Champions League

Newcastle: Ein Abend, der Fragen aufwirft

Auftritt in Dortmund entlarvend und desillusionierend

Newcastle: Ein Abend, der Fragen aufwirft

Enttäuschte Gesichter bei Newcastles Spielern nach der Niederlage in Dortmund.

Enttäuschte Gesichter bei Newcastles Spielern nach der Niederlage in Dortmund. IMAGO/Beautiful Sports

Der mächtige schwarze Mannschaftsbus stach ins Auge in den Katakomben des Dortmunder Stadions. Und sein Fahrer. Im kurzärmligen weißen Hemd lief er bei schattigen acht Grad Celsius ständig hin und her, mehr als Newcastles Profis zuvor, würden Spötter behaupten, und redete und gab Anweisungen. Definitiv sprach er mehr als die Spieler der Magpies, von denen sich nur Kieran Trippier den Journalisten stellte. Zumindest suchte der Abwehrspieler ebenso wenig Ausreden für die Leistung wie sein Trainer Eddie Howe bei der Pressekonferenz. "Dafür gibt es keine Entschuldigung", so Trippier. Während Howe ein "Gefühl der Frustration" eingestand, weil niemand in Dortmund "das beste Newcastle" gesehen hatte.

Für ihn ist zu hoffen, dass es nicht mal die zweit- oder drittbeste Version ihrer selbst war. Weder von der Mannschaft, noch von ihm. Denn das, was zu sehen war, erfordert Fragen - und Antworten.

In den Farben Saudi-Arabiens

Fangen wir mit einer leichten, aber vielleicht auch bezeichnenden Frage an: Warum spielten die Gäste in Grün und Weiß? Weil dies die "Auswärtsfarben" sind. Nichts Ungewöhnliches und doch vielsagend in diesem Fall. Denn natürlich ist diese Kombination in Anlehnung an den fragwürdigen wie umstrittenen Investor aus Saudi-Arabien gewählt, dem man sich damit auch optisch längst verschrieben hat. Die erste Assoziation ist gewollt, dass da die Nationalmannschaft dieses Landes spielt, und so ganz falsch ist das im übertragenen Sinne auch nicht.

Newcastles Abwehr schwamm

Viel nachhaltiger als die Wahl der Trikots sind jedoch die beiden Niederlagen gegen Dortmund. Erst das 0:1 daheim, nun das 0:2 auswärts. Warum mit einer so passiven Herangehensweise, wo doch die Stärken der Gäste eigentlich im Pressing liegen, was PSG beim 1:4 im St. James' Park so bitter hatte erfahren müssen? Warum mit Rechtsverteidiger Tino Livramento rechts vorne, dem unerfahrenen Lewis Hall aber links hinten? Warum vor allem mit Rechtsaußen Miguel Almiron und dem zuletzt so starken Linksaußen Anthony Gordon auf der Bank, speziell da mit Alexander Isak, Harvey Barnes und Jacob Murphy gleich drei Stürmer verletzt ausfielen? Warum ließ Howe Livramento vor dem Seitenwechsel immer den gleichen Fehler machen, als der Flügelstürmer so weit nach innen zog (ohne dass Trippier ihn hinterlief), dass er Dortmunds Kette das Verteidigen leicht machte? Warum ließ er Joe Willock 80 Minuten spielen, obwohl dieser immer wieder die BVB-Spieler in seinem Rücken zwischen den Ketten entwischen ließ? Und warum griff er nicht ein, als Livramento vor dem 0:2 die einzige Restverteidigung bei einer Standardsituation bildete, zumal dieser sich dabei dann noch individual-taktisch überfordert erwies? Newcastles Abwehr schwamm am Dienstagabend phasenweise mehr als die beiden Seepferdchen auf dem Mannschaftswappen.

Newcastles Passivität

All diese Fragen führen zur nächsten, die man vielleicht noch nicht in dieser Klarheit stellen muss, da Howe bisher gute Arbeit in Newcastle geleistet hat, doch ist er wirklich der Richtige, wenn es darum geht, international erfolgreich zu sein? Und nichts anderes ist das Ziel des groß angelegten Sportswashing-Projektes aus Arabien. Howe und seinem Spielvorbereitungsteam muss man attestieren, dass er bei Dortmunds Auftritt gegen Bayern nicht genau hingeschaut hat, denn das dort so offensichtliche Tempodefizit der Westfalen spielte angesichts von Newcastles Passivität diesmal keine Rolle.

Eine weitere Frage ist die Ausrichtung auf dem Transfermarkt: Geld ist ja bekanntlich genug da, aber hält man den Kader, die Mannschaft, den Trainer tatsächlich für gut genug, um wieder unter die ersten vier in der Premier League zu kommen? Oder wird man sich im Winter, was schwierig ist, oder im Sommer, was eher möglich wäre, doch mal um richtig große Namen bemühen? Und wollen die dann überhaupt in den Norden Englands?

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Dortmunds Trainer Edin Terzic verwies zurecht mit Stolz darauf, dass seine Mannschaft nun zweimal gegen ein Team gewonnen habe, jeweils zudem ohne Gegentor, das in elf Spielen drum herum nicht verloren habe. Und doch stellt sich die Qualitätsfrage Newcastles auf höchstem Niveau, denn zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass man gegen Liverpool in Überzahl verlor, gegen ManCity chancenlos war und auch schon beim 0:0 in Mailand nicht wirklich überzeugt hatte. Muss man also auch überspitzt fragen, ob nicht die Premier League derzeit schwächer ist als ihr Ruf? So allgemein wäre das sicher zu früh und auch am Thema vorbei, doch vielleicht trifft es eher den Kern, wenn man feststellt, dass es mit Tottenham und Liverpool in dieser Saison in der aktuellen Form zwei bessere Vertreter in der Königsklasse geben würde als zum Beispiel die "Uniteds". Doch Newcastle und Manchester dürfen natürlich aufgrund der vergangenen Spielzeit ran, Liverpool kickt in der Europa League, Tottenham hat international unter der Woche mal ganz frei.

Lehrgeld bezahlt

Wie geht’s nun weiter? "Wir brauchen zwei Siege", sagt Howe. "Wir geben nicht auf", sagt Trippier. Durchhalteparolen? Oder realistisch vor dem Gang nach Paris und dem Heimspiel gegen Milan? Wenn alle die richtigen Schlüsse aus dieser seelenlosen Vorstellung in Dortmund gezogen haben, kann es noch reichen. Lehrgeld hat man jedenfalls nun beim Champions-League-Comeback nach 20 Jahren genug gezahlt, Ansätze zur Verbesserung gibt es reichlich. An der Umsetzung darf gezweifelt werden.

Thomas Böker

Bilder zur Partie Borussia Dortmund gegen Newcastle United