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DFB | Neuendorf: "EM im eigenen Land lässt niemanden kalt"

DFB-Präsident mit Vorbereitungsauftakt in Thüringen zufrieden

Neuendorf: "Die EM im eigenen Land lässt niemanden kalt"

Willkommen in Thüringen: Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee begrüßt DFB-Präsident Bernd Neuendorf (re.).

Willkommen in Thüringen: Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee begrüßt DFB-Präsident Bernd Neuendorf (re.). picture alliance/dpa

Aus Blankenhain berichten Matthias Dersch und Oliver Hartmann

Blankenhain hat sich herausgeputzt. Überall hängen Fähnchen, Hinweisschilder und Plakate, die auf das aufmerksam machen, das hier in den kommenden Wochen passiert. Seit diesem Sonntag ist die Kleinstadt in Thüringen Gastgeber für die deutsche Nationalmannschaft, kurz vor dem Start der Europameisterschaft in Deutschland reist dann die englische Auswahl ins Spa & GolfResorts Weimarer Land an. Zu verdanken ist das dem Engagement lokaler Unternehmer wie Matthias Grafe, dem Besitzer des GolfResorts, lokalen Politikern wie Blankenhains Bürgermeister Jens Kramer - und dem Land Thüringen, das 1,5 Millionen Euro investiert hat, um die Region turniertauglich zu machen.

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Zu sehen ist das am schmucken Schloss Blankenhain, in dem zunächst das deutsche Medienzentrum untergebracht ist, bevor auch hier die Engländer übernehmen. Dort, wo sonst Brautpaare getraut werden, befinden sich nun frisch hergerichtete Arbeitsräume für die Journalisten. Die Einweihung am Montag erfolgt mit prominenter Besetzung: Um Punkt 12 Uhr nehmen auf dem Podium DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee, Andreas Krey (LEG Thüringen) und der stolze Bürgermeister Platz. Tags zuvor ist Kramer wiedergewählt worden. Mit mehr als 70 Prozent der Stimmen. "Das kommt ja fast heran an Erich …", scherzt Tiefensee, spricht den Satz aber vor rund 100 Medienvertretern aber nicht zu Ende aus.

"Hohe Auszeichnung" für Thüringen

Für Thüringen sei die Beherbergung der deutschen Mannschaft "eine hohe Auszeichnung", sagt der Wirtschaftsminister, der sich für sein Land eine "höhere Aufmerksamkeit und Bekanntheit" erhofft. Auch an die EM hat Tiefensee Erwartungen, "dass wieder Identifikation stattfinden kann, dass die Leute die Ärmel aufkrempeln und selbst etwas tun". Da hoffe er auf "Impulse", sagt der SPD-Politiker, "die sind im ganzen Land nötig." Nicht nur in Thüringen, wo im September ein neuer Landtag gewählt wird. Auch im Verband registriere man die Zunahme von Rassismus, Ausgrenzung und Antisemitismus mit Sorge, sagt Neuendorf. Die "integrative Kraft" des Fußballs solle dabei helfen, die Gesellschaft wieder enger zusammenzuführen. "Auch wenn ich ein Fragezeichen dahinter setzen möchte, ob der Fußball alle Probleme lösen kann."

Ganz bewusst hat sich der DFB sehr frühzeitig darauf festgelegt, die Vorbereitung auf die Heim-EM im Osten Deutschlands zu bestreiten, um auch diesen Teil des Landes mitzunehmen, wie es immer so schön heißt. Neuendorf erinnert in seinen Ausführungen im Pressesaal in Blankenhain daran, dass die letzte EM in Deutschland noch eine war, die in einem geteilten Land stattfand. Nicht einmal Berlin sei damals Austragungsort gewesen. Die EM 2024 sei daher ein Beleg dafür, dass sich "trotz aller Probleme auch erfreuliche Dinge entwickelt haben", sagt Neuendorf. "Wir können diese EM in einem vereinten Land bestreiten."

15.000 Freikarten für das Training in Jena

Die Vorbereitung des DFB-Teams in Thüringen drücke dies aus. "Es war uns ein Anliegen, dass die EM nicht nur an den zehn Spielorten stattfindet, sondern in ganz Deutschland. Deshalb ist es ein wichtiges Zeichen, dass wir hier in den neuen Bundesländern sind - die ja gar nicht mehr so neu sind", sagt Neuendorf, der sich von den ersten Eindrücken bestätigt fühlt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: "Wir konnten bei der Anreise am Sonntag sehen, wie viele Menschen dort am Straßenrand standen, vor allem Kinder, was mich sehr gefreut hat. Die Begeisterung ist da. Das gefällt uns." Auch die 15.000 Freikarten für das öffentliche Training in Jena, mit dem am Montagnachmittag der sportliche Start des Vorbereitungscamp erfolgt, waren zügig vergriffen. "Wenn man das sieht, dann kann man sagen: eine EM im eigenen Land lässt niemanden kalt", sagt der DFB-Präsident. "Die Menschen fiebern dem Turnier entgegen und freuen sich darauf."

Auch Neuendorf ist allerdings klar, dass die Begeisterung im Land stark mit dem sportlichen Erfolg korreliert. Mit den frühzeitigen Vertragsverlängerungen von Bundestrainer Julian Nagelsmann und Sportdirektor Rudi Völler hat der Verband wichtige Fragen vor dem Turnierstart geklärt. Auch "um die Nebengeräusche in Grenzen zu halten und den Fokus auf das zu richten, was auf dem Platz passiert", wie es Neuendorf formuliert. Die erfolgreiche Neujustierung der Mannschaft im März und die Testspielsiege in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) haben sportlich gerade noch rechtzeitig die Wende eingeleitet und Euphorie entfacht.

Neuendorf vermeidet "Sommermärchen 2.0"

Bereits zuvor hatte Neuendorf das Halbfinale als Ziel formuliert. In Blankenhain ist er noch etwas offensiver in seinen Äußerungen: "Wir wissen, wo wir herkommen. Wir wissen auch, wie stark die Konkurrenz ist. Aber wir vertrauen unserer sportlichen Leitung und wollen das Maximale erreichen", sagt der DFB-Präsident. Die Mannschaft strahle genau das aus. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir ein sehr ordentliches Turnier spielen und weit kommen werden." Von einem Sommermärchen 2.0 - in Erinnerung an die WM 2006 - will Neuendorf dagegen nicht sprechen.

Er selbst war damals noch ein "normaler Fan". "Ich bin mit dem Fahrrad zur Fanmeile oder in die Kneipe gefahren." Eine Stimmung wie damals könne man allerdings nicht planen. "Jedes Turnier muss seine eigene Geschichte schreiben", sagt der DFB-Präsident. "2006 ist die Euphorie entstanden. Ich bin gespannt, was jetzt entsteht." In einem Punkt sei er sich sicher: "Die Voraussetzungen sind super." Jetzt liegt es am Bundestrainer und seinem Team.

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