Junioren

Ohne Rucksack zur zweiten Chance

Deutsche U17 bei der EM in Irland

Ohne Rucksack zur zweiten Chance

Geht in sein letztes Turnier mit der U 17: Coach Michael Feichtenbeiner.

Geht in sein letztes Turnier mit der U 17: Coach Michael Feichtenbeiner. imago images

Diese eine Nacht mussten sie noch voller Ungewissheit überstehen, Ende Mai. Nach dem letzten Spiel ihrer Qualifikationsgruppe war klar, dass die deutsche U17 hinter Island nur Zweiter werden würde, zur EM nach Irland durften aber nur die besten sieben der acht Gruppenzweiten. Die Erlösung kam dann einen Tag nach dem eigenen Spiel, das Ticket für Irland war gebucht. "Es ist ein bescheidenes Gefühl, es nicht mehr in der eigenen Hand zu haben, auf andere Ergebnisse angewiesen zu sein und nach dem letzten Spiel noch zittern zu müssen. Daraus können die Jungs viele Erfahrungen ziehen. Jetzt geht es wieder bei Null los, das ist gut", sagt Feichtenbeiner nun und spricht von "der zweiten Chance".

Sportlich verlief die Eliterunde, die gleichzeitig als Quali diente, trotz des erfolgreichen Abschlusses aber enttäuschend. Beim 1:1 gegen Weißrussland, dem 3:3 gegen Island und dem wichtigen 1:0-Sieg gegen Slowenien zum Abschluss zeigte das deutsche Team zwar spielerische Ansätze, scheiterte aber vor allem an der Chancenverwertung. Der Druck als Favorit und Gastgeber der Runde wird seinen Teil dazu beigetragen haben. "Bei der Einstimmung am Montag habe ich den Jungs ganz offen erzählt, wie ich diese EM-Quali wahrgenommen habe, was uns nicht gelungen ist, aber auch was wir gut gemacht haben. Wir waren in allen drei Spielen die überlegene Mannschaft, haben aber zu viele Chancen vergeben", sagt der Trainer.

Das Ziel, unbedingt zur EM zu fahren, war schon als größere Last zu spüren.

U 17-Trainer Michael Feichtenbeiner

Für die Endrunde hofft der Coach auf mehr Leichtigkeit. "Mein Wunsch ist es, dass wir diesen Rucksack ablegen und lockerer an die Dinge herangehen, aber trotzdem natürlich total motiviert." Gegen die Gruppengegner Italien und Spanien sieht Feichtenbeiner sein Team "auf Augenhöhe", Österreich sei "vom Namen her der Underdog in der Gruppe". Deutschland sei "in der Gruppe sicherlich nicht der haushohe Favorit, wir haben sehr starke Gegner". Ein Weiterkommen und eine möglichst gute Platzierung wären nicht nur für die EM wichtig, sondern auch perspektivisch. Fünf Tickets werden bei der Endrunde für die in Brasilien stattfindende WM in diesem Jahr (genauer Termin steht noch nicht fest) vergeben, vier für die Halbfinalisten, einer für den Fünften, der in einem Play-off-Spiel der beiden in der Vorrunde besten, dann aber ausgeschiedenen Viertelfinalisten ermittelt wird.

Feichtenbeiner sieht die Niederlande als Favorit

Wer die besten Chancen auf den Titel hat, weiß Feichtenbeiner genau: "England ist sicherlich in diesem Jahrgang auch wieder sehr gut aufgestellt. Die Franzosen haben sehr viele gute Individualisten und Top-Offensivspieler. Wenn ich aber einen Favoriten benennen müsste, wären es die Niederlande. Individuell sind sie herausragend bestückt, teilweise haben sie schon Profi-Erfahrung, Ki-Jana Hoever hat schon bei Jürgen Klopp in Liverpool in der ersten Mannschaft gespielt. Auch Trainer Peter van der Veen schätze ich sehr."

Für den deutschen Coach wird es das letzte Turnier mit dem 2002er-Jahrgang, er verlängerte seinen am 30. Juni auslaufenden Vertrag nicht. Ein Thema soll das nicht werden: "Jetzt will ich mich ganz auf die EM einlassen. Wir haben drei Jahre mit dem Jahrgang darauf hingearbeitet, das will ich genießen. Wir wollen zeigen, dass wir in Deutschland guten Fußball spielen und konkurrenzfähig sind, danach werde ich mich konkret mit meiner Zukunft auseinandersetzen. Vielleicht kann ich ja mit einer guten EM auch Werbung in eigener Sache machen."

Das Aufgebot

Tor: Noah Atubolu (SC Freiburg), Tim Schreiber (RB Leipzig)
Abwehr: Luca Netz, Marton Dardai (beide Hertha BSC), Kerim Calhanoglu (TSG Hoffenheim), Jannis Lang (VfL Wolfsburg), Adrien Koudelka (FC Augsburg), Mehmet Can Aydin (Schalke 04), Lasse Rosenboom (Werder Bremen)
Mittelfeld: Marcel Beifus (VfL Wolfsburg), Jordan Meyer (VfB Stuttgart), Marco John (TSG Hoffenheim), Lars Kehl (SC Freiburg), Malik Tillman (FC Bayern München), Lazar Samardzic (Hertha BSC), Marvin Obuz (1. FC Köln), Paul Nebel (Mainz 05)
Angriff: Karim Adeyemi (FC Liefering), Maximilian Beier (TSG Hoffenheim), Nick Woltemade (Werder Bremen)

Patrick Kleinmann