U 21

Krauß: "Das schweißt uns noch enger zusammen"

Nach dem Abstieg mit Schalke als Führungskraft zur EM

Krauß: "Das schweißt uns noch enger zusammen"

Möchte bei der U-21-EM im DFB-Team voran gehen: Tom Krauß.

Möchte bei der U-21-EM im DFB-Team voran gehen: Tom Krauß. IMAGO/Kirchner-Media

Aus dem U-21-Trainingslager in Prad am Stilfserjoch berichtet Thiemo Müller

Verantwortung zu übernehmen, liege in seinem Naturell, sagt Tom Krauß. Dass er von Trainer Antonio Di Salvo für die anstehende Europameisterschaft in den Mannschaftsrat der U 21 berufen wurde, findet der Mittelfeldspieler folglich "cool". Denn: "Ich gehe gerne mit voran, und wenn es etwas anzusprechen gibt, mache ich das."

Krauß, daran lässt er keinen Zweifel, bringt ein gesundes Selbstbewusstsein in den DFB-Kader ein, ohne überhöhte Ambitionen zu formulieren. Trotz exponierter Rolle als einer der erklärten Führungsspieler bleibt er in Bezug auf einen Stammplatz zurückhaltend: "Ich musste mich in den Testspielen zeigen und muss mich weiter im Training zeigen. Mein Anspruch ist, immer sagen zu können, dass ich alles gegeben und jede Einheit genutzt habe. Dann muss der Trainer entscheiden.“

Am 22. Juni, dem Tag des ersten Gruppenspiels gegen Israel, feiert Krauß seinen 22. Geburtstag - ein Geschenk Di Salvos in Form eines Startelfmandats erwartet er aus diesem Anlass nicht.

Gegenpressing als Automatismus beim RB-Vorzeigeschüler

Vielmehr hat auch Krauß das während des am Sonntag zu Ende gehenden Trainingslagers in Südtirol allgegenwärtige Credo verinnerlicht: "Am wichtigsten ist gerade bei einem Turnier, dass wir als Team zusammenstehen. Wer spielt, ist dann fast egal. Hauptsache, jeder gibt sein Bestes für die Mannschaft da, wo er gebraucht wird."

Beim Eigengewächs von RB Leipzig wird das im 4-3-3-System vor allem auf einer der beiden Halbpositionen im Mittelfeld der Fall sein. "In erster Linie bin ich Achter", bestätigt Krauß. "Vorstellbar wäre auch die Sechs, wenn mich der Trainer dort mal brauchen sollte." Tiefe Laufwege bezeichnet er als Vorliebe, dazu "bei Ballverlust direkt umzuschalten und wieder vorne draufzugehen, um den Ball schnellstmöglich zurückzuholen." Gegenpressing als Automatismus, wie es sich für einen RB-Vorzeigeschüler gehört: "Ich habe das, seit ich 12 Jahre alt war, praktisch jeden Tag trainiert. Das sehe ich als eine meiner Stärken, die ich dann eben auch für die Mannschaft einbringen will."

Dass Ansgar, Jordan und Jan jetzt zuhause sitzen, ist für uns eine Verpflichtung: Wir wollen auch für die Drei etwas holen.

Tom Krauß

Apropos Mannschaft: Die verletzungsbedingten Ausfälle von Jordan Beyer, Jan Thielmann und Ansgar Knauff "tun natürlich weh", sagt Krauß. Zugleich leitet er aus diesem Schmerz umso größere Motivation ab: "Ich glaube, das schweißt uns nochmal enger zusammen. Dass Ansgar, Jordan und Jan jetzt zuhause sitzen, ist für uns eine Verpflichtung: Wir wollen auch für die Drei etwas holen."

Fixer Wechsel? "Ich brauche ein Umfeld, in dem ich möglichst viel spielen kann"

Während der Turnierwochen auf Eis gelegt ist unterdessen die Entscheidung über seine berufliche Zukunft im Verein. Klar ist: Nach einer Leihsaison auf Schalke wird Krauß RB in diesem Sommer endgültig verlassen - um weiter erstklassig zu spielen.

"Es haben gute Gespräche mit Vereinen stattgefunden. Aber seit ich jetzt hier bei der U 21 bin, liegt der volle Fokus auf der Vorbereitung und dann auf der EM. Klar kommuniziert wurde, dass es für mich und auch für RB am sinnvollsten ist, wenn ich nicht mehr ausgeliehen werde, sondern einen fixen Wechsel vornehme. In Leipzig ist die Konkurrenz nun mal enorm, aber ich brauche jetzt ein Umfeld, in dem ich möglichst viel spielen kann und entsprechend gefördert werde."

Keinen Hehl macht Krauß daraus, wie gerne er mit Schalke die Klasse gehalten hätte und dann - wie für diesen Fall bereits vorab vertraglich vereinbart - dauerhaft bei den Königsblauen geblieben wäre: "Das wäre perfekt gewesen, gerade für mich als Schalke-Fan von klein auf. Aus deshalb hat der Abstieg extrem wehgetan, umso mehr als ich am letzten Spieltag in Leipzig wegen einer Muskelverletzung zuschauen musste. Es war eine sehr emotionale Situation, nicht mitwirken zu können, als die Zukunft entschieden wurde."

So blöd es klingt: Trotz des Abstiegs würde ich von einem guten Jahr sprechen.

Tom Krauß

Mit 32 Einsätzen (kicker-Note 3,65) gelang Krauß gleichwohl der Durchbruch auf Bundesliganiveau. "Ich habe aus dem Jahr auch sehr viel Positives mitgenommen für meine weitere Karriere. So blöd es klingt, würde ich deshalb trotz des Abstiegs von einem guten Jahr sprechen."

Als besonders prägend empfand er auf Schalke nicht zuletzt die Atmosphäre zwischen Anhängern und Mannschaft: "Was wir erlebt haben, passiert wirklich sehr selten. Die Fans haben uns nie fallenlassen, selbst als wir aussichtslos auf Platz 18 standen. Das wird immer in meinem Kopf bleiben. Es waren absolute emotionale Highlights dabei wie die späten Siege in Mainz oder gegen Bremen. Und auch die Szenen nach dem Abstieg: Dass einen die Fans da noch beklatschen, ist etwas ganz Besonderes. Dafür bin ich extrem dankbar."  

Auf Schalke, wo die Emotionen in der Vergangenheit allzu oft auch ins Destruktive kippten, wirkt das von außen betrachtet umso erstaunlicher. Den "entscheidenden Punkt" erklärt Krauß so: "Die Fans hatten das Gespür, dass wir als Mannschaft alles geben, für den Verein durchs Feuer gehen. Nach dem 1:6 gegen Leipzig kamen 3000 Zuschauer zum Training, der Capo hat uns da gesagt: Egal, ob ihr gewinnt oder verliert - für uns ist das Wichtigste, dass ihr auf den Platz geht und für den Verein alles gebt. Die Fans haben gemerkt, dass das der Fall war, sich viele Spieler enorm mit dem Verein identifiziert haben."

Eine persönliche Erfahrung, die perspektivisch tatsächlich sogar noch wertvoller sein könnte als der Klassenerhalt.

Das wurde aus den U-21-Europameistern von 2017