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England: Fünftligist Southend United droht die Auflösung

Vor Anhörung vor dem High Court

Nach 117 Jahren: Fünftligist Southend United droht die Auflösung

Ein Fan von Southend United hält einen Schal mit Botschaft gegen den Besitzer hoch.

Ein Fan von Southend United hält einen Schal mit Botschaft gegen den Besitzer hoch. IMAGO/Shutterstock

Im englischen Southend-on-Sea scheint die neue Saison in der fünftklassigen National League erfreulich für die Shrimpers, auch Blues genannt, gestartet zu sein. 16 Punkte holte Southend United aus den ersten elf Spielen, sogar einen mehr als in der Vorsaison. Selbst der englische Ex-Nationalspier Gary Lineker lobte, während seines "Rest Is Football"-Podcast, die erstaunlichen Leistungen, die die Blues dieses Jahr leisten.

Doch beeindruckt den Kommentator vor allem das Durchhaltevermögen des Vereins, bei dem die Spieler und Mitarbeiter unter äußerst unsicheren Bedingungen arbeiten. Denn nicht immer kann der Verein die Gehälter zahlen, manchmal sogar monatelang.

Kein unbekanntes Bild in der National League, die unlängst durch den Erfolg der Disney-Serie "Welcome to Wrexham" an Bekanntheit gewonnen hat. Gilt sie doch als eine der härtesten Ligen der Welt. Nur einer der vierundzwanzig Vereine steigt direkt in die League Two, die niedrigste Profiliga in England, auf. Ein weiterer Teilnehmer wird in den Play-offs zwischen den Plätzen zwei bis sieben untereinander ausgespielt. Träume platzen in der National League schnell, wie auch die Hollywood-Stars Ryan Reynolds und Rob McElhenney als Besitzer des AFC Wrexham trotz großer Investitionen nach ihrer Übernahme erstmal feststellen mussten, als die Waliser im Halbfinale der Play-offs denkbar knapp scheiterten.

So wird in dieser Liga auch immer wieder die Kehrseite des Einstiegs von Investoren und der Abhängigkeit der Vereine von ihren Geldgebern sichtbar, die auch den Southend United-Fans dieser Tage den Schlaf raubt.

Schuldenberg von 2,5 Millionen Pfund

Zuletzt hatten die Dover Athletics in der Saison 2021/22 für Schlagzeilen gesorgt, nachdem der Verein durch eine Insolvenz bedingt die Liga mit nur einem Punkt nach 44 Spielen abgeschlossen hat. Eine noch tristere Zukunft droht nun dem im Jahre 1906 gegründeten Verein von der nördlichen Themsen-Mündung, wird doch voraussichtlich am 4. Oktober die Zukunft der Shrimpers endgültig entschieden. So muss sich der Verein aufgrund seines Schuldenbergs von über 2,5 Millionen Pfund an diesem Termin vor dem High Court, dem obersten Gerichtshof, verantworten. Eine Liquidation des Vereins steht im Raum.

Southend United feierte seine letzten großen Erfolge 2006 mit dem Aufstieg in die Championship und einem 1:0-Sieg im League Cup gegen Manchester United in der folgenden Saison. Doch vereint der Verein trotz der stetigen Rückschritte von der Zweit- in die Fünftklassigkeit eine treue und leidensfähige Fangemeinde hinter sich.

Nur die Verbundenheit der Fans rettete den Verein

Diese muss nun nach jahrelanger finanzieller Schieflage mit unter anderem 15 Liquidationsanträgen von Gläubigern seit der Jahrtausendwende - mehr als jeder andere Verein im englischen Fußball - in dieser Saison den absoluten Tiefpunkt miterleben. Bereits zehn Punkte wurden dem Verein aus dem Südosten Englands von der National League abgezogen, dazu im vergangenen Monat die letzte gerichtliche Mahnung, seine Schulden zu begleichen, sonst droht die Liquidation des Fußballvereins.

Nur die Verbundenheit der Fans zu den Shrimpers veranlasste den zuständigen Richter Prentis, wie er dem Verein mitteilte, diesen nicht sofort aufzulösen und eine letzte Chance - am 4. Oktober - zu gewähren.

Wie es für Southend United weiter geht, ist noch nicht abzusehen. Zwar ist der bisherige Besitzer Ron Martin, den die Fans für den Untergang verantwortlich machen, bereit, seine Anteile am Verein für nur ein Pfund zu verkaufen, doch beinhaltet der Verkauf die Hauptbedingung, eine Zahlung von 4,5 Millionen Pfund für die Spielstätte von Southend United Roots Hall.

Jedoch ist die Arena durch den Traum des Investors von einem millionenschweren neuen Stadion am Stadtrand immer mehr verfallen. Erst vor der Saison mussten die Fans mithelfen, dass die Sicherheitsstandards für die Spielstätte eingehalten werden. Dabei wurden beispielsweise Pilze in den Toiletten entdeckt, wie Unterstützer berichten.

Eine letzte Hoffnung?

Hoffnung macht den Fans derweil die Aussicht auf Hilfe durch einen sogenannten "Leveling Up Fund" der Regierung. Dieser wurde initiiert, um die Infrastruktur, die das alltägliche Leben von Menschen im Vereinigten Königreich beeinflusst, zu verbessern. Im Jahre 2019 konnte der FC Bury mithilfe des Funds zurück in die heimische Gigg Lane ziehen.

Mit Unterstützung der lokalen Gemeinde hoffen Fanvertreter auf eine ähnliche Regelung. So wurde nach einer Diskussion mit lokalen Mitgliedern des Parlaments und des Trust Boards der Shrimpers, bestehend aus knapp tausend Fans, eine Interessenbekundung beim Fund hinterlegt, Roots Hall Stadium zurück in die Hände derer, die es am meisten schätzen, zu legen - der Gemeinde von Southend-on-Sea. 

Zwar können diesmal sogar bis zu zwei Millionen Pfund beim "Community Ownership Fund" beantragt werden, dennoch endet die Frist erst am 11. Oktober, ob bis dahin Southend United überhaupt noch besteht, bleibt ungewiss. Während die Fans fürchten, dass bereits am Dienstagabend (20.45 Uhr) das drittletzte Spiel der Blues nach 117 Jahren stattfindet, versucht Southend United-Besitzer Ron Martin gesondert, die Anträge zur Liquidation zu vertagen, um einen Verkauf des Vereins zu erzielen. Berichten zufolge ist ein australischer Investmenthändler interessiert. Die Zukunft des Vereins scheint jedenfalls so offen wie noch nie. 

mwe

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