach baute wie schon beim 2:0 gegen Weltmeister Deutschland auf dieselben elf Spieler, also auch auf den Doppeltorschützen Griezmann.
Mottenplage in St. Denis
Das Finale von St. Denis begann bei strahlendblauem Himmel, jedoch aber holte eine kleine bis mittelschwere Mottenplage die Spieler ein. Der Grund: In der kompletten Nacht vor dem Endspiel war das Flutlicht angeschaltet gewesen und hatte dadurch die kleinen Tierchen angezogen.
Die meisten der 75.868 Zuschauer im Stade de France ließen keine Zweifel aufkommen, wer der Herr im Haus war. Während "Les Bleus" lautstark nach vorne gebrüllt wurden, wurden Ronaldo und Co. konsequent ausgepfiffen. Davon aber ließ sich die Seleçao nicht beeindrucken: Nani gab den ersten Warnschuss ab (4.). Ansonsten aber blieben sich die Portugiesen ihrer Spielweise bei dieser EM treu und standen defensiv kompakt. Frankreich hingegen baute Druck auf. Die Equipe Tricolore zeigte sich bissig in den Zweikämpfen und suchte auf direktem Weg den Zugang zum gegnerischen Tor. Erste Abschlüsse von Pogba (6.) und Griezmann (7.) verfehlten jedoch das Ziel.
Portugiesischer Schock: Payet fährt Ronaldo ins Knie
Dann folgte ein Schockmoment für alle Portugiesen, denn ausgerechnet Ronaldo lag nach einem Zweikampf mit Payet (Schiedsrichter Mark Clattenburg pfiff kein Foul!) mit Schmerzen im linken Knie am Boden (8.). Zwar konnte der Real-Star vorerst weiterspielen, aber er lief unrund über den Rasen und musste zusehen, wie Keeper Rui Patricio spektakulär gegen einen Griezmann-Kopfball rettete (10.). Frankreich drückte den Fuß mit voller Kraft aufs Gaspedal, während sich Portugal defensiv mit Kräften wehrte und sich gleichzeitig um Ronaldo sorgte.
Das Halbfinale im Überblick
Das Drama um den dreimaligen Weltfußballer nahm weiter seinen Lauf: In der 17. Minute setzte sich Ronaldo in der französischen Hälfte auf den Rasen und wurde erneut behandelt. Dabei kamen sämtliche Mitspieler auf CR7 zu und versuchten, ihren Superstar zu trösten. Dieser biss ein letztes Mal auf die Zähne, ließ sich das schmerzende Knie noch bandagieren, musste schließlich aber aufgeben und sich frühzeitig auswechseln lassen. Quaresma kam neu ins Spiel (25.).
Sissoko sticht bei den Franzosen heraus

Moussa Sissoko schoss Rui Patricio im Kasten der Portugiesen richtig warm. Getty Images
Taktisch zog sich Portugal anschließend noch tiefer in die eigene Hälfte zurück und überließ den Franzosen das Spiel. Die Gastgeber hatten 60 Prozent Ballbesitz und gewannen 70 Prozent ihrer Zweikämpfe. Doch die Seleçao erholte sich erstaunlich schnell von dem Schock. Frankreich blieb zwar spielbestimmend, konnte aus dem vermeintlichen Vorteil aber kein Kapital schlagen. Rui Patricio hielt seinen Kasten sauber, auch weil er gegen den auffällig starken Sissoko die Fäuste rechtzeitig an den Ball brachte (34.).
Mehr war von der Deschamps-Elf bis zur Pause allerdings nicht mehr zu sehen, auch weil die Seleçao wieder etwas kompakter stand und ihrerseits selbst Angriffe initiierte - jedoch ohne gefährliche Abschlüsse zu verbuchen. Mal verzettelte sich Adrien Silva (38.), mal störte Umtiti Pepe beim Kopfball (42.).
Tiefgestaffelte Portugiesen - Griezmann fehlen Zentimeter
Portugals Trainer Santos nutzte die 15-minütige Unterbrechung, um seine Mannschaft nach dem Ronaldo-Schock neu aufzustellen. Die Seleçao trat nach dem Seitenwechsel noch tiefgestaffelter auf und war ohne den Real-Star offensiv kaum zu sehen. Vielmehr lief der Ball fast ausschließlich in die Richtung des portugiesischen Tores. Doch richtig gefordert wurde Rui Patricio in den ersten Minuten nach Wiederbeginn nicht. Auch deshalb setzte Deschamps auf eine frische Offensivkraft: Bayern-Wirbelwind Coman kam für Payet (58.).
Kurz darauf trat Coman auch erstmals in Aktion und flankte butterweich in die Mitte, wo Top-Torjäger Griezmann per Kopf seinen siebten Turniertreffer sowie die französische Final-Führung hauchzart verpasste (66.). Die Franzosen schnürten die Portugiesen fortan richtig ein. Entlastungsangriffe waren eine große Seltenheit, auch weil den Iberern in der Abwehr schlicht und ergreifend die Hände gebunden waren. Speziell Coman sorgte für mächtig Betrieb auf der Außenbahn und stellte die portugiesische Abwehr vor große Probleme.
90.+2: Gignac vernascht Pepe - und trifft den Innenpfosten

Spektakulär: Ricardo Quaresma setzt zum Fallrückzieher an - Hugo Lloris pariert sicher. Getty Images
Erst in der Schlussviertelstunde wurde die Partie offener, weil plötzlich beide Teams offensiv handelten. So rettete der wenig geforderte französische Schlussmann Lloris erst spektakulär bei einer verunglückten Nani-Hereingabe und hielt direkt im Anschluss Quaresmas sehenswerten Fallrückzieher fest (80.). Auf der Gegenseite bewies Rui Patricio einmal mehr seine Klasse und parierte einen fulminanten Distanzschuss von Sissoko (84.). Noch enger war es in der Nachspielzeit, als der eingewechselte Gignac Pepe am Fünfereck vernaschte und anschließend den Innenpfosten traf (90.+2) - Verlängerung.
In dieser geizten die zunehmend erschöpften Akteure mit Torchancen. Einzig Eder für Portugal konnte den Ball gefährlich aufs Tor bringen, doch Lloris wehrte den Kopfball mit einer Hand ab (104.).
Raphael Guerreiro scheitert knapp, Eder nicht
Im zweiten Durchgang waren es erneut die Iberer, die sich gefährlich vor Lloris zeigten: Erst schlenzte BVB-Neuzugang Raphael Guerreiro einen unberechtigten Freistoß an die Latte, ehe Eder mit dem nächsten Angriff aus der Mitteldistanz humorlos abzog und genau ins linke Toreck traf (109.). Die Franzosen mussten nun alles riskieren und brachten mit Martial eine weitere Offensivkraft. Doch der Schock des Rückstandes war für die Deschamps-Elf offenbar zu groß. Es bestand keine Gefahr mehr für das portugiesische Tor, sodass sich die Seleçao trotz des Ronaldo-Schocks erstmals Europameister nennen darf.