Europa League

Maestro Gasperini und der besiegte Fluch: "Wir haben Geschichte geschrieben"

Nach über 60 Jahren gewinnt Atalanta Bergamo den zweiten Titel

Maestro Gasperini und der besiegte Fluch: "Wir haben Geschichte geschrieben"

Erstmals mit Silberware ausgestattet: der langjährige Trainer und jetzige Atalanta-Coach Gian Piero Gasperini.

Erstmals mit Silberware ausgestattet: der langjährige Trainer und jetzige Atalanta-Coach Gian Piero Gasperini. Getty Images

Gian Piero Gasperini hat schon viel gesehen - zunächst als Mittelfeldmann von Juventus Turin, wo er allerdings nie den Durchbruch schaffte. Seine aktive Zeit hatte der heute 66-Jährige vornehmlich in Italiens Serie B verbracht und insgesamt nur einen ganz großen Erfolg verbucht, den Serie-A-Aufstieg 1987 mit Pescara Calcio.

Als Trainer führte ihn sein Weg über die Juve-Jugend schließlich von Crotone nach Genua, kurz zu Inter Mailand (2011) und über Palermo sowie nochmals CFC Genua nach Bergamo. 2016 übernahm er den Atalanta-Laden und transformierte den unter dem Radar fliegenden Traditionsklub zu einem waschechten Herausforderer. Die Saison 2017/18 mit der ersten Qualifikation für einen europäischen Bewerb seit 26 Jahren war dabei nur der Anfang, es folgte etwa auch eine Champions-League-Viertelfinalteilnahme und nun das Europa-League-Finale.

Was Gasperini in all den beeindruckenden Atalanta-Jahren begleitet hatte: das Scheitern kurz vor einem möglichen Titel. So verloren die Lombarden unter seiner Obhut gleich drei italienische Pokalendspiele - 2019 gegen Lazio, 2021 gegen Juventus und erst vor einer Woche erneut gegen Turin. Der Titelfluch war Gasperini und ganz Bergamo, das überhaupt nur 1962/63 einen Titel (Coppa Italia) gewonnen hatte, stets hold.

Bis jetzt. Bis zur starken Leistung beim 3:0 gegen Leverkusen. Beim deutlichen Finalsieg in Dublin. Bei der Dreierpacker-Gala von Ademola Lookman.

Erstmals seit Heynckes: Lookman trifft dreimal in einem Europapokalfinale

Gasperini dankt allen

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"Das ist eine der besten Nächte meines Lebens", sagte der aus einer starken bergamaskischen Mannschaft noch herausragende Stürmer kurz nach Schlusspfiff bei CBS, um dabei schnell auf den Erfolg des Vereins zu lenken: "Es war eine unglaubliche Leistung der Mannschaft. Wir haben es geschafft - fantastisch. Ich bin einfach nur glücklich. Wir haben Geschichte geschrieben."

Und Strahlemann Gasperini, der mit seinen 66 Jahren und 117 Tagen der älteste Trainer geworden war, der in seinem ersten europäischen Finale direkt einen Sieg einfuhr? Der Maestro strahlte über beide Ohren und gab bei Sky Sport Italia zu Protokoll, dass ihm vor allem die Art und Weise imponiert hatte: "Das war außergewöhnlich. Wir haben die Leistungen gegen Liverpool und Lissabon (Gegner auf dem Weg zum Finale; Anm. d. Red.) wiederholt. Sporting hat die Meisterschaft gewonnen, Liverpool war ganz oben in der Premier League, als wir auf sie getroffen waren - und Leverkusen hat die Bundesliga dominiert." Doch seine Schützlinge zogen weiter, weiter, zogen durch bis zum ultimativen Ziel und gewannen nun den ersehnten Titel: "Die Leistungen der Jungs war fantastisch, ich muss ihnen allen danken."

Es gibt nicht den Hauch eines Zweifels.

Gian Piero Gasperini

Mit einem offensiven Ansatz um das Dreigestirn Gianluca Scamacca, Charles de Ketelaere und Lookman sowie Antreiber Teun Koopmeiners hatten die Norditaliener die Werkself vom Start weg auf dem falschen Fuß erwischt - und im gesamten Spielverlauf nie lockergelassen. Der verdiente Lohn aus Gasperinis Sicht: das auch in der Höhe absolut verdiente 3:0. "Wir wussten, dass solche Teams stark im Angriff sind, aber weniger gut, wenn man sie zum Verteidigen zwingt. Und wie wir das heute gemacht haben, war unglaublich wichtig. Es gibt nicht den Hauch eines Zweifels an unserem verdienten Sieg gegen solch eine starke Mannschaft."

Gian Piero Gasperini

Erst daneben und letztlich mittendrin: Atalanta-Trainer Gian Piero Gasperini feiert mit seinem Team. Getty Images

Und nun? Erwarte Gasperini, der sich bei der Pokalübergabe erst distanziert neben seinem Team gezeigt hatte und dann doch den Pott krallte, eine Statue oder eine nach ihm benannte Straße in Bergamo? Seine bescheidene Antwort an den italienischen Journalisten: "Seien Sie nicht albern." Auch die Tatsache, dass er in seiner langen Laufbahn erstmals einen großen Triumph feierte und nun nicht mehr auf seine titellose Laufbahn reduziert werden könne, werde ihn laut eigener Aussage nicht verändern: "Ich verstehe das Thema nicht, ich bin jetzt keine bessere Person als noch heute Nachmittag."

mag

Bilder zum Europa-League-Finale zwischen Atalanta und Leverkusen