Europa League

Randale in Rom: Ist die Laissez-faire-Politik der Klubführung von Eintracht Frankfurt gegenüber den Ultras gescheitert?

Eintracht Frankfurt drohen drastische Strafen der UEFA

Randale in Rom: Ist die Laissez-faire-Politik gescheitert?

Nicht vergnügungssteuerpflichtig: Ordner vor dem Frankfurter Block im Stadio Olimpico.

Nicht vergnügungssteuerpflichtig: Ordner vor dem Frankfurter Block im Stadio Olimpico. imago

Aus Rom berichtet Julian Franzke

Wer das Spiel im Stadio Olimpico sehen wollte, musste erhebliche Strapazen auf sich nehmen. Verkehrschaos, eine überforderte und teils komplett vermummte Polizei, die manchen Fans sogar die Schals abnahm sowie stundenlange Einlasskontrollen sorgten schon vor dem Anpfiff für einigen Frust unter den Anhängern. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man zu der Einschätzung gelangen, dass zum ersten Mal überhaupt ein Fußballspiel von Lazio stattfand. Routine war bei allen Prozessen rund um das Stadion nicht zu erkennen.

Eintracht Frankfurt - Die letzten Spiele
Bayer 04 Leverkusen Leverkusen (H)
1
:
5
Bayern München Bayern (A)
2
:
1
Eintracht Frankfurt - Vereinsdaten
Eintracht Frankfurt

Gründungsdatum

08.03.1899

Vereinsfarben

Rot-Schwarz-Weiß

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Dennoch hätte es ein tolles Fußballfest für die knapp 10.000 Eintracht-Fans im sonst fast leeren Olympiastadion geben können. Immerhin drehten Mijat Gacinovic und Sebastien Haller einen 0:1-Rückstand in einen 2:1-Sieg - als erste deutsche Mannschaft überhaupt holte Frankfurt in der Gruppenphase der Europa League die maximale Punktausbeute. "Wir haben etwas Historisches geleistet", freute sich Sportdirektor Bruno Hübner und witzelte: "Dass man einen österreichischen Trainer braucht, um deutsche Geschichte zu schreiben..."

Der Rest war indes wenig lustig. Überschattet wurde das Spiel von schlimmen Szenen auf den Rängen und im Stadion-Umfeld. Es war klar, dass die Reise nach Rom keine gemütliche Klassenfahrt wird, das Ausmaß der kriminellen Vorkommnisse im Stadion überraschte dennoch. Im Verlauf der 90 Minuten flogen aus den Eintracht-Blöcken über ein Dutzend sogenannter "Polen-Böller" sowie diverse andere pyrotechnische Gegenstände in Richtung anderer Stadionbesucher und der Sicherheitskräfte im Innenraum. Das war längst keine Folklore mehr, sondern brandgefährlich. Mit Sprechchören distanzierten sich die friedlichen Fans - die überwiegende Mehrzahl - von den Randalieren.

Teilausschluss oder Geisterspiel in der K.-o.-Runde drohen

Da die UEFA anders als der DFB die Kollektivstrafen nicht ausgesetzt hat, drohen dem Klub und seinen Anhängern nun drakonische Strafen. Die Auslosung am Montag werden viele Fans mit gemischten Gefühlen verfolgen. Mögliche Traumlose wie Celtic oder Sporting könnten ohne Eintracht-Anhänger stattfinden, wenn die UEFA hart durchgreift.

Die zuständigen Gremien werden jetzt die verschiedenen Vorkommnisse in den europäischen Stadien während der Gruppenphase in der Champions League und in der Europa League bewerten und sanktionieren. Diese Verfahren werden nach Eingang der Berichte der Spielbeobachter nach dem letzten Spieltag in dieser Woche beginnen. Kommt es in der K.o.-Phase zu einem Teilausschluss oder gar einem Geisterspiel für Eintracht Frankfurt, wäre das bitter für die vielen friedlichen Fans, die für Festtage beim Siegeszug der Eintracht in der Europa League sorgten.

Eine kleine Gruppe nimmt alle anderen in Sippenhaft und schadet Eintracht Frankfurt und der Fanszene. Das betrübt mich und macht mich traurig.

Eintracht-Vorstand Axel Hellmann

Vorstand Axel Hellmann wirkte nach dem Schlusspfiff konsterniert. "Es gibt eine Gruppe, die dieses Spiel missbraucht hat, um ihre private Auseinandersetzung mit Lazio zu führen. Alle anderen Fans - es waren fast 10.000 im Stadion - wollten eine tolle Reise nach Rom erleben und das Spiel sehen. Das hat sich auf das Gemüt vieler niedergeschlagen. Eine kleine Gruppe nimmt alle anderen in Sippenhaft und schadet Eintracht Frankfurt und der Fanszene. Das betrübt mich und macht mich traurig", führte Hellmann aus.

Mehrere Fans berichteten dem kicker am Freitag, dass die Pyrotechnik vor allem aus dem Bereich geworfen wurde, in dem sich die Ultras aufhielten. Das wirft die Frage auf, ob die Laissez-faire-Politik der Klub-Verantwortlichen im Umgang mit dem harten Kern der Fanszene gescheitert ist.

Nähe zu den Ultras: Klubführung wandelt auf schmalem Grat

Zur Erinnerung: Nach dem Pokalsieg stand einer der Ultras-Vorsänger mit der Mannschaft auf dem Balkon des Römer, Kevin-Prince Boateng und Aymen Barkok hielten brennende Bengalos in der Hand. Einige Wochen später wurden unter anderen führende Köpfe der Ultras zur exklusiven Trikotpräsentation in den Frankfurter Nachtklub Gibson eingeladen.

Randalierer in Rom

Randale in Rom: Aus dem Frankfurter Block wurden über ein Dutzend Böller geworfen. imago

Mit dieser Nähe bewegen sich die Verantwortlichen um Hellmann und Präsident Peter Fischer auf einem ganz schmalen Grat. Schon lange drängt sich der Eindruck auf, dass im Stadion gezündete Bengalos von den Klub-Bossen als Kavaliersdelikte abgetan werden. Das verbotene Abfackeln von Pyrotechnik wird zwar nicht gutgeheißen, aber auch nicht konsequent geahndet. Dazu passt, dass Hellmann erklärt: "Wir haben immer gesagt: Alle unsere Energie gilt dem Kampf gegen die Dinge, die die Hand verlassen. Das ist heute ein Rückschlag." Vielleicht wäre es nach den Erfahrungen aus dem Rom-Spiel kein schlechter Gedanke, der Pyrotechnik generell den Kampf anzusagen.

Nicht pauschal verteufeln, aber die Ultras schaden ihrem Ruf selbst

Journalisten wird oft und teils auch zu Recht vorgeworfen, Ultras pauschal zu verteufeln. Deshalb soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass die Frankfurter Ultras schon viele tolle Aktionen auf die Beine gestellt haben. Sie zeichnen nicht nur für die auch international viel beachteten Choreografien verantwortlich, sondern rufen auch immer wieder zu Spenden auf.

Vor einem Jahr kamen bei der Aktion "Wir tragen den Adler im Herzen" rund 40.000 Euro für soziale Einrichtungen in Frankfurt zusammen. 2012 erhielten sie vom DFB den Julius-Hirsch-Preis, weil sie Mitorganisator einer Bildungsreise für junge Fans nach Auschwitz waren. Dieses Engagement verdient höchsten Respekt. Doch der gute Ruf, den die Ultras auch in der breiten Öffentlichkeit haben könnten, wird durch das unnötige und gefährliche Hantieren mit Pyrotechnik ramponiert.

Es krachte schon in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch

Es stand schon lange zu befürchten, dass Pyrotechnik eines Tages durch die Gegend fliegen könnte, sollte ein richtig brisantes Spiel anstehen. Zu einem solchen gefährlichen Aufeinandertreffen kam es am Donnerstagabend. Während der harte Kern der Frankfurter Fanszene politisch überwiegend links steht, sind die Lazio-Ultras bekennende Rechtsradikale. Bereits beim Hinspiel in Frankfurt gab es gewalttätige Auseinandersetzungen, nun krachte es sogar schon in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, als ein neutral gekleideter Eintracht-Fanklub in einer Kneipe von Lazio-Anhängern überfallen wurde. Zwei verletzte Fans traten anschließend die Heimreise an.

Am Spieltag selbst kam es auch in der Stadt zu Ausschreitungen und Festnahmen. Laut dpa klagte Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi am Donnerstagabend in einer Talkshow: "Hooligans aus Deutschland haben heute Abend im Grunde Teile unserer Stadt geplündert und verwüstet. Fans wollen wir, Bestien nicht."

Viele Fans waren froh, als sie lange nach dem Schlusspfiff endlich den Block verlassen durften und heil in ihren Hotels ankamen. Wer zu Fuß ging, musste auf der Hut vor Lazio-Gewalttätern sein. Überall in den Straßen ertönten vor wie nach dem Spiel Polizeisirenen, Helikopter kreisten über die Häuser der Stadt. Ohne die Lage zu dramatisieren, denn es hätte außerhalb des Stadions noch weit schlimmer kommen können, kann man getrost feststellen, dass der Besuch dieses Spiels alles andere als vergnügungssteuerpflichtig war.

Marco Russ

Fand die richtigen Worte: Marco Russ. Getty Images

Auch den Profis fuhr einige Male der Schreck in die Glieder. "Diese Schläge waren nicht zu überhören, ich bin zwei-, dreimal schon zusammengezuckt. Gerade bei Böllern, die irgendwo hingeworfen werden, kann einiges passieren. Das geht nicht. Es sind immer ein paar Idioten, die du nicht zu fassen bekommst. Das ist schade für den ganzen Verein und die 99,8 Prozent der Leute, die sich auf so eine tolle und lange Reise aufmachen", fand Marco Russ die richtigen Worte.

Atalanta-Ultras mischten wohl mit

Hellmann klingt fast schon resigniert, wenn er sagt: "Wir müssen Realisten sein: Wir werden diese Gruppe, die ein solches Spiel nutzen will, um ihre Aggressionen auszuleben, nie ganz aus dem Stadion rausbekommen." Der Vorstand vermutet, dass auch einige Ultras aus Bergamo im Eintracht-Block waren - beide Ultraszenen pflegen seit vielen Jahren eine Freundschaft.

Theoretisch ist es also durchaus möglich, dass Bergamo-Ultras für das Werfen der Pyrotechnik verantwortlich sind. Dann würde sich allerdings die Frage stellen, wie sie überhaupt an die von der Eintracht ausgegebenen personalisierten Karten kamen.

Dialog soll fortgesetzt werden

"Ich weiß nicht, ob Bilder vorliegen und man sich angucken kann, wer das war. Aber ich mache mir wenig Hoffnung, dass die Personen, die dafür verantwortlich sind, identifiziert und isoliert werden", meint Hellmann. Der gelernte Jurist will wie bisher auf Gespräche setzen: "Den Dialog werden wir nie einstellen, das ist vollkommen klar, und wir werden auch mit allen sprechen. Es gibt sehr viele Vernünftige."

Miteinander zu reden, ist sicher nie verkehrt, doch es stellt sich schon die Frage, ob sich die Probleme allein damit lösen lassen. Dass die Klub-Bosse ihrer Fan-Szene eine lange Leine lassen, wurde in Rom brutal ausgenutzt. Das sollte ihnen zu denken geben.