Champions League

Mit Magaths Training: Dzekos Weg ins Champions-League-Finale

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Mit Magaths Training am Kopfballpendel: Dzekos Weg aus dem Keller ins CL-Finale

Klasse-Stürmer seit vielen Jahren: Edin Dzeko.

Klasse-Stürmer seit vielen Jahren: Edin Dzeko. IMAGO/Nicolo Campo

Es ist der Sommer 2007. Binnen fünf Tagen stehen im Juli zwei EM-Qualifikationsspiele für die bosnische Nationalmannschaft auf dem Programm, erst gegen die Türkei (3:2), dann gegen Malta (1:0). Es sind die ersten von mittlerweile 127 Einsätzen von Rekordspieler und Rekordtorschütze Edin Dzeko (64 Treffer) für sein Land. Welches Spiel Bernd Hollerbach damals in Sarajevo sah, weiß er heute nicht mehr genau.

"Ich glaube Malta", sagt der 53-Jährige, der auf besonderer Mission war. Felix Magath, der gerade beim VfL Wolfsburg angeheuert hatte und eine neue Mannschaft bauen muss, schickt seinen Co-Trainer los, um sich ein abschließendes Bild von diesem damals 21-jährigen Dzeko zu machen, der beim tschechischen Erstligisten FK Teplice spielt und mit 13 Toren zum besten Ausländer der Liga gekürt wird.

Wolfsburgs ärgster Konkurrent war Cottbus

Hollerbach kennt Dzeko seinerzeit schon, hat ihn ab und an mal im tschechischen TV gesehen. In Teplice stürmt der Bosnier, der Sarajevo als 19-Jähriger verlassen hat, damals gemeinsam mit Martin Fenin, den es später nach Frankfurt zieht. Dzeko wiederum wagt den Schritt nach Wolfsburg, weil Hollerbach seinem Boss Magath aus Sarajevo zuruft: "Den müssen wir holen."

Auch Energie Cottbus soll damals dran gewesen sein an dem vielversprechenden Stürmer, kommt gegen die VfL-Finanzkraft aber nicht an. Rund vier Millionen Euro lässt sich Magath diesen Versuch mit dem bosnischen Talent aus Tschechien kosten. "Das", erzählt Hollerbach, "war sicher nicht der schlechteste Transfer."

Ist er der Entdecker von Edin Dzeko? Nein, widerspricht er vehement, "entdeckt hat ihn der Felix". Und getroffen, kurze Zeit später zu finalen Gesprächen in Zagreb. Magaths Erinnerung an diese erste und entscheidende Begegnung: "Edin hatte einen festen Händedruck. Ein junger Mann, der weiß, was er will." Er wollte raus in die weite Fußballwelt.

Jeden Tag hatte ich Angst.

Edin Dzeko über seine Kindheit im Jugoslawien-Krieg

1992 ist er sechs Jahre alt, als in seiner Heimat der Krieg ausbricht. Die Familie Dzeko flüchtet nicht, bleibt mehr als drei Jahre mitten im Krisengebiet. Furcht bestimmt in dieser Zeit das Leben. "Jeden Tag hatte ich Angst", berichtete Dzeko, der seinerzeit kaum noch das Haus verlässt. Angst davor, dass seine Eltern nicht mehr von der Arbeit heimkehren. Angst, wenn draußen die Bomben einschlagen. Dann müssen sie in den Keller. Dort sitzt der kleine Edin und träumt von einer großen Karriere als Fußballer.

Eine Karriere, die in Wolfsburg so richtig an Fahrt aufnimmt. "Im ersten Jahr hatte er noch etwas mit der Umstellung zu kämpfen", erzählt Hollerbach, wenngleich acht Tore und sieben Vorlagen in der Bundesliga-Debütsaison schon beachtlich sind. Das Potenzial ist sowieso vom ersten Tag an zu sehen. "Technisch überragend trotz der Größe", so der damalige Assistent, "sehr beweglich." Und anpassungsfähig. Hollerbach erinnert sich an ein Hallenturnier in Hamburg. Als die Spieler gefragt werden, wer mitspielen möchte, meldet sich Dzeko. "Du bist zu groß für die Halle", entgegnet ihm Hollerbach, um anschließend festzustellen: "Er war der überragende Spieler, beidfüßig, ohne Probleme mit dem Gegner im Rücken."

Das Kopfballpendel "hat ihm nicht so gefallen"

Was anfangs jedoch auffällt: Das Kopfballspiel ist nicht so das Ding des 1,93-Meter-Angreifers. Doch auch dafür haben Magath und sein Trainerteam eine Lösung: "Wir haben ihn ans Kopfballpendel geschickt", sagt Hollerbach. "Das hat ihm nicht so gefallen, aber ungemein geholfen." Schon ein Jahr später, in der Wolfsburger Meistersaison, erzielt Dzeko neun seiner 26 Tore mit dem Kopf.

Das Finale

Der Stürmer entwickelt sich rasend schnell. Auf und neben dem Platz. Deutsch lernt und spricht er ebenso sicher wie später Englisch und Italienisch. Hollerbach: "Ein schlauer Junge." Der immer das Große und die Zukunft vor Augen hat, ohne das Kleine und die Vergangenheit dabei zu vergessen. Tore und Titel pflastern seinen Weg bis dorthin, wovon er immer geträumt hat. Die Champions League, das Messen mit den Besten der Welt.

66 Tore für Wolfsburg in der Bundesliga, 50 für Manchester City in der Premier League, 107 für die AS Rom und Inter Mailand in der Serie A. Deutscher Meister und Torschützenkönig, zweifacher englischer Champion, doppelter italienischer Pokalsieger mit Inter und Torschützenkönig bei der Roma. Nur eine kleine Auswahl vieler Erfolge, die Dzeko nun im großen Königsklassen-Endspiel von Istanbul krönen kann. Gegen City, seinen Ex-Klub. Die besondere Geschichte dieses finalen Aufeinandertreffens.

Das Geburtsdatum ist mir schnuppe.

Inter-Trainer Simone Inzaghi über das Alter von Edin Dzeko

Inter-Coach Simone Inzaghi wird es keine Sekunde bereut haben, im vergangenen Sommer trotz der Rückkehr von Romelu Lukaku einem Abschied Dzekos nach nur einem Jahr in der Lombardei einen Riegel vorgeschoben zu haben. "Das Geburtsdatum ist mir schnuppe", betonte der Ex-Angreifer. "Edin ist ein großartiger Stürmer, der für uns in brenzligen Situationen Gold wert ist." Vier Tore erzielte der Bosnier in dieser Champions-League-Saison, sein frühes 1:0 im Halbfinal-Hinspiel gegen Stadtrivale Milan (2:0 und 1:0), früher Dzekos Traumverein, ebnet den Weg ins Finale. Das Bernd Hollerbach natürlich verfolgen wird.

"Wem ich die Daumen drücke", sagt der frühere Wolfsburger Co-Trainer, "sollte klar sein. Es freut mich ungemein, dass Edin in seinem Alter noch in der Lage ist, in der Champions League zu spielen." Aus dem 21-jährigen Talent, das er damals in Sarajevo sah, ist ein 37 Jahre alter Routinier geworden, der immer noch fit und in der Lage ist, große Spiele zu entscheiden. Dank Magath und ihm? Hollerbach: "Wir haben den Spielern damals sicherlich beigebracht, was sie für ihren Körper tun müssen, um erfolgreich zu sein." Bei Dzeko mit ausgeprägter Nachhaltigkeit. Vor kurzem betonte er: "Ich fühle mich wie 22, und solange es reicht, mache ich weiter."

Thomas Hiete

13 verschiedene Klubs, zwei deutsche: Alle Champions-League-Sieger seit 1993