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kicker-Check: FC Barcelona geht schweren Zeiten entgegen

Der FC Barcelona geht schweren Zeiten entgegen

Kopflose Katalanen

Die Vergangenheit wird eingerollt: Lionel Messis Ära ist zu Ende. 

Die Vergangenheit wird eingerollt: Lionel Messis Ära ist zu Ende.  picture alliance

Welch eine bittere Ironie. Ausgerechnet im Spiel eins nach Messi wird der FC Barcelona wieder vor Zuschauern spielen, 30.000 dürfen ins Camp Nou. Womit sich auch ein Kreis schließt - das letzte Spiel vor Fans trug Barça im März 2020 aus. Gegner damals wie heute: Real Sociedad.

Doch was werden sie zu sehen bekommen? Ist Barça nur noch ein Torso ohne seinen Superstar, sprich: Ist der große FC Barcelona nun einen Kopf kleiner?

Spielersteckbrief Messi
Messi

Messi Lionel

Egal ob Ronald Koeman, Gerard Piqué oder der neue Kapitän Sergio Busquets, sie sagten mehr oder weniger alle das Gleiche zu dem Thema. Messi ist eigentlich nicht zu ersetzen, aber was haben wir für eine andere Wahl? Irgendwie müssen wir es ja versuchen. "Danke Leo, dass du Barcelona auf das höchste Level gehoben und Geschichte geschrieben hast", sagte Busquets bei seiner Ansprache im Rahmen der "Trofeo Joan Gamper". Koeman blicke trotz des Abgangs von Messi "optimistisch auf die kommende Spielzeit. Wir sind sehr zufrieden mit unserem Team, den Transfers und den jungen Spielern."

Jorge Messi gießt Öl ins Feuer

Doch Skepsis ist mehr als angebracht. Es ist eher Endzeit- statt Aufbruchsstimmung, zumal sich so langsam andeutet, dass nicht nur finanzielle Probleme bei der Messi-Misere ausschlaggebend waren. Wer denn schuld sei, dass sein Sohn nicht mehr für Barça spiele, wurde Vater und Berater Jorge Messi gefragt. Seine vielsagende Antwort: "Sie wollen wissen, wer verantwortlich ist? Informieren Sie sich beim Klub."

Sollte sich bewahrheiten, dass es doch eine Möglichkeit gab, Messi zu halten, dürfte das den Volkszorn umso mehr schüren. Wie groß dieser ist, bekam Samuel Umtiti bereits zu spüren. Weil der Verkaufskandidat den Weg nicht frei machte, um etwaige Ressourcen für einen Messi-Verbleib zu schaffen, wurde er beim Gamper-Pokal gnadenlos ausgepfiffen. "Manchmal sollte man lieber schweigen und die Stille die Dinge übernehmen lassen", sagte der Franzose danach.

Kann Barcelona überhaupt die Neuen registrieren?

Dass Umtiti geht, ist nach wie vor nicht ausgeschlossen, denn: Barcelona muss trotz Messis Abschied noch Spieler verkaufen, um das Financial Fair Play von La Liga zu erfüllen. Bis Freitag müssen Neuzugänge registriert werden, die am Sonntag gegen San Sebastian auflaufen sollen, das geht dann Woche für Woche so - bis zum 1. September. Wer bis dahin noch nicht registriert ist, kann bis Januar nicht eingesetzt werden. Erst dann beginnt die nächste Registrierungsphase.

So hat die langwierige Verletzung von Sergio Aguero wenigstens etwas Positives für die Katalanen. Er muss vorerst nicht registriert werden, auch Neuzugang Eric Garcia wird wohl zum Saisonauftakt wegfallen nach EM- und Olympia-Strapazen. Barcelona muss bis Freitag also nur Emerson (für neun Millionen dank einer Rückkaufklausel von Betis verpflichtet) und Memphis Depay anmelden. Laut Marca wäre aber nicht mal das möglich, sollte der Milliarden-Deal mit CVC, gegen den Real Madrid rechtlich vorgeht, nicht zustande kommen. Am Donnerstag soll er fixiert werden. 

Letzterem könnte man wohl am ehesten das Prädikat "Hoffnungsträger" verleihen. Depay, genauso wie Aguero und Garcia ablösefrei gekommen, mag Koeman. Und Koeman mag Depay. Daraus machen die beiden Niederländer keinen Hehl. "Jeder weiß, dass ich für Koeman spielen will", hatte der 27-Jährige schon während der EM gesagt. Da war der Deal noch nicht mal fix. Beim Sieg gegen Juventus Turin im Gamper Cup (3:0) traf er prompt zum 1:0.

Drehen Griezmann & Co. ohne Messi auf? 

Und natürlich bieten sich mal wieder Chancen für Antoine Griezmann, Philippe Coutinho und Ousmane Dembelé, aus dem großen Schatten des Superstars zu treten. Die Jungstars Pedri und Ansu Fati, der nach langwieriger Verletzungspause zumindest schon wieder trainiert, werden (noch) mehr Spielpraxis bekommen. Dass die seit Jahren wacklige Abwehr mit Garcia und Emerson verstärkt wurde, ist ebenfalls positiv zu bewerten. Auch Marc-André ter Stegen dürfte aufatmen.

Doch reicht das, um ein Wörtchen um die Meisterschaft, ja gar um den Champions-League-Titel mitzureden? Immerhin, auch Real und Atletico Madrid haben keine personellen Quantensprünge vollzogen, die Konkurrenz auf nationaler Ebene scheint noch in Reichweite.

Aguero und die Verletzungen 

Dass Barcelona aber auch international eine herausragende Rolle spielen wird, dazu bedarf es schon ein wenig Fantasie - nicht zuletzt wegen Aguero und seinen Verletzungen. Der 33-Jährige hat allein in der vergangenen Saison wegen Knie- und Oberschenkelverletzungen bei ManCity 24 Spiele verpasst, zehn kamen noch mal wegen eines positiven Corona-Tests hinzu. Nun zwickt die Wade, acht Partien wird er wohl verpassen.

Einen Stürmer seines Formats hätte Barcelona dringend nötig, um ein Wörtchen um den Henkelpokal mitreden zu können. Ob er körperlich dazu noch in der Lage ist, Barça zu helfen? Blickt man auf die vergangenen Monate zurück, bleibt ein dickes Fragezeichen.

Am Sonntag wird man um einiges schlauer sein, der Gegner Real Sociedad ist als Tabellenfünfter der Vorsaison ja auch nicht gerade ein Leichtgewicht. Das besagte Spiel im März 2020 gegen die Basken hatte Barcelona übrigens mit 1:0 gewonnen. Torschütze per Elfmeter: Lionel Messi.

Christoph Laskowski