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Sanchos Absturz bei Manchester United: Mehr als eine Hygiene-Frage:

Ten Hags gewagter Vergleich im Sommer

Mehr als eine Hygiene-Frage: Sanchos Absturz bei Manchester United

Der "Traum" Manchester United - für Jadon Sancho schon bald vorbei?

Der "Traum" Manchester United - für Jadon Sancho schon bald vorbei? IMAGO/Sportimage

Wenn Jadon Sancho bei Borussia Dortmund Ärger hatte, ging es meistens um Hygiene. Einmal etwa ließ er sich entgegen den Corona-Vorschriften zuhause von einem Frisör die Haare schneiden, ein anderes Mal verlängerte er auf eigene Faust eine Länderspielreise und wurde suspendiert. "Es geht um die Hygiene der Mannschaft", erklärte BVB-Sportdirektor Michael Zorc damals.

Der Top-Profi, der Sancho mit 19 oder 20 noch nicht war, ist er auch mit 23 noch nicht, doch es ist noch schlimmer: Aus dem damaligen Top-Spieler ist ein Spieler geworden. Sancho, der beim BVB mit 90 Scorerpunkten (38 Tore, 52 Vorlagen) in 104 Bundesliga-Spielen auftrumpfte wie kein Youngster vor ihm, ist bei Manchester United nur noch ein Offensivspieler von vielen - und vielleicht bald gar keiner mehr.

Gegen Arsenal hatten der 20-jährige Hannibal und der 18-jährige Daniel Gore im Kader gestanden, nicht aber Sancho, der 85-Millionen-Euro-Neuzugang. Seine Trainingsleistungen seien nicht gut genug gewesen, erklärte Trainer Erik ten Hag. Dass Sancho ihm daraufhin öffentlich vorwarf, ihn zum "Sündenbock" zu machen, und indirekt, ob seiner Kader-Verbannung zu lügen, wird nicht ohne Folgen bleiben. Selbst bei Cristiano Ronaldo hatte ten Hag nicht gezögert, Verstöße gegen seine disziplinarischen Vorgaben konsequent zu bestrafen.

Auch in Manchester soll Sancho regelmäßig zu spät kommen

Der "Traum", der Sancho zufolge mit seinem Wechsel 2021 "wahr geworden" war, ist längst keiner mehr, der bis 2026 unterzeichnete Vertrag mit Option auf ein weiteres Jahr womöglich keiner, den beide Seiten erfüllen werden. Während Erling Haaland nach seiner Dortmunder Zeit die Premier League im Sturm eroberte, folgte Sancho eher den Beispielen Shinji Kagawa oder Henrikh Mkhitaryan und kommt in zwei Jahren auf zwölf Tore und sechs Vorlagen in 82 Pflichtspielen, obwohl ten Hag erst im Sommer die gewagte Aussage getroffen hatte, der Flügelstürmer sei "kein so viel anderer Spieler als in Dortmund".

Es gibt sportliche Gründe für Sanchos Absturz - die neue Konkurrenz durch Antony und Alejandro Garnacho, die Suche nach der passenden Position -, und es gibt disziplinarische: Auch in Manchester soll Sancho regelmäßig zu spät kommen, Chelsea ob seiner Einstellung von einem möglichen Sommertransfer abgerückt sein. Seinen Platz in der englischen Nationalelf verlor Sancho, der im EM-Finale 2021 im Elfmeterschießen verschossen hatte (und daraufhin übel rassistisch beleidigt worden war), bereits vor knapp zwei Jahren, angeblich unter anderem wegen unprofessionellen Verhaltens.

Was hat es mit den "mentalen Problemen" auf sich?

Aber womöglich gibt es noch ganz andere Gründe, die der Öffentlichkeit bislang bestenfalls angedeutet wurden. Während der WM 2022, für die Sancho nicht nominiert worden war, ließ ihn ten Hag mehrere Wochen in den Niederlanden individuell trainieren - wegen "körperlicher", aber auch "mentaler Probleme". Bis heute wurden diese nie näher erklärt; klar ist nur, dass sich Sanchos sportliche Situation auch nach dem Comeback im vergangenen Januar kaum besserte.

Bevor man auf Sancho einschlage - was nicht nur ManUnited-Fans seit Sonntag munter tun -, solle man lieber sechs Wochen zurück an Dele Alli denken, warnte "The Athletic" in einem Kommentar. Dele, vier Jahre älter als Sancho und einst ebenfalls als eines der größten englischen Talente gehandelt, hatte in einem Interview seine psychischen Probleme und einen Missbrauch in der Kindheit offenbart.

Bislang haben weder ten Hag noch der Klub auf Sanchos "Sündenbock"-Statement reagiert. Die Red Devils ließen gegenüber englischen Medien aber durchsickern, dass der Trainer bei seiner Darstellung bleibe (die "The Athletic" als "unsensibel" bezeichnete). Die Länderspielpause wird für die Verantwortlichen in jedem Fall intensiver als gedacht. Nach Mason Greenwood haben sie aktuell mit Antony und Sancho zwei weitere Fälle zu klären, bei denen es um mehr zu gehen scheint als die bloße Kader-Hygiene.

jpe

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